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Köln: Nahid Taghavi – Corona-Infektion in iranischem Gefängnis


"Soll meine Mutter sterben?"
Kölnerin infiziert sich in iranischem Gefängnis mit Corona

Von Florian Eßer

Aktualisiert am 22.07.2021Lesedauer: 3 Min.
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Ein Foto aus der Zeit vor ihrer Festnahme: Die Kölner Architektin Nahid Taghavi.Vergrößern des Bildes
Ein Foto aus der Zeit vor ihrer Festnahme: Die Kölner Architektin Nahid Taghavi (l.) mit ihrer Tochter Mariam Claren. (Quelle: Archivbild/Privatbestand Mariam Claren)

Die Kölner Architektin Nahid Taghavi wird seit Oktober des vergangenen Jahres im Teheraner Evin-Gefängnis gefangen gehalten. Nun ist im Frauentrakt das Coronavirus ausgebrochen. Unter den Erkrankten ist auch die 66-jährige Deutsch-Iranerin – ihre Tochter ist in großer Sorge.

"Das Leben meiner Mutter ist in Gefahr", sagt Mariam Claren, die Tochter von Nahid Taghavi. Vor zwei Wochen brach im Frauentrakt des Evin-Gefängnisses, in dem 24 Frauen untergebracht sind, das Coronavirus aus. Sieben Frauen sind mit dem Virus infiziert, so auch Nahid Taghavi, wie ein Test bestätigte. Viele weitere Insassinnen zeigten Symptome, erzählt Claren: "Meine Mutter hat mir am Telefon gesagt, dass auch die Frauen, die noch nicht getestet wurden, Husten und Fieber haben."

Aus dem Telefonat weiß Mariam Claren auch, dass ihre Mutter alle typischen Symptome aufweist: "Sie hat hohes Fieber, Schüttelfrost, Druck auf dem Brustkorb und starke Gliederschmerzen." Besonders prekär ist dabei, dass die 66-Jährige an Diabetes und Bluthochdruck leidet, wodurch sie zur Risikogruppe gehört: "Wir machen uns sehr große Sorgen um die Gesundheit meiner Mutter", so Claren.

"Es erkrankte eine Frau nach der anderen"

Dass es früher oder später zu einem Ausbruch des Virus im Gefängnis kommen würde, sei absehbar gewesen: "Die Frauen leben zusammen auf engstem Raum und haben keine Möglichkeit, sich voneinander zu isolieren", schildert Mariam Claren. Und weiter: "Als dann vor zwei Wochen das Virus ausbrach, erkrankte eine Frau nach der anderen."

Taghavis Tochter erhebt schwere Vorwürfe gegen die Gefängnisleitung und das iranische Justizsystem: Die Verantwortlichen hätten sich geweigert, PCR-Tests an den Frauen durchzuführen – auch seien keine Vorbereitungen getroffen worden, um die Ausbreitung des Virus zu verhindern: "Erst nach massivem Druck durch die Frauen selbst und ihre Angehörigen hat die Gefängnisleitung Tests durchgeführt und die Erkrankten in Quarantäne geschickt."

"Soll meine Mutter sterben?"

Den meisten der infizierten Frauen wurde nun ein Hafturlaub genehmigt, andere wurden in Krankenhäuser gebracht. Nahid Taghavi aber befindet sich weiterhin in der Quarantäne des Frauentraktes: "Soll meine Mutter sterben?", fragt Claren. "Wollen die die Frauen umbringen, oder was soll diese Nachlässigkeit?"

Nun setzt sich Claren dafür ein, dass auch ihre Mutter gegen eine Kaution Hafturlaub bekommt – um dann die medizinische Betreuung zu erhalten, welche die Diabetikerin benötigt. "Alles andere wäre unfair", sagt sie, "aber da meine Mutter die doppelte Staatsangehörigkeit besitzt, wird sie noch ungerechter behandelt als die anderen Frauen".

Anwälte und Politiker setzen sich für Freilassung ein

Derzeit setzen sich die Anwälte von Nahid Taghavi für eine Freilassung der Architektin ein. Auch Heribert Hirte, Bundestagsabgeordneter der CDU und politischer Pate Taghavis, engagiert sich für einen Hafturlaub der Kölnerin: "In einem dringenden Schreiben habe ich mich an die iranische Botschaft in Deutschland gewandt und alle notwendigen Schritte eingefordert, um die Gesundheit von Frau Taghavi zu retten", heißt es in einer offiziellen Stellungnahme Hirtes. Auch habe er das Auswärtige Amt und Bundesminister Maas kontaktiert: "Die wissentliche Gefährdung der Gesundheit und des Lebens meiner Kölner Mitbürgerin werde ich nicht akzeptieren."

Schließlich, so erklärt Hirte weiter, führe kein Weg an einem Hafturlaub vorbei, um Nahid Taghavi eine entsprechende medizinische Versorgung zukommen zu lassen.

Corona im Iran: Delta-Variante sorgt für Höchststand an Infektionen

Währenddessen fragt sich Mariam Claren, wie das Virus in den Frauentrakt gelangen konnte: "Die Frauen laufen ja nicht draußen rum und bringen das Virus dann mit in das Gefängnis. Es muss durch einen Mitarbeiter der Haftanstalt hineingebracht worden sein."

Der Iran wurde seit Beginn der Pandemie schwer vom Coronavirus getroffen. Mit Stand vom 22. Juli erkrankten in dem autoritären Staat 3,6 Millionen Menschen, mehr als 80.000 von ihnen starben. Erst vor zwei Tagen wurde in Teheran ein sechstägiger Lockdown verhängt, um die aktuell tobende fünfte Welle abzuschwächen.

Besonders die Delta-Variante des Virus sorgt für rapide steigende Fallzahlen im Iran: Wie das iranische Gesundheitsministerium verlauten ließ, lag die Zahl der täglichen Neuinfektionen (Stand 16. Juli) bei mehr als 23.000 Fällen. Pro Tag starben rund 190 Menschen an dem Virus.

Der Fall Nahid Taghavi

Die in Köln lebende Nahid Taghavi wurde im Oktober 2020 in Teheran verhaftet, als sie in ihrem Heimatland Verwandte besuchte. Seitdem befindet sich die 66-jährige Architektin im Evin-Gefängnis, einer Haftanstalt, in der ausschließlich politische Gefangene untergebracht sind.

Der Kölnerin wird die Gefährdung der Staatssicherheit vorgeworfen, konkrete Anklagepunkte sind jedoch nicht bekannt. Am 13. Juni begann der Gerichtsprozess gegen Taghavi, der erste Verhandlungstag blieb jedoch ergebnislos.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Mariam Claren
  • Eigene Recherche
  • Pressemitteilung von Heribert Hirte, 21. Juli 2021
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