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Klinikpersonal in Bayern am Limit: "Ich werde vom System verbrannt"


Ärzte in Bayern am Limit
"Ich werde vom System verbrannt"

Von t-online
20.11.2021Lesedauer: 3 Min.
Ein Arzt untersucht einen Covid-Patienten auf einer Intensivstation (Symbolbild): Kliniken klagen über fehlende Intensivbetten.Vergrößern des BildesEin Arzt untersucht einen Covid-Patienten auf einer Intensivstation (Symbolbild): Kliniken klagen über fehlende Intensivbetten. (Quelle: Bodo Schackow/dpa-bilder)
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Die vierte Corona-Welle trifft vor allem Bayern mit voller Wucht. Die Zahl der Covid-19-Patienten steigt seit Wochen. Bei den Ärzten in den Kliniken nimmt der Frust zu, wie eine aktuelle Umfrage zeigt.

"Es sind alle genervt!", sagt Dr. Ina Konietzko. Genervt, dass es jetzt schon wieder losgeht, dass sie und ihre Kollegen wieder keinen normalen Klinikdienst leisten können, dass sie ihre Patienten nicht in normaler Art und Weise behandeln können. Dass wieder Patienten verlegt werden müssen und dass die angespannte Corona-Lage erneut Maßnahmen notwendig macht, die viel Personal und Energie binden.

Konietzko ist Oberärztin an der Neurochirurgischen Klinik des Universitätsklinikums Augsburg. Wie die meisten Krankenhäuser in Bayern wurde auch ihr Haus von der vierten Corona-Welle getroffen. Und auch mit ihrem Frust ist die Ärztin nicht allein.

Klinikpersonal in Bayern: "Dringliche Operationen müssen verschoben werden"

Das zeigt eine Umfrage des Marburger Bunds Bayern zur "Corona-Situation in den bayerischen Kliniken", deren Ergebnisse der Ärzteverband am Freitag in München vorstellte. An ihr haben zwischen dem 12. und 18. November über 2.800 Ärzte an bayerischen Krankenhäusern teilgenommen.

Die Neurochirurgie, in der Dr. Ina Konietzko tätig ist, ist auf Intensivbetten angewiesen, um die Patienten etwa nach einer Hirntumor-Operation zu betreuen. Intensivbetten, die jetzt wieder fehlen.

"Es ist leider nicht so, dass nur elektive, also nicht-dringliche Operationen verschoben werden, sondern durchaus dringliche Operationen von Krebspatienten", berichtet sie. Mit ernsten Folgen: "Der Krebs wächst einfach weiter, wenn er zwei Wochen später behandelt wird."

Umfrage mit deutlichen Unterschieden zu 2020

Auch an anderen Kliniken in Bayern ist die Situation ähnlich, wie die Umfrage des Marburger Bunds ergab. Drei Viertel der befragten Ärzte bestätigten, dass sie in den vergangenen zehn Tagen die Behandlung von Nicht-Corona-Patienten einschränken mussten, weil die Behandlung von Covid-19-Fällen Ressourcen bindet.

Damit sehen die Befragten die Situation ernster als noch bei der Befragung im November 2020. Damals gaben nur 54 Prozent von ihnen an, Behandlungen einschränken zu müssen.

Und die Befragten erwarten eine Verschärfung der Lage. Ein Drittel von ihnen glaubt nicht, dass Ärzte sowie Pflegepersonal ihrer Klinik unter den aktuellen Bedingungen noch weitere vier Wochen weiterarbeiten können. 27 Prozent können die Lage nicht einschätzen und nur 40 Prozent sind optimistisch. Vor einem Jahr gaben 56 Prozent an, noch weitere vier Wochen und mehr durchhalten zu können.

Befragte sind ernüchtert: "Ich werde vom System verbrannt"

Der Frust unter den Krankenhausärzten spiegelt sich auch in ihren Kommentaren wider, die sie bei der Befragung machen konnten. "Ich bin zornig und auch traurig über die mangelnde Solidarität in der ungeimpften Bevölkerung, wenn ich sehe, dass Krebspatienten, Herzinfarkte oder Unfälle aufgrund mangelnder Intensivbetten, die durch ungeimpfte Coronapatienten belegt werden, teilweise nicht versorgt werden können", schreibt einer der Befragten.

Zugleich weisen die Kommentare aber auch auf ein strukturelles Problem hin, das für die aktuelle Situation in den Krankenhäusern mitverantwortlich ist: den Personalmangel in der Pflege und im ärztlichen Bereich. "Corona ist nicht das Problem, sondern die Arbeitsbedingungen und die absolut unzureichende Finanzierung von Krankenhausarbeit", so das Fazit eines Befragten.

Ein anderer schreibt: "Unsere Arbeitsbedingungen waren nie gut. Aber seit Längerem habe ich das Gefühl vom System einfach nur verbrannt zu werden. Am Ende des Tages wollen wir doch alle dasselbe: wertgeschätzt und gut behandelt werden."

Ein Problem, das schon vor Corona bestand

Wegen des Personalmangels können auch bestehende Intensivbetten und Beatmungsgeräte nicht betrieben werden. Über 42 Prozent der Befragten gaben an, dass zehn bis 20 Prozent ihrer Betten wegen des Personalmangels gesperrt seien.

Für Dr. Ina Konietzko ein Problem, das nicht erst seit Corona besteht. "Es fehlt an familienfreundlichen Konzepten für im Krankenhaus arbeitende Ärzte und Pflegekräfte", nennt sie als einen Grund für den notorischen Personalmangel.

Und schließlich leidet auch die Weiterbildung von Fachärzten in den Kliniken unter der Corona-Last. "Es stimmt traurig, dass die Ausbildung in Krisenzeiten nicht mehr stattfinden kann", sagt Konietzko.

Rückgang der Nachwuchskräfte: "Vollzeittätigkeit nicht möglich"

Junge Ärzte in Weiterbildung würden auf der Corona-Station gebraucht, Operationen, bei denen sie lernen könnten, fänden nicht statt, und ihre Fachausbildung ziehe sich so in die Länge, berichtet die Oberärztin aus ihrer aktuellen Erfahrung. Über 45 Prozent der Nachwuchskräfte möchten aufgrund der Arbeitsbedingungen laut Marburger Bund die Krankenhäuser verlassen.

"Der Trend ist eindeutig, dass junge Kollegen in die Niederlassung strömen. Und unter den Pflegekräften herrscht die einhellige Meinung, dass eine Vollzeittätigkeit im Krankenhaus, noch dazu mit Familienwunsch, eigentlich nicht möglich ist", sagt Dr. Konietzko.

Ihre Hoffnung ist, dass die nun aktuell von der bayerischen Staatsregierung getroffenen Maßnahmen bald zu einer Eindämmung der Infektionszahlen und damit auch zur Entlastung in den Krankenhäusern führen.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Reporter vor Ort
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