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FC Bayern: Wie gut ist Neuer-Vertreter Sven Ulreich eigentlich noch?


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Zweifel an Ulreich?
Dieser Makel haftet ihm bis heute an

Von Julian Buhl, Benjamin Zurmühl

Aktualisiert am 18.08.2023Lesedauer: 5 Min.
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Sven Ulreich: Er steht aktuell zwischen den Pfosten der Bayern.Vergrößern des Bildes
Sven Ulreich: Er steht aktuell zwischen den Pfosten der Bayern. (Quelle: IMAGO/Frank Hoermann/SVEN SIMON)

Sven Ulreich wird mal wieder in seiner Paraderolle beim FC Bayern gebraucht. Doch wie gut ist der Ersatztorhüter überhaupt noch?

Gelöst hat der FC Bayern sein kompliziertes Torwartdilemma, in dem er nach wie vor steckt, zwar noch nicht. Zumindest eine Entscheidung haben die Verantwortlichen des Klubs nun aber getroffen. Der Rekordmeister sucht ab sofort nämlich gar keine neue Nummer eins mehr und will stattdessen doch mal wieder auf Ersatztorwart Sven Ulreich als Vertreter von Manuel Neuer setzen. Zu diesem Schluss ist die Transfer-Taskforce um Trainer Thomas Tuchel, Uli Hoeneß, Karl-Heinz Rummenigge und Vorstandsboss Jan-Christian Dreesen zufolge gekommen, als sie am Mittwoch zusammentraf.

Es ist der nächste Kurswechsel in dieser scheinbar endlosen Debatte. Bayern fahndet jetzt jedenfalls nach einer Nummer zwei hinter Ulreich, bis der seit Dezember verletzte Nationaltorhüter Manuel Neuer (37) nach seinem im Winter erlittenen Schien- und Wadenbeinbruch wieder vollständig fit ist. "Ulle macht es im Moment sehr gut. Aber nur mit Ulle können wir das nicht gewährleisten", sagte Tuchel am Freitag bei seiner Pressekonferenz.

Daniel Peretz, der 23 Jahre alte Torhüter von Maccabi Tel Aviv, ist ein Kandidat, der den vakanten Posten übernehmen könnte. Dem Vernehmen nach würde die für ihn fällige Ablösesumme wohl bei etwa fünf Millionen Euro liegen.

Wegen Neuer: Bayern denkt in Torwartfrage um

Hintergrund von Bayerns Umdenken in der Torwartfrage ist auch, dass Neuer nach seiner jüngsten OP, bei der ihm Metallteile aus dem verletzten Bein entfernt wurden, jetzt offenbar große Fortschritte macht. Seine Beweglichkeit hat sich dadurch deutlich verbessert. Auch Tuchel konnte ihn in den vergangenen Tagen wieder bei intensiven und schweißtreibenden individuellen Einheiten an der Säbener Straße beobachten.

"Was ich gesehen habe, war sehr beeindruckend. Wir rechnen in den nächsten Wochen mit einem Wiedereinstieg ins Mannschaftstraining. Das hat Auswirkungen auf unsere Planungen", sagte der Chefcoach. "Der Eingriff bei Manu wirkt sehr positiv. Die Prognose für seinen Wiedereinstieg hat sich deutlich verkürzt."

Bis dahin nimmt Ulreich, der bereits am Samstag beim Supercup gegen Leipzig (0:3) im Tor stand, wieder seine Paraderolle als Neuers Vertreter ein. "Wir haben mit Sven Ulreich einen Torwart, der immer dann da ist, wenn es schwierig ist", sagte Dreesen bereits am Sonntag am Rande der Vorstellungspressekonferenz von Harry Kane. "Das hat er in der Vergangenheit bewiesen. Wir sind sehr froh, dass Sven da ist."

Teil der Wahrheit ist aber auch, dass die Bemühungen der Bayern um eine neue Nummer eins erfolglos verlaufen waren. Der Spanier Kepa Arrizabalaga vom FC Chelsea, den Dreesen, wie er verriet, eigentlich am Sonntag schon als Lösung präsentieren wollte, entschied sich im letzten Moment gegen Bayern und für einen Wechsel zu Real Madrid.

"Es ist extrem komplex", hatte auch Tuchel gesagt: "Wir suchen wahrscheinlich etwas, was kein anderer Verein sucht. Jemanden, der das Zeug zur Nummer eins hat und bei einer Rückkehr von Manu seinen Stolz schlucken kann."

Es klang wie die perfekte Beschreibung des Jobs von Sven Ulreich, den er seit 2015 – nur unterbrochen von seinem einjährigen Intermezzo beim Hamburger SV ab Sommer 2020 – ausübt. Mit Neuer und dem im Frühjahr entlassenen Torwarttrainer Toni Tapalovic bildete er in München über viele Jahre ein vertrautes und funktionierendes Gespann.

In der Hinrunde der vergangenen Spielzeit vertrat Ulreich den damals an der Schulter verletzten Neuer in insgesamt acht Pflichtspielen solide, blieb dabei fünfmal ohne Gegentor. Nicht zuletzt damit verdiente er sich seine Vertragsverlängerung bis 2024.

Die zentrale Frage: Wie gut ist Ulreich eigentlich noch?

Die Frage, die sich jetzt trotzdem stellt, lautet: Wie gut ist Ulreich eigentlich noch? Da er seit zwei Jahren meist nur auf der Bank sitzt, ist die statistische Stichprobe, nach der er bewertet werden kann, aber relativ klein. Inklusive der Supercup-Partie gegen Rasenballsport Leipzig hat der 35-Jährige lediglich 17 Pflichtspiele seit der Rückkehr aus Hamburg nach München bestritten. Dabei kassierte er 21 Gegentore. In der Saison 2021/22 kam er zu sechs Bundesliga-Einsätzen, als Manuel Neuer nach einem operativen Eingriff im Knie mehrere Wochen ausfiel. Ulreich lieferte in dieser Zeit solide Leistungen, fiel im Vergleich zu Neuer aber ab.

In der Statistik "Post Shot Expected Goals" wird die Torwahrscheinlichkeit nach der Abgabe des Schusses gemessen. Also ob der Ball vom Stürmer voll getroffen oder nur gestreift wird und letztendlich nur auf das Tor zukullert. Mit diesem Wert kann die Qualität von Torhüterleistungen gemessen werden. Ulreich hatte in diesen sechs Spielen einen negativen Wert. Das heißt, er kassierte mehr Tore, als er statistisch hätte kassieren müssen. Während beispielsweise Stefan Ortega, damals in Diensten von Arminia Bielefeld, pro 90 Minuten 0,15 Tore mehr verhinderte, kassierte Ulreich 0,22 mehr pro Partie.

In der vergangenen Saison kam Ulreich lediglich zu drei Ligaeinsätzen, musste dabei zwei Gegentore hinnehmen. In dieser kurzen Zeit hatte er einen positiven "Post Shot Expected Goals"-Wert, kam auf +0,13. Manuel Neuer erreichte zum Vergleich 0,31 pro Spiel und war damit Bundesliga-Spitzenreiter vor Union Berlins Frederik Rönnow (+0,28).
Seine letzte Saison als Bundesliga-Stammkeeper ist bereits sechs Jahre her. In der Spielzeit 2017/2018 vertrat er Neuer aufgrund einer Fußverletzung in insgesamt 29 Partien. Auch hier zeigte er im Schnitt gute Auftritte, verhinderte rein statistisch zwei Tore mehr, als er hätte kassieren müssen. Für die Bundesliga-Spitze reichte das in den Statistiken zwar nicht, jedoch war er darin zumindest im oberen Drittel zu finden.

2018 war Ulreich im Fokus der Nationalmannschaft

Dennoch spielte er damals die wahrscheinlich beste Saison seiner gesamten Karriere. Dabei war er – gestärkt durch das Vertrauen, das ihm der damalige Bayern-Trainer Jupp Heynckes gab – vor der WM 2018 sogar in den Fokus der Nationalmannschaft gerückt. "Für mich wäre es ein schönes Ereignis und, ich glaube, in dem Jahr auch verdient gewesen", sagte Ulreich im Dezember im Interview mit t-online über die damals durchaus realistische WM-Teilnahme. Letztlich wurde daraus wohl nur deshalb nichts, weil Neuer noch rechtzeitig fit wurde. "Vielleicht wäre es anders gekommen, wenn Manu nicht hätte spielen können", sagte Ulreich.

Im entscheidenden Moment dieser Saison hatte er sich allerdings auch einen folgenschweren Patzer erlaubt. Im Champions-League-Halbfinale bei Real Madrid verschätzte er sich bei einem Rückpass und ermöglichte Karim Benzema so leichtfertig den entscheidenden 2:1-Siegtreffer ins leere Tor. Bayern schied nach einem 2:2 im Hinspiel aus. Ein Makel, der Ulreich seitdem bis heute anhaftet und die Verantwortlichen daran zweifeln lässt, ob man sich tatsächlich auch in den entscheidenden Momenten der Saison auf ihn als Nummer eins verlassen kann. Im Winter beantworteten die Bosse diese Frage noch mit einem klaren Nein und holten lieber Yann Sommer für 8,5 Millionen aus Gladbach.

Als mitspielender Torhüter hat Ulreich in den vergangenen Jahren zwar dazugelernt, seine große Stärke ist das aber nach wie vor nicht. Das ist wahrscheinlich der größte Unterschied zu Manuel Neuer, der vor allem in diesem Bereich allerdings auch weltweit neue Maßstäbe gesetzt hat. Mit Ulreich als seinem loyalem und verlässlichen Vertreter.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Daten von fbref.com
  • Pressekonferenz mit Thomas Tuchel am 17. August
  • Pressekonferenz mit Jan-Christian Dreesen am 13. August
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