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Taktik-Trends der Bundesliga: RB Leipzig furios, FCB strauchelt


Leipzig furios, FCB strauchelt
So verändern neue Taktik-Trends die Liga

Von t-online
Aktualisiert am 20.01.2017Lesedauer: 5 Min.
Timo Werner mischte mit Leipzig die Bundesliga auf, während die Bayern häufiger ins Straucheln gerieten.Vergrößern des BildesTimo Werner mischte mit Leipzig die Bundesliga auf, während die Bayern häufiger ins Straucheln gerieten. (Quelle: Picture Point LE/Sven Simon/imago-images-bilder)
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Was gab es nicht alles zu sehen in der Hinrunde der Bundesliga-Saison: taktische Rückfälle in die 90er-Jahre, ein fremdelnder Thomas Müller und ständig anrennende Leipziger.

Fangen wir oben an: Carlo Ancelotti hat Pep Guardiola abgelöst und prompt ist der lange Zeit fast unantastbare FC Bayern plötzlich schlagbar und nicht uneinholbar davongeeilt. Woran liegt das?

Die Bayern sind immer noch das spielstärkste Team der Liga, das muss festgehalten werden. Die Dominanz ist aber definitiv nicht mehr so stark wie noch in der vergangenen Spielzeit unter Guardiola, als es bei Ballverlust direkt ins Gegenpressing ging und selbst die Innenverteidiger in der gegnerischen Hälfte den Ball gejagt haben. Zuletzt beim Heimsieg gegen Atletico Madrid war das wieder einmal der Fall, Carlo Ancelotti hat allerdings eigentlich eine andere Idee.

Welche?

Die Spielsysteme variieren zwischen einem 1-4-3-3 mit einem Sechser und zwei offensiven Achtern oder der etwas offensiveren Variante mit zwei breitstehenden Achtern und Thomas Müller auf der Zehn sowie dem bekannten 1-4-2-3-1. Auch ein 1-4-1-4-1 und eine Art 1-4-4-2 mit Müller als hängende Spitze wurden ausprobiert.

Auffällig war, dass die lebende Torgarantie Müller mit den Veränderungen nicht immer zurechtkam und nur einen Treffer erzielte. Warum ist er vor allem im 1-4-2-3-1 so stark?

Das wurde beim 5:0-Sieg gegen den VfL Wolfsburg, in dem Müller nach 999 Minuten seine Torflaute beendete, wieder einmal sehr deutlich. Die Bayern agierten in dem über viele Jahre bewährten 1-4-2-3-1-System mit Müller als variablem Mittelfeldspieler hinter der einzigen Spitze Robert Lewandowski. Auf dieser Position kann er sich in freie Räume bewegen, in die Spitze stoßen oder Arjen Robben und Franck Ribéry auf den Außenbahnen unterstützen. Das ist seine besondere Qualität, die bei anderen taktischen Anordnungen schwerer umzusetzen ist.

Werfen wir einen Blick auf den furiosen Aufsteiger Leipzig. Bei aller Kritik an der Vereinsstruktur hat die Spielweise mit gefühltem "Mega-Pressing" die Bundesliga bereichert. Was ist das Erfolgsgeheimnis von RB?

Wenn es in Gesprächen um RB Leipzig geht, ist immer wieder von ihrem besonderen Pressing in einer 1-4-2-2-2 Grundformation die Rede. Und da ist was dran. Das Team von Trainer Ralph Hasenhüttl erwartet den Gegner oftmals fünf bis zehn Meter in der gegnerischen Hälfte, um dann ins Pressing zu gehen und den Ball regelrecht zu jagen. Nach Ballgewinnen wird versucht, umgehend in den Rücken der gegnerischen Abwehrreihen zu gelangen. Bei Ballverlust geht es direkt ins Gegenpressing. Das ist enorm intensiver Vollgas-Fußball.

Pressing klingt jetzt nicht direkt nach einer Neuheit im modernen Fußball. Was macht Leipzig da anders als andere Mannschaften?

Die beiden Sturmspitzen Timo Werner und Yussuf Poulsen laufen in hohem Tempo die Innenverteidiger des Gegners an. Einer greift an, der andere sichert versetzt im Zentrum ab, immer in einer Pendelbewegung. Sollte diese Linie überspielt werden, kommen die Stürmer direkt zum Doppeln den beiden Sechsern zur Hilfe. Auf den Außenbahnen orientieren sich oft sogar gleich drei Spieler in Richtung des ballführenden Gegenspielers. Ballgewinne sind so vorprogrammiert – und dann kommt es zu überfallartigen Kontern, für die Emil Forsberg, Werner und Poulsen natürlich prädestiniert sind.

Klingt ähnlich wie die Spielweise, die Borussia Dortmund unter Jürgen Klopp lange praktizierte. Was hat sich beim BVB getan?

Thomas Tuchel hat den BVB - die wohl taktisch variabelste Mannschaft der Liga - weiterentwickelt. Positionswechsel der einzelnen Spieler sind genauso selbstverständlich wie ein plötzlicher Wechsel der taktischen Vorgabe. Mal geht es über den Ballbesitz, mal mit Angriffspressing und direkter Ballrückeroberung, mal mit einer tiefstehenden Verteidigung und extrem schnellem Umschaltspiel. Tuchel und Dortmund sind variantenreich.

Können Sie die Positionswechsel während des Spiels genauer beschreiben?

Die beiden Außenverteidiger mutieren situationsbedingt zu Außenstürmern, der Sechser lässt sich bei zu großem Gegnerdruck zwischen die beiden Innenverteidiger fallen und agiert als zusätzliche Absicherung. Julian Weigl ist in seiner Rolle als Zwischenaufbauspieler sowieso die ganze Zeit zwischen Abwehr-, Mittelfeld- und Angriffsreihe unterwegs. Mario Götze sucht ständig die freien Räume und rückt dann auch oft ganz nach vorne in die Spitze. Die beiden Außenstürmer rücken ihrerseits gerne ein, um auf den Flügeln Platz für die aufrückenden Außenverteidiger zu machen.

Solche Dinge sieht man auch bei der TSG Hoffenheim. Trainer Julian Nagelsmann hat dem Klub seine ganz persönliche Philosophie eingeimpft. Können Sie die beschreiben?

Das Spiel der TSG Hoffenheim basiert – so drückt es zumindest Julian Nagelsmann selbst aus – auf formationsübergreifenden Spielprinzipien. Die beiden präferierten Grundordnungen sind das 1-3-5-2 und das 1-4-3-3, die sich jedoch im Laufe des Spiels ändern können.

Können Sie das genau erklären?

Nehmen wir als Beispiel das vor allem zu Saisonbeginn praktizierte 1-4-3-3-System. Dort gab es wechselweise die Marschroute, dass die beiden Außenstürmer die Innenverteidiger anlaufen. Der Mittelstürmer stellte mit zu, das Spiel wurde in die Halbräume gelenkt. Dort sollte der Ball gewonnen werden. Je nach Staffelung des Gegners entschied sich Nagelsmann aber auch mal dazu, den Spielaufbau auf die Außen zu lenken. Bei eng aufbauenden Innenverteidigern verschob sich das System zudem in ein 1-4-4-2, das sich situationsbedingt in ein 1-4-2-2-2 oder ein 1-4-2-4 wandelte. Bei einer defensiveren Herangehensweise gegen stärkere Gegner spielte die TSG eine Art 1-4-1-4-1 oder 1-4-5-1, das vereinzelt zu einem 1-5-4-1 werden konnte. Letztlich kann man von einer situativen Staffelung sprechen, die aus einer Grundordnung entsteht, die sich dem gegnerischen Ballbesitz anpasst.

Und da sagt noch mal einer, Fußball wäre einfach. Eine Art Besinnung auf Methoden aus einem anderen Jahrhundert gab es in Frankfurt zu bestaunen. Makoto Hasebe erfindet dort gerade die Position des Liberos neu. Was sagen Sie dazu?

Das würde ich so nicht pauschalisieren. Im letzten Spiel des Jahres 2016 im Derby gegen Mainz hat die Eintracht in einer 1-4-2-3-1 Anordnung gespielt. Jedoch spielten sie meist in einer 1-3-4-1-2-Staffelung mit Hasebe als zentralem Innenverteidiger. Sie nennen das Libero, im Grunde lässt er sich einfach beim Spielaufbau fallen und sorgt auch bei Ballbesitz des Gegners für zusätzliche Absicherung. Die beiden Außenverteidiger können mit ihm im Rücken hochschieben, der Sechser Omar Mascarell bewegt sich ziemlich frei auch auf Höhe der offensiven Dreierreihe. Insgesamt setzt Niko Kovac auf ein sehr laufintensives Spiel mit direktem Gegenpressing. Gegen Gegner wie Bayern München scheut er sich auch nicht davor, in der defensiven Grundordnung eine Fünferkette aufzubieten, in die sich situationsbedingt sogar noch ein sechster Defensivspieler einfädeln kann.

Insgesamt gab und gibt es also wieder viele neue Dinge zu entdecken. Wir können uns also auf die Rückrunde freuen?

Auf jeden Fall. Die Mannschaften verfügen mittlerweile über die Variabilität, mehrere Systeme zu spielen und auch während des Spiels umzustellen. Das macht die Bundesliga noch spannender.

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Über Christian Titz:

Unser Taktikexperte Christian Titz ist DFB-Fußballlehrer und Autor mehrerer Fußballfachbücher. Aktuell ist er . Im Frühjahr 2017 veröffentlicht er unter Coaching Zone Portal einen Online-Shop mit über 2.000 Übungs-und Spielformen, Fußballtrainingseinheiten, Konzepten, Videos, 3D-Animationen und vielem mehr. Infos hierzu und über ihn finden Sie unter www.coaching-zone-portal.de oder in diesem Video.

Das Interview führte Mark Weidenfeller.

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