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Paul Scharner: "Der HSV müsste eigentlich die Liga rocken"


Paul Scharner im Interview
"Der HSV müsste eigentlich die Liga rocken"

t-online, Von Nico Herold

24.11.2015Lesedauer: 6 Min.
Ex-Fußballer Paul Scharner stellt seine Autobiografie vor.Vergrößern des BildesEx-Fußballer Paul Scharner stellt seine Autobiografie vor. (Quelle: dpa-bilder)
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Paul Scharner war ein Fußballer der besonderen Art. Der Ex-Profi des Hamburger SV arbeitete als einer der ersten mit einem Mentalcoach, hatte von Anfang an einen Karriereplan und legte sich mit zahlreichen Trainern und Managern an. Im Sommer 2014 beendete der Österreicher nach Stationen in seiner Heimat, Norwegen, England und Deutschland seine Karriere.

In einer Biographie ("Paul Scharner: Position Querdenker: Wie viel Charakter verträgt eine Fußballkarriere") hat der Defensiv-Allrounder nun seine Sicht der Dinge veröffentlicht. Im Gespräch mit t-online.de spricht Scharner über den HSV, seine weiteren beruflichen Werdegang und was er der österreichischen Nationalmannschaft bei der EM in Frankreich zutraut.

t-online.de: Herr Scharner, hätten Sie nicht eigentlich lieber Tennisprofi werden sollen?

Paul Scharner: (Lacht) Ja, das wurde ich schon öfter gefragt, da man mich bereits öfter als Einzelsportler in einer Team-Sportart bezeichnet hat. Ich bin da aber immer falsch verstanden worden, da ich immer versucht habe, meine 100 Prozent für die Mannschaft zu geben. Das hatte ich eigentlich immer versucht, zu vermitteln.

Die Frage bezog sich eher darauf, dass Sie in ihrer Karriere immer sehr auf ihre eigenen Trainer, wie ihren Mentaltrainer Valentin Hobel oder ihren persönlichen Techniktrainer, Wert gelegt haben und mit den Managern und Trainern im Fußball immer wieder angeeckt sind. Das wäre bei einer Individualsportart ja sehr einfach zu lösen gewesen…

Wenn man es so betrachtet: definitiv. Aber Fußball war halt mein Sport.

Haben Sie ihn ihrer Zeit als Profi den Fußball überhaupt mal geliebt? Ihre Laufbahn wirkt eher wie ein Karriereplan, den Sie sich aufgestellt haben.

Im Endeffekt war es so. Es war nicht vordergründig wichtig, dass ich Fußballer bin, sondern dass ich Karrierist bin und meine Persönlichkeit entwickele. Dass es dann am Ende der Fußball wurde, war eigentlich zweitrangig.

Sie haben den Spaß am Spiel dann als Profi verloren?

Genau. Das kam dann mit dem Erlebten. Ich dachte eigentlich, dass bei den Profis alles noch viel besser werden würde. Das war aber ein Trugschluss. Besonders am Anfang bei Austria Wien ist nahezu alles in die verkehrte Richtung gegangen.

Was genau?

Ich bin sehr bodenständig aufgewachsen. Meine Eltern haben mir immer vermittelt, dass wenn man etwas verdient, man auch Leistung dafür bringen muss. Und ich habe dann irgendwann die Relation verloren. Ich habe meine Kollegen gesehen, die Millionen verdienen und im Prinzip auf der faulen Haut liegen. Für mich war immer klar, dass ich für das Geld auch was bringen muss. Das war bei vielen anderen nicht der Fall.

Sie beschreiben in ihrem Buch, dass für Sie von Anfang an die Premier League das Ziel war. Warum eigentlich nicht die Bundesliga?

In meinen jungen Jahren habe ich meinen Traum entwickelt. Das hing auch mit einem Ex-Kollegen von mir zusammen, der komplett von der Premier League verrückt war. Ich habe auch gespürt, dass der Fußball auf der Insel mehr meinem Charakter entspricht. Deswegen war eigentlich die Bundesliga nie das große Thema für mich.

Hing das auch damit zusammen, dass Sie in England eine neue Sprache und Kultur kennen lernen konnten? Das wäre in der Bundesliga ja nicht der Fall gewesen.

Ja, das kann man definitiv so sagen. England ist schon noch einmal ein riesengroßer Schritt. Es ist zwar noch Europa, aber nicht mehr Kontinental-Europa. Es ist schon ein größerer Schritt als nach Deutschland zu gehen.

Irgendwann war es dann doch so weit und Sie wechselten zum Hamburger SV. Verfolgen Sie ihre ehemalige Mannschaft heute noch?

Natürlich. Ich habe sogar eine Wette laufen. Ein Freund von mir sagt, dass sie mindestens Achter werden. Ich habe dagegen gesetzt (lacht).

In ihrem Buch lassen Sie kein gutes Haar an ihrem Ex-Verein. Ihr Trainer damals war Thorsten Fink. Was lief zu der Zeit schief?

Er war nicht ehrlich zu mir. Er hat mir nie gesagt, dass er mich nicht will. Und das obwohl ich ihn direkt darauf angesprochen habe. Er ist immer wieder ausgewichen. Damit kann ich halt schwer umgehen, wenn man nicht ehrlich ist. Ich hätte auch verkraftet, wenn er mir gesagt hätte, dass er mich nicht mehr braucht. In diese Richtung kam aber nie etwas von ihm.

Heute haben andere Leute das Sagen im Verein. Glauben Sie, dass unter dem Trio Bruno Labbadia, Peter Knäbel und Dietmar Beiersdorfer Ruhe einkehren kann?

Es hat zumindest den Anschein. Auffällig ist, dass weniger nach draußen dringt. Beiersdorfer hört man ja sowieso selten. Das ist auf jeden Fall ein gutes Zeichen. Endlich wird mehr gearbeitet, als geredet. Das Ziel muss es in dieser Saison sein, nichts mit dem Abstieg zu tun zu haben. Klar ist aber auch: Schaut man sich das Potenzial vom HSV und der Stadt Hamburg an, versteht man eigentlich die Welt nicht mehr. Eigentlich müssten sie mit der Infrastruktur und dem Potenzial die Liga rocken.

Hamburg war gleichzeitig auch ihre letzte Station als Profi. Mit bereits 33 Jahren haben Sie damals ihre Karriere beendet. Mit etwas Abstand betrachtet: die richtige Entscheidung?

Ja, denn wenn ich mich für etwas entscheide, dann lebe ich auch mit den Konsequenzen. Egal, was ich mache oder was ich gemacht habe. Als Mensch entwickelt man sich ja weiter. Und das Fußball-Geschäft war dann irgendwann nicht mehr mein Business, meine Profession. Das hat einfach nicht mehr zu mir gepasst. Ich hätte zu dem Zeitpunkt nicht wegschalten und sagen können: 'Ich spiel jetzt einfach Fußball und der Rest interessiert mich nicht.' Dazu bin ich nicht geboren, dann meinen Mund zu halten.

Ihr Wissen über das Fußball-Geschäft möchten sie nun als Karriereberater an junge und auch gestandene Spieler weitergeben. Wie soll das aussehen?

Vielen Spielern, die gerade auf dem Sprung vom Jugend- in den Profifußball sind, fehlt meistens eine Vertrauensperson. Jemand der den Hintergrund versteht und ihn bearbeiten kann, damit der Spieler sich ganz auf den Fußball konzentrieren kann. Aber auch jemand, der ein gewisses Karrierewissen mitbringt, um den Spieler zu führen und zu entwickeln. Das große Problem im heutigen Fußball ist, dass viele Leute denken, dass Spielervermittler solche Personen sind. Die Spieler haben heutzutage immer früher einen Berater, der dann auch die Rolle der Vertrauensperson einnehmen soll, obwohl der ganz andere Interessen hat. Ein Spielervermittler will eigentlich den Spieler nur vermitteln, damit er die Provision erhält. Bei mir soll jeder Spieler so bleiben, wie er ist. Nur ist das im Fußball äußerst schwierig und braucht eine andere Herangehensweise.

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Würden Sie dafür plädieren, ganz auf Spielervermittler zu verzichten?

Es geht leider heute nicht mehr ohne Sie. Die haben sich in diesem System so festgesetzt, dass es nur noch über die Spielervermittler geht. Heute ist es eigentlich nicht mehr so wichtig welche Leistung du bringst, sondern nur wen du kennst und wer dein Spielervermittler ist. Das ist das eigentlich Schlimme.

In Ihrem Buch kriegen jedoch nicht nur Fußball-Funktionäre ihr Fett weg. Auch an vielen Profis stört Sie deren Konformität.

Ich habe halt das Gefühl, dass die Spieler so erzogen werden, dass sie alles mitmachen. Sie akzeptieren am Ende alles. Degradierungen auf die Bank, die Tribüne oder gar Vereinswechsel. Man will keine eigenständigen Personen mehr, sondern ein Produkt, das man verwerten kann.

Sie haben in ihre Karriere sehr vieles nicht mitgemacht. Auch dieses Verhalten führte am Ende dazu, dass Sie lediglich 40 Länderspiele für ihr Heimatland Österreich gemacht haben. Mit dem aktuellen Coach Marcel Koller gerieten Sie so in Streit, dass er Sie nicht mehr berief. Ist er dennoch der Richtige für das Team?

Er ist absolut der richtige. Das liegt auch daran, dass er ein ausländischer Trainer ist und sich weniger reinreden lässt. Und außerdem kann er spielermässig aus dem Vollen schöpfen. Die Mannschaft besteht aus fast nur Legionären.

Mit ihm hat die Auswahl Österreichs erstmals seit 1998 wieder die Qualifikation für ein großes Turnier geschafft. Was trauen Sie dem Team bei der EM in Frankreich zu?

Ich finde, dass man sich das Halbfinale als Ziel ausstecken sollte. Weil es meiner Meinung nach einfach möglich ist. Ich war schon immer ein Fantast, ein Utopist, der sich hohe Ziele gesetzt hat. Wenn ich mir die anderen Teams so anschaue, gibt es nicht viele bessere Mannschaften als unsere.

Sie selbst hatten nie die Möglichkeit an einem großen Turnier teilzunehmen. Sind Sie da nicht ein bisschen frustriert, dass das vor zehn Jahren nicht auch möglich war?

Natürlich. Das hätte ich mir gewünscht, das gebe ich offen und ehrlich zu. Aber es war damals nicht die richtige Zeit. Ich habe früher schon einmal gesagt, dass unsere Generation wohl eine Opfergeneration war, die sich opfert, damit sich etwas ändert. Im Endeffekt ist es super, dass es jetzt funktioniert hat.

Das Interview führte Nico Herold

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