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Köln: Initiative zieht Bilanz nach vier Jahren Flüchtlingsarbeit


"Willkommen in Nippes"
Initiative zieht Bilanz nach vier Jahren Flüchtlingsarbeit


Aktualisiert am 11.10.2019Lesedauer: 4 Min.
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Menschen feiern mit Kuchen und Luftballons vor einem Gebäude: Fest zum zweijährigen Bestehen des benachbarten "Café international“.Vergrößern des Bildes
Menschen feiern mit Kuchen und Luftballons vor einem Gebäude: Fest zum zweijährigen Bestehen des benachbarten "Café international“. (Quelle: Dierk Himstedt)

Im September 2015 kamen Tausende Geflüchtete nach Deutschland. Ehrenamtliche Initiativen erhielten damals großen Zulauf. Wie ist die Situation in der Kölner Flüchtlingsinitiative

Dennis Müller (31) ist seit dem Sommer 2015 bei der Flüchtlingsinitiative "Willkommen in Nippes" (WiN) in Köln dabei und gehört zum engen Kreis des Organisationsteams. Am 5. September entscheidet Angela Merkel zusammen mit dem österreichischen Kanzler Faymann, Tausenden Flüchtenden, die aus Ungarn nach Österreich und Deutschland wollen, aus humanitären Gründen die Einreise nicht zu verweigern.

Was folgt, ist eine Welle der Solidarität, die auch das Leben von Müller verändert. "In den Tagen und Wochen danach hatten wir auf einmal 200 bis 250 hoch motivierte Ehrenamtler, die helfen wollten. Da war sehr viel Energie und wir konnten den geflüchteten Menschen viele Angebote machen", so erinnert sich Müller an die Zeit vor genau vier Jahren.

"Zu Beginn war alles sehr chaotisch. Die Treffen haben manchmal fünf Stunden gedauert. Da haben wir gesagt: Oje, bitte nicht noch mal. Das musste sich erst zurechtruckeln. Die meisten kannten sich vorher gar nicht und es waren Leute von Mitte 20 bis ins Rentenalter. Aber es hat funktioniert."

Die Probleme, die bewältigt werden mussten, seien andere gewesen als heute, so Müller weiter. Die Sprache sei zunächst das Hauptproblem gewesen: "Wie finde ich heraus, was die Leute nach ihrer Flucht benötigen? Wie gewinne ich ihr Vertrauen? Wenn sie kein Englisch konnten, war das anfangs nur mit Händen und Füßen möglich. Das war kompliziert."

Die von Security-Leuten abgeschotteten Turnhallenunterkünfte in Köln erschwerten den regelmäßigen Austausch zwischen Geflüchteten und Helfern zusätzlich, erzählt er weiter und hebt hervor: "Wir mussten uns erst einmal einen Namen machen. Viele von WiN haben da einen richtig guten Job gemacht."

Unterstützer wurden zu Experten

Auch Angi Waschek (54) unterstützt und berät Geflüchtete, die in Köln-Nippes ankommen. Sie ist ein Jahr nach Müller zu WiN gekommen – durch Zufall. Über ein Spieletreff im Nippeser Bürgerzentrum, an dem sehr viele Flüchtlinge teilnahmen, kamen die ersten Kontakte zustande. "Anfangs habe ich bei Behördenbriefen geholfen, habe übersetzt und versucht zu erklären, worum es dabei geht", sagt sie.

Nach und nach wuchs sie dann in die Beraterinnenfunktion rein und half bei der Wohnungssuche, bei Behördengängen oder der Suche nach einem Job. "Diese ganzen Themen, geförderter Wohnungsmarkt, Asyl, Voraussetzungen für die Agentur für Arbeit, waren Neuland für die meisten. Mittlerweile sind wir Experten und können im Grunde jede Frage beantworten", so Waschek.

Wie die Vertreter anderer Willkommensinitiativen sind auch die Mitglieder von WiN seit Langem in den Ämtern der Stadt akzeptiert. Man diskutiere auf Augenhöhe, sind sich Müller und Waschek einig. Es gibt regelmäßige Treffen mit dem Bezirksamt der Stadt, wie den "Runden Tisch Nippes", wo die aktuellen Probleme und Möglichkeiten zur besseren Zusammenarbeit besprochen werden.

Auch gibt es Arbeitsgruppen, die im engen Kontakt zu den Ämtern stehen. Manchmal, wie bei der WiN-Wohnungsgruppe, gehe das so weit, so Müller, dass die Stadt bei der Erstellung eines Leitfadens zur Wohnungsvermittlung von Geflüchteten die Erfahrungen und Inhalte von WiN fast komplett übernommen habe. "Wir haben rund 200 Neu-Kölnern eine Wohnung vermittelt. Dadurch hat die Stadt Kosten in Millionenhöhe eingespart. Die sind uns mittlerweile auch dankbar für die Arbeit, die wir Ehrenamtler hier leisten", stellen Müller und Waschek fest.

Wie wird sich WiN in Zukunft aufstellen?

Mittlerweile sind die Zahlen von neuen Geflüchteten in Deutschland deutlich zurückgegangen. Es gibt keine provisorischen Flüchtlingsunterkünfte in Turnhallen mehr. Viele Neu-Kölner von damals haben eine eigene Wohnung, einen Job und leben mit ihrer Familie zusammen. Dazu haben auch die Gegebenheiten vor Ort beigetragen. "Hier in Nippes hatten wir das große Glück, dass wir mit der evangelischen Lutherkirche eine Kooperation haben und sie uns Räume für unsere Flüchtlingsarbeit zur Verfügung gestellt hat – unser sogenanntes WiN-Haus", sagt Müller.

Heute nehmen zwar immer noch viele Geflüchtete die Beratungs- und Hilfsangebote im WiN-Haus wahr, aber sie kommen seltener in ihrer Freizeit vorbei. Viele befinden sich mittlerweile in anderen Lebenssituationen. Von den Ehrenamtlern, die sich zu Beginn zehn bis 20 Stunden in der Woche eingesetzt hätten, sei jetzt noch ein harter Kern von 25 bis 30 Leuten aktiv.


Kirche und Willkommensinitiative sind sich laut Aussage von Dennis Müller und Angi Waschek einig, dass der Betrieb des WiN-Hauses mittelfristig auslaufen soll, da ein Schutzraum in dieser Form für viele mittlerweile gut integrierte Flüchtlinge nicht mehr gebraucht wird. "Wir wollen für die Zukunft der Flüchtlingshilfe in Nippes ein neues Konzept erarbeiten", sagt Angi Waschek. "Mit unseren Angeboten wollen wir mehr raus ins Veedel zu den Leuten gehen."

Neu-Kölner und Kölner zusammenbringen

"Die Neu-Kölner wollen nicht länger als Geflüchtete angesehen werden. Sie wollen endlich in der Gesellschaft ankommen," sagt Waschek. "Wir möchten daher Nachbarn ansprechen und motivieren, selbst aktiv zu werden und Veranstaltungen anzubieten, die Kölner und Neu-Kölner zusammenbringen."

Aber es sollen auch neue Räumlichkeiten für Beratungsgespräche, Sprachkurse und Veranstaltungen gefunden werden, denn der Bedarf ist groß. Das Angebot solle aber allen Kölnern zugutekommen. Bei der Finanzierung sei man dabei auf Fördertöpfe und private Spenden angewiesen, erklärt Müller. Die Details dazu werden gerade in Arbeitsgruppen beraten.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Gespräch mit Dennis Müller und Angi Waschek von der "Willkommenskultur Köln"
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