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"Automausoleum" bei Köln: Sammler lässt Oldtimer verrotten


"Automausoleum" im Neandertal
Sammler lässt 50 Oldtimer verrotten

Von Tobias Christ

19.02.2022Lesedauer: 4 Min.
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Auto-Skulpturen-Park im Neandertal: "Die Natur überlebt uns alle. Menschenwerk ist vergänglich", sagt Sammler Michael Fröhlich.Vergrößern des Bildes
Auto-Skulpturen-Park im Neandertal: "Die Natur überlebt uns alle. Menschenwerk ist vergänglich", sagt Sammler Michael Fröhlich. (Quelle: Thomas Banneyer/T-Online-bilder)

In seinem Privatwäldchen in Erkrath überlässt Michael Fröhlich 50 Oldtimer aus dem Baujahr 1950 den Kräften der Natur. Entstanden ist daraus eine faszinierende Kunstinstallation des allmählichen Untergangs.

Schon in wenigen Jahren dürfte vom Porsche 356 mit der schwarzen 77 an der Tür nur noch ein elendes Häufchen Rost geblieben sein. Alles deutet darauf hin, dass die Natur bald vollends die Oberhand über den einstigen Traumwagen gewinnen wird.

Eine Efeuranke windet sich bereits großflächig über das, was einmal der Kofferraum war. Der Lack ist an vielen Stellen abgeplatzt, die Fenster sind blind, der Innenraum verrottet. Willkommen im morbiden Reich des Michael Fröhlich.

Im Neandertal verrottet, wofür andere viel Geld ausgeben

Wer über sein Grundstück im Neandertal, eine Autostunde von Köln entfernt, schlendert, kann Autos beim Verrotten zusehen, für deren Erhalt andere Menschen normalerweise viel Geld ausgeben.

Ein rotes Goggomobil klemmt zwischen zwei Baumstämmen, die das Heck des Kleinwagens langsam mit in die Höhe gezogen haben. Ein Fuldamobil steht mit weit geöffneter Tür an einem Abhang und offenbart sein zerschlissenes Mobiliar.

Ein von Rost zerfressener Borgward versinkt allmählich im dichten Laub. Und an einem Stück nachgebauter Berliner Mauer modert ein stromlinienförmiger Tatraplan aus der ehemaligen Tschechoslowakei wie ein gestrandeter Wal vor sich hin.

"Alte Autos müssen nicht immer aufgepäppelt werden"

Michael Fröhlich ist eigentlich ein großer Fan fahrbereiter Oldtimer mit glänzendem Chrom, handelt und restauriert er beruflich doch exotische Fahrzeuge mit Geschichte. Aber er sagt auch: "Alte Autos müssen nicht immer aufgepäppelt werden." Ein großer Teil seines privaten Fuhrparks gammelt deshalb seit Jahrzehnten vor sich hin.

"Ich habe immer gerne provoziert", sagt Michael Fröhlich beim Rundgang über das zerklüftete Gelände, das auch öffentlich zugänglich ist. Mit einer Rundfahrt in einem ausgemusterten Hotchkiss-Panzer über die Düsseldorfer Königsallee sorgte er in den 1990er-Jahren ebenso für Schlagzeilen wie mit dem verschollen geglaubten Mercedes 770 K von Adolf Hitler, den er im Auftrag eines wohlhabenden Kunden aus Russland ausfindig machte.

Der Autoskulpturenpark von Michael Fröhlich kann sonntags ab 13 Uhr besichtigt werden. Um Anmeldung unter 0211/322809 wird gebeten. Die Adresse: Neandertal 11, Erkrath.

Über das Auto von Papst Johannes Paul II., das er geschenkt bekommen und für 250.000 Euro weiterverkauft habe, urteilt Michael Fröhlich auf eher profane Weise: "Das war so eine Dreckskarre, die fuhr noch nicht mal."

Mit einem Jaguar XK 120 fing alles an

Angefangen hatte alles mit dem Jaguar XK 120, mit dem Michael Fröhlich in den 1980er-Jahren Rennen auf dem Nürburgring fuhr. Erst habe die englische Schönheit in der Garage gestanden, sagt der selbst ernannte Freigeist, "das sah aber scheiße aus". Also stellte er den Wagen unter die Bäume seines 20.000 Quadratmeter großen Grundstücks.

Als der Porsche 356 seines holländischen Dauerrivalen dazukam, baute Fröhlich aus Beton ein Stück Nordschleife nach und kreierte so eine eingefrorene Rennszene.

Dann entstand die Idee, bis zu seinem 50. Geburtstag im Jahr 2000 insgesamt 50 Fahrzeuge in den Wald zu stellen und dazwischen eine große Party zu feiern. Alle Autos sollten in Fröhlichs Geburtsjahr 1950 produziert worden sein und dann langsam verrotten: "Denn ich verrotte ja auch."

Rolls-Royce dient als "Fuckingham Palace Shuttle Service"

Jahrelang suchte er sich Oldtimer aus aller Welt zusammen und ergatterte sogar einen Rolls-Royce aus dem Buckingham-Palace, in den er Prinz Charles und Queen Elizabeth II. als feist grinsende Puppen setzte.

"Fuckingham Palace Shuttle Service" steht an der Flanke des königlichen Kolosses. Michael Fröhlich, der Provokateur, mal wieder. Die schwere Limousine hat sich in all den Jahren verhältnismäßig gut gehalten – je nach Blechqualität altern Fröhlichs Wracks unterschiedlich schnell.

Als vor 22 Jahren seine große Sause mit 1.000 Gästen stieg, waren einige Autos sogar noch fahrbereit. Nun hat die Natur gnadenlos zugeschlagen. Michael Fröhlich ist zufrieden mit dem Zwischenergebnis: "Das war praktisch mein Lebensziel."

Oldtimer-Sammler Fröhlich: "Menschenwerk ist vergänglich"

Dass er automobile Klassiker dem Verfall preisgebe, sorge durchaus für Unverständnis in der Oldtimerszene, sagt der ebenso schelmische wie schillernde Unternehmer.

Auch die Stadt Erkrath sah seine Sammlung kritisch und wollte sie als illegalen Schrottplatz verbieten. Doch Fröhlich bekam bei einer Gerichtsverhandlung recht. Für ihn handelt es sich nicht um Schrott, sondern um Kunst. "Die Natur überlebt uns alle", solle seine Installation sagen: "Menschenwerk ist vergänglich."

Auch wenn er Autos liebe: Der Individualverkehr sei dem Tode geweiht, meint der 72-Jährige: "Die Automobilität wird es bald nicht mehr geben, die Straßen werden doch immer voller." Auch dafür stehe sein "Automausoleum".

Oldtimer-Skulpturenpark in Europa einzigartig

Die Besucher sind fasziniert von dem morbiden Charme der dahinsiechenden PS-Schönheiten. "Ich finde es einfach großartig", sagt Ralph Hanisch aus Wuppertal. "So etwas findest du in Europa kein zweites Mal", meint Jürgen Hermanns.

Sonst gebe es meistens Hochglanz-Oldtimer zu sehen: "Hier sind die Autos halt anders." Bei einem Raubüberfall wurde Michael Fröhlich kürzlich schwer verletzt, weshalb er sein Gelände nun besser sichert. Dennoch kann auch er sich noch immer für seine Fahrzeugleichen begeistern.

Erst jetzt, nach Jahrzehnten natürlicher Zersetzung, gefallen sie ihm so richtig. "In den ersten Jahren sahen die Autos nur ungewaschen aus", sagt er. Nun beschleunige sich der Zerfall zusehends: "Der Lack reißt, dann kommt die Korrosion, das ist die pure Natur." Mit einem Gläschen Rotwein durch sein Kunstwerk zu streifen, sei für ihn reine Lebenskultur. Und seine letzte Art der Provokation.

Verwendete Quellen
  • Gespräche und Beobachtungen vor Ort
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