t-online - Nachrichten für Deutschland
t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon



HomeRegionalMünchen

Grenze zu Tschechien: So spürt die Polizei Schleuser auf


Unterwegs mit der Bundespolizei
"Wenn einer mit der Waffe auf mich zielt, muss ich das sehen"

Von Daniel Salg

12.11.2023Lesedauer: 5 Min.
Nachrichten
Wir sind t-online

Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.

Zum journalistischen Leitbild von t-online.
Zwei Bundespolizisten in Furth im Wald während der Kontrolle im Zug: Dieser verbindet Prag und München – immer wieder sitzen darin auch illegale Eingereiste.Vergrößern des Bildes
Zwei Bundespolizisten in Furth im Wald während der Kontrolle im Zug, der Prag und München verbindet. Immer wieder sitzen darin auch illegal Eingereiste. (Quelle: Daniel Salg/t-online)

Seit Oktober finden in Deutschland wieder Grenzkontrollen statt. So versucht die Bundespolizei an der Grenze zu Tschechien, Schleusern das Handwerk zu legen.

Das Bahnhofsgebäude in Furth im Wald wirkt so, als ob es schon seit Jahren leer steht. Nicht einmal eine Toilette oder einen Bäcker findet man hier. Einzig ein Reisebüro ist im dreigeschossigen Bahnhofsgebäude untergebracht – dort könnte man, wenn man wollte, den nächsten Sommerurlaub buchen. Auch auf den drei Gleisen dahinter geht es gelassen zu. Bahnhofshektik? Fehlanzeige. Nur eine Handvoll Menschen warten auf den nächsten Zug. Es sind gerade einmal drei pro Stunde, die hier abfahren.

Um 14.20 Uhr – an einem Freitag Ende Oktober – kehrt plötzlich Leben am Bahnhof ein. Fünf Bundespolizisten kommen in einem Polizeibus angefahren und gehen direkt Richtung Gleis. t-online wird sie heute begleiten.

So abgeschieden der Bahnhof in Furth im Wald auch wirken mag, so zentral ist seine Rolle für die Bundespolizei. Das ist schon seit eh und je so, wegen der Migrationskrise und der wiedereingeführten Grenzkontrollen gilt das derzeit aber besonders. Siebenmal am Tag hält hier der einzige Direktzug zwischen München und Prag – es ist sein erster Stopp in Deutschland.

Der Halt dauert jetzt länger als sonst

Da in diesem Zug häufig auch Migranten ohne Pass und Aufenthaltstitel – sogenannte illegal Eingereiste – sitzen, steigt auch die Bundespolizei zu. Heute fährt der Zug mit guten zehn Minuten Verspätung in Furth im Wald ein. Beim Einfahren winken die Polizisten dem Lokführer zu – für den ein Zeichen, dass kontrolliert wird und er hier erst einmal stehen bleiben muss.

Die fünf Bundespolizisten arbeiten eigentlich am Düsseldorfer Flughafen – nun sind sie für eine Woche zur Verstärkung in der Oberpfalz. Alle haben sich für den Einsatz freiwillig gemeldet, der sei "eine willkommene Abwechslung". Was der Unterschied zwischen der Arbeit am Flughafen und an der Grenze ist? "Am Flughafen kontrollieren wir jeden, im Zug können wir nur stichprobenartig kontrollieren", sagt einer der Beamten beim Einsteigen.

"Wir müssen schauen, dass keiner Zugriff auf die Waffe hat"

Einer von ihnen bleibt draußen stehen – damit keiner der Passagiere schnell wegrennt, wenn er die Polizei sieht. Zwei steigen vorne in den Zug ein, die anderen beiden hinten. Nach und nach werfen sie einen Blick in alle Abteile und die Großraumwagen.

Zeit und Platz für die Kontrollen sind im Zug Mangelware, teilweise zwängen sie sich seitwärts durch den schmalen Gang. "Wir müssen schauen, dass keiner Zugriffe auf unsere Waffe hat", erklärt eine Polizistin. Sie ist die einzige Frau in der Gruppe und kontrolliert gerade mit ihrem Kollegen zusammen.

Die beiden werfen einen Blick auf jeden Sitz. Vereinzelt lassen sie sich Pässe zeigen und fragen die Personalien im Fahndungssystem ab. Etwa in der Zugmitte treffen sie auf ihre Kollegen, die von der anderen Seite aus durchgegangen sind. Kein Treffer – zumindest in diesem Zug. Für die Passagiere geht es weiter Richtung München.

Vier Kilometer vom Bahnhof entfernt liegt die nächste Kontrollstelle

Auch die Bundespolizisten ziehen weiter – auf die Straße. Auf der B20, gerade einmal vier Kilometer vom Bahnhof entfernt, hat die Bundespolizei heute eine Kontrollstelle eingerichtet. Die Grenze zu Tschechien ist von dort aus in Sichtweite. Auch hier gilt: Wer verdächtig wirkt, wird kontrolliert.

Einer der fünf Polizisten steht auf der Straße, wirft einen ersten Blick in die Autos und entscheidet, wer direkt weiterfahren darf und wer auf den Parkplatz neben der Bundesstraße fahren muss. Dort kontrollieren seine Kollegen dann genauer.

Auffällig oft winken sie Autos mit getönten Scheiben oder Transporter von der Straße. Der Fahrer eines Honda muss etwa auf Geheiß des Dienstgruppenleiters die getönten Scheiben im Heck herunterlassen. "Ich konnte nicht hineinschauen. Wenn einer drinnen sitzt und mit der Waffe auf mich zielt, muss ich das sehen", erklärt er.

"Behältnisschleusungen" sind eines der größten Probleme

Und natürlich wollen sie auch wissen, ob sich noch Passagiere ohne Pass und Visum auf der Rückbank verbergen. Immer wieder fällt in diesem Zusammenhang das Wort "Behältnisschleusungen". Gemeint ist damit, dass Schleuser Flüchtlinge beispielsweise auf nicht einsehbaren Ladeflächen verstecken und sie so ins Land schmuggeln.

Beim Blick auf die Fakten wird deutlich, warum das Wort unter den Polizisten viel diskutiert wird. Allein in den beiden Wochen zuvor meldete die Bundespolizeiinspektion Waldmünchen – der Grenzübergang in Furth im Wald ist einer von vieren, für die sie zuständig sind – drei Großaufgriffe.

Einmal brachte ein Schleuser 27 Migranten. Bei den anderen beiden Aufgriffen handelte es sich um 22 beziehungsweise sechs Migranten. Für die 27 nutzten die Schleuser einen Transporter, für die 22 einen Kastenwagen. Die Flüchtlinge hatten sie wohl in beiden Fällen auf der Ladefläche – also im "Behältnis" – versteckt.

Mehr Aufgriffe in allen Bereichen

Sylvia Hieninger ist die Pressesprecherin der Bundespolizeiinspektion Waldmünchen. Sie sagt, dass ihre Inspektion von den hohen Aufgriffszahlen – im Vergleich mit anderen Dienststellen – lange verschont geblieben sei. Das habe sich aber nun geändert. Schließlich kommen ja zu den Aufgriffen von der Straße noch jene aus den Zügen zwischen Prag und München dazu.

Loading...
Loading...
Loading...

Auch dort nahm die Bundespolizei zuletzt immer wieder Menschen ohne gültige Papiere fest. Die Kontrollen ihrer Inspektion finden zeitlich und räumlich flexibel statt. Das heißt, die Kontrollorte wechseln immer wieder entlang der Schleuserrouten. Hieninger sagt: "So können wir verhindern, dass die Schleuser auf andere Routen ausweichen."

Dabei ist Migration an der Grenze zu Tschechien längst nicht das einzige Problem – auch Drogen oder Waffen werden immer wieder über die Grenze geschmuggelt. Bleibt für die Ahndung solcher Delikte aktuell überhaupt noch Zeit? Hieninger bleibt diplomatisch und sagt: "Wenn die Kontrolldichte erhöht wird, kommt es zu mehr Feststellungen – in allen Deliktbereichen."

Auch Zugtoiletten werden überprüft

Keine zwei Stunden, nachdem die Bundespolizisten auf der Straße eingetroffen sind, muss der Trupp wieder zusammenpacken. Um 16.22 Uhr fährt der nächste Zug aus Prag in Furth im Wald ein. Jetzt sind sie sogar zu zehnt. Jeder Zug sei eine Wundertüte. "Wir sind jedes Mal gespannt, was uns darin erwartet", sagt einer der Polizisten.

Wieder geht es durch alle Abteile – dem Dienstgruppenleiter fällt ein Mann auf. Der reicht ihm sogleich einen tschechischen Aufenthaltstitel. Seine Echtheit überprüft der Polizist mit einer Lupe – "sonst kann man das Gute nicht vom Bösen unterscheiden".

Doch der Aufenthaltstitel ist echt – auch sonst finden sie in dem zweiten Zug niemanden Verdächtigen. Sogar in die Toiletten haben sie einen Blick geworfen. Denn gestern habe sich darin ein Syrer versteckt. Der sei nach Tschechien zurückgewiesen worden.

Verwendete Quellen
  • Reporter vor Ort
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...



TelekomCo2 Neutrale Website