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München: Das waren die Helfer beim S-Bahn-Unglück in Schäftlarn


S-Bahn-Unglück bei München
Helfer: Blut, Stöhnen, Jammern – "alles war dabei"

Von Christof Paulus

16.02.2022Lesedauer: 3 Min.
Nachrichten
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Feuerwehrleute vor den Trümmern der S-Bahn in Schäftlarn: Sie gehörten zu den ersten Rettern am S-Bahn-Unglück.Vergrößern des Bildes
Feuerwehrleute vor den Trümmern der S-Bahn in Schäftlarn: Sie gehörten zu den ersten Rettern am S-Bahn-Unglück. (Quelle: Christof Paulus)

Die S-Bahn-Kollision bei München hat einen Toten und mehrere Schwerverletzte gefordert. Bei Helfenden vor Ort bleiben schlimme Bilder zurück – aber auch der Eindruck großer Solidarität. t-online hat mit ihnen gesprochen.

Zwei Züge stoßen frontal aufeinander, Menschen fliegen aus ihren Sitzen, um sie herum Trümmer: Am Montagabend sind zwischen Hohenschäftlarn und Ebenhausen zwei S-Bahnen frontal zusammengestoßen. Ein Mann starb, rund 20 weitere sind verletzt. "Das ist eine Lage, die kann man nicht üben", sagt Daniel Buck.

Er ist Kommandant der Feuerwehr Hohenschäftlarn, das Gerätehaus fünf Minuten von der Unglücksstelle in Ebenhausen entfernt. Buck gehörte am Montagabend zu den ersten Rettern vor Ort. "Leute sind aus dem Zug gesprungen, haben gerufen und gewunken", erzählt er am Tag nach dem Unglück. Ihm gehe es trotz allem gut – auch wenn die Bilder des Unfalls hängenbleiben werden.

"Eindrücke sind unvorstellbar": Psychologische Hilfe für die Helfenden

"Kollegen haben mit schwerstem Gerät Menschen aus den Trümmern befreit", erzählt Buck. "Die Eindrücke sind unvorstellbar. In dem Moment funktioniert man einfach, aber nicht wie ein Roboter".

Man versuche, Emotionen aus dem Kopf zu halten. So sei es gelungen, dass beim Einsatz alle im Team "super zusammengearbeitet" haben. Professionell sei die Rettung abgelaufen, auch von Anliegenden wird der Einsatz als schnell und hervorragend koordiniert beschrieben. Aber klar sei auch, sagt Buck: "Wir sind alle Menschen".

Bis spät in die Nacht kämpfte die Feuerwehr um die Gesundheit der verletzten Passagiere. "Ich kann mir vorstellen, dass der ein oder andere noch Redebedarf hat", sagt der Kommandant über seine Truppe. Ein Helfer habe noch am Montag die Unterstützung der psychologischen Einsatzhilfe in Anspruch genommen, die Feuerwehr Hohenschäftlarn traf sich tags darauf zu einer Einsatznachbesprechung.

S-Bahn-Unglück bei München: Feuerwehr musste Triage anwenden

"Als wir in den Zug sind, haben wir blutüberströmte Menschen gesehen", beschreibt Buck den Einsatz. "Manche haben gestöhnt, gejammert oder geschrien, alles war dabei. Wir mussten Triage-Methoden anwenden, sichten und auswählen, wer akut Hilfe braucht."

"Kollegen, die lange konzentriert mitten im Geschehen geholfen haben, haben sich nach dem Einsatz den Unfall aus der Entfernung angesehen", erzählt Buck. "Dann haben viele den Kopf geschüttelt und die Hände vors Gesicht geschlagen."

Auch Nicky Keyl, die aus ihrer Boutique "Brownie & Kleid" direkt auf den havarierten Zug blicken kann, wollte nach dem Unfall nicht einfach so weitermachen. Am Dienstag war ihr Geschäft geschlossen. "Aus Pietätsgründen", sagt sie. Tags zuvor war die Boutique, wie so viele Geschäfte und Räume in der Nähe der S-Bahn, zur Rettungsstelle geworden.

Helferin beherbergte Verletzte: "Gemeinschaft hat Hand in Hand gearbeitet"

Noch immer steht eine Box mit Getränken vor dem Geschäft, am Montag habe sie einige der Verletzten in ihren Räumen beherbergt. Ein Mädchen habe bei ihr gesessen, auf Nachrichten aus dem Zug gewartet und geweint. Wer genau sie und die anderen im Geschäft waren, das wisse sie gar nicht.

Auch ob sie irgendwann gute Neuigkeiten aus dem Zug erfahren habe, kann Keyl nicht sagen. "Ich habe nicht nachgefragt. Das Mädchen war so aufgelöst, ich wollte sie einfach in Ruhe lassen." Machtlos habe sie sich gefühlt, ihre Tochter hätte auch in der S-Bahn sitzen können. Der Unfall geht ihr spürbar nahe.

Beeindruckt hat sie, wie schnell die Rettungskräfte angerückt seien, wie präzise ihre Arbeit funktioniert habe. Es sei bewegend gewesen, wie Helfende und Anliegende zusammengehalten haben. Und dass sich etwa Feuerwehrleute immer wieder bei den zivilen Helfenden bedankt hätten. "Dabei ist das doch selbstverständlich. Die Gemeinschaft hat Hand in Hand gearbeitet", berichtet Keyl.

Anliegende unterstützen Einsatzkräfte auch nach dem Unfall

So wie etwa die Mitarbeiter der "Ebenhausener Backstub'n", die direkt am Gleis zwischen Bahnhof Ebenhausen und Unfallstelle liegt. "Erst waren wir sehr geschockt", erzählt die Junior-Chefin Theresa Kastenmüller, die den Unfall gehört hatte. Dann beschlossen sie, den Backofen anzuwerfen und Essen und Getränke bereitzustellen für Passagiere und Helfer.

"Es war nicht viel, aber wir sind froh, dass wir mit unseren Mitteln helfen konnten", sagt Kastenmüller. Die Mitarbeiter stellen vor der Bäckerei ein Zelt auf. Auch tags darauf versorgen sie noch etwa Helfende des Technischen Hilfwerks mit Mittag- und Abendessen. Müde sei sie vom Montag – doch die Arbeit habe ihr persönlich geholfen.

"So hatten wir zu tun", sagt sie. "Und kamen gar nicht dazu, so richtig nachzudenken darüber, wie schrecklich der Unfall war."

Nach dem Unglück am Montag läuft der Einsatz an der Unfallstelle noch weiter. Die Umgebung erschwert die Arbeiten, die Bergung der Züge könnte am Donnerstag beginnen. Viele Fragen sind noch ungeklärt, unter anderem die der Ursache. Ein technischer Fehler wird derzeit ausgeschlossen.

Verwendete Quellen
  • Vor-Ort-Gespräche und Telefonate mit Theresa Kastenmüller, Nicky Keyl und Daniel Buck
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