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Stefan Effenberg: Was für den FC Bayern jetzt wirklich auf dem Spiel steht


Bayern-Umbruch
Diese Entscheidung hat Folgen

MeinungEine Kolumne von Stefan Effenberg

Aktualisiert am 01.06.2021Lesedauer: 4 Min.
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Nach 30 Jahren als Spieler und Verantwortlicher macht Karl-Heinz Rummenigge Schluss beim FC Bayern – und zwar sofort. Das hat Folgen, wie Stefan Effenberg erklärt.Vergrößern des Bildes
Nach 30 Jahren als Spieler und Verantwortlicher macht Karl-Heinz Rummenigge Schluss beim FC Bayern – und zwar sofort. Das hat Folgen, wie Stefan Effenberg erklärt. (Quelle: Poolfoto/imago-images-bilder)

Rummenigge macht sofort Schluss. Das ist konsequent und zeugt von Vertrauen in seinen Nachfolger. Es birgt aber auch ein Risiko für die neue Klubführung in Zeiten riesiger Herausforderungen.

"Es ist der strategisch sinnvollste und logische Zeitpunkt. Wir schreiben das Ende des Geschäftsjahres, zugleich beginnt ein neuer Abschnitt mit einem neuen Trainergespann. Die neue Spielzeit sollte von Beginn an von Oliver Kahn als neuem CEO verantwortet werden – auch im Sinne der handelnden Personen und damit im Sinne der Zukunft des FC Bayern. Ich habe bereits vor zwei Jahren gesagt, dass wir einen umsichtigen Übergang planen, und der wird jetzt endgültig vollzogen. So soll es sein."

Mit dieser Aussage hat Karl-Heinz Rummenigge die vorzeitige Beendigung seines Vertrages als Vorstandsvorsitzender begründet, der eigentlich bis zum Ende des Jahres gültig gewesen wäre. Und er hat damit überraschend plötzlich am heutigen Tag eine Ära beendet.

Seine eigene.

Nach 30 Jahren als Spieler und Verantwortlicher beim FC Bayern. Und vor allem nach insgesamt fast 50 Jahren im Fußballgeschäft, nach unzähligen Titeln und einer unglaublichen Karriere, zu der ich ihm gratuliere.

Diese Entscheidung hat natürlich Folgen – und man kann sie von zwei Seiten betrachten.

Auf der einen ist sie eine logische Schlussfolgerung nach so vielen Jahren des Erfolges und der harten Arbeit. Und sie ist ein absoluter Vertrauensbeweis. Rummenigge ist sich offenbar sicher, dass Oliver Kahn als sein Nachfolger schon jetzt bereit ist – und in Zusammenarbeit mit Präsident Herbert Hainer und Sportvorstand Hasan Salihamidzic den Verein in die Zukunft führen kann. Für Rummenigge ist nun einfach der Zeitpunkt gekommen, sich aus der ersten Reihe zurückzuziehen.

Wer den Verein und die Bayern-Familie kennt, weiß natürlich, dass er damit nicht völlig verschwindet. Man trennt sich beim FC Bayern, bleibt aber dennoch verbunden – und wird sich weiterhin mit Rat und Tat zur Seite stehen. Wenn es brennt, wird Rummenigge helfen. Mit seiner Erfahrung, seiner Fachkompetenz oder seinen Kontakten in die Fußballwelt.

Auf der anderen Seite birgt dieser vorzeitige Abgang natürlich ein Risiko.

Rummenigge hat es selbst gesagt: Ein neues Trainergespann übernimmt und wichtige Spieler haben den Verein verlassen. Er hätte noch abwarten und verfolgen können, wie die Mannschaft mit Julian Nagelsmann in die Vorbereitung und die Saison kommt, wie sie sich in der Vorrunde der Champions League schlägt – um dann im Winter zu gehen.

Nun stehen Kahn und Salihamidzic sofort komplett in der Verantwortung und damit natürlich auch unter einem enormen Druck. Der Anspruch ist, dass sie kein Stück weniger erfolgreich sind als ihre Vorgänger in der Vergangenheit – und alles im Griff haben wie Rummenigge und Hoeneß.

Dabei stehen sie vor Mega-Herausforderungen.

Der FC Bayern befindet sich mitten in dem vielleicht größten Umbruch aller Zeiten. Der ist nicht zu vergleichen mit dem Ende der Ära von Franck Ribéry und Arjen Robben. Oder den Abschieden von Bastian Schweinsteiger und Philipp Lahm. Und auch nicht mit dem Abgang von Ottmar Hitzfeld oder Jupp Heynckes als Trainer.

Hoeneß hat sich nach knapp 50 Jahren bei Bayern vor eineinhalb Jahren zurückgezogen, nun folgt Rummenigge nach 30 Jahren. Mit Julian Nagelsmann kommt ein neuer Trainer – gemeinsam mit Hansi-Flick ging Co-Trainer und Klub-Ikone Hermann Gerland. Die langjährigen Weltklasseverteidiger David Alaba und Jérôme Boateng sind weg – ebenso Mittelfeldspieler Javi Martínez.

Und noch viel brisanter sind die Entscheidungen, die in den nächsten ein, zwei Jahren anstehen: mögliche Vertragsverlängerungen oder Abschiede von Niklas Süle, Joshua Kimmich, Leon Goretzka, Serge Gnabry, Thomas Müller, Manuel Neuer und Robert Lewandowski. Bei Neuer und Lewandowski vielleicht sogar altersbedingt. Letzterer hat gerade erst in einem Interview in Frankreich davon gesprochen, dass er sich seine Zukunft offenhält. Will er seinen Vertrag nicht über 2023 hinaus verlängern, muss Bayern ihn womöglich verkaufen – schon im kommenden Sommer. Was dann?

Das Problem bei diesen Personalien ist gar nicht, dass die Spieler möglicherweise wegwollen.

Es geht vielmehr um die Gehälter und die Frage, ob Bayern die Forderungen mitgehen kann und will. Der Verein hat diesbezüglich eine klare Philosophie und Grenzen. Das ist nicht nur nachvollziehbar, sondern wirtschaftlich absolut richtig. Allerdings birgt es die Gefahr, dass Vereine aus England oder Spanien schlicht mehr zahlen so wie nun bei Alaba. Selbst wenn diese Klubs auf Pump leben. Das wiederum kann dazu führen, dass Bayern zwei, drei Topspieler verliert.

Große Transfers haben Kahn und Hoeneß für diesen Sommer aus finanziellen Gründen ausgeschlossen. Das führt dann zwangsläufig zu einem Dilemma. Der Anspruch ist natürlich schon, die besten Spieler zu haben, halten und auch zu verpflichten. Neue Spieler aus der Schublade darunter bringen den FC Bayern nicht weiter – das haben wir an Transfers von Bouna Sarr, Marc Roca oder Douglas Costa gesehen. Die kamen im vergangenen Sommer, spielten dann aber keine große Rolle.

Es ehrt die Verantwortlichen, dass sie künftig auf eigene Talente setzen wollen – allerdings wird das nicht funktionieren. Hoeneß hat zu Recht stets betont, dass der FC Bayern kein Ausbildungsverein ist. Die zweite Mannschaft ist gerade aus der dritten Liga abgestiegen, das haben viele womöglich übersehen.

Ein Spieler aus der eigenen Jugend wie Jamal Musiala ist natürlich Gold wert. Doch auch hier ist die Frage, was der FC Bayern macht, wenn in den nächsten Jahren ein Klub aus England 80, 100 oder mehr Millionen für ihn auf den Tisch legt. Die Einbußen durch die Corona-Pandemie sind massiv und engen die Möglichkeiten der neuen Klubführung extrem ein.

Um es deutlich zu machen: National braucht sich Bayern sicherlich weiterhin keine Sorgen zu machen. Was für die neue Führung wirklich auf dem Spiel steht, ist, ob Bayern dauerhaft international den Anschluss halten kann.

Wie werden Kahn und Salihamidzic diesen zahlreichen Herausforderungen begegnen? Ihre Arbeit in den nächsten ein, zwei Jahren entscheidet darüber, wie erfolgreich Bayern in den nächsten zehn Jahren sein wird. Sie werden ganz sicher von Hoeneß und Rummenigge unterstützt – von den beiden Ikonen, die sich aus der ersten Reihe zurückgezogen haben, aber natürlich im Hintergrund bleiben.

Den Kopf hinhalten müssen künftig allerdings Kahn und Salihamidzic.

Transparenzhinweis
  • Stefan Effenberg ist Botschafter des FC Bayern München und sagt dazu: „Ich repräsentiere den FC Bayern, insbesondere im Ausland. Mein Engagement hat keinen Einfluss auf meine Kolumnen bei t-online. Hier setze ich mich weiterhin kritisch und unabhängig mit dem Fußball auseinander — auch und insbesondere mit dem FC Bayern.“
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