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EM: Ukraine-Krieg weiter omnipräsent – "Jeder Sieg ist entscheidend"


Ukraine vor erstem EM-Spiel seit Kriegsbeginn
Kampf für die Freiheit

Von t-online, afp, dpa, wl

17.06.2024Lesedauer: 4 Min.
Arsenals Oleksandr Zinchenko ist einer der Stars der ukrainischen Mannschaft.Vergrößern des BildesArsenals Oleksandr Zinchenko ist einer der Stars der ukrainischen Mannschaft. (Quelle: Rafal Oleksiewicz)

Mit der Partie gegen Rumänien startet die Ukraine in die Europameisterschaft. Doch für die Mannschaft aus dem kriegsgebeutelten Land bleibt der Konflikt in der Heimat weiter omnipräsent.

Es brauchte am vergangenen Donnerstag nicht viel, um kurz vor dem Start der Europameisterschaft in Deutschland einmal mehr zu verdeutlichen, dass nicht auf dem gesamten Kontinent in den nächsten Wochen Jubel, Trubel, Heiterkeit herrschen werden. Auf der Social-Media-Plattform Instagram lud die Ukrajinska Assoziazija Futbolu (UAF), der ukrainische Fußballverband, einen Videobeitrag hoch. Dort zu sehen: mehrere Spieler der Nationalmannschaft des osteuropäischen Landes, die nacheinander ihre Herkunftsorte nannten.

Doch bei der reinen Angabe ihrer ukrainischen Geburtstädte durch Top-Stars wie Andrij Lunin (Real Madrid), Mychajlo Mudryk (FC Chelsea) oder Oleksandr Zinchenko (FC Arsenal) blieb es nicht. Der Beitrag war zusätzlich gespickt mit Videoaufnahmen aus den ukrainischen Kriegsgebieten. Bilder von zerstörten Wohnhäusern wechselten sich mit Aufnahmen von Explosionen und Rauchschwaden ab. Garniert war der Clip am Ende mit den Worten: "Unsere Städte würden liebend gern Gastgeber der EM sein, doch sie kämpfen jetzt nicht für das Turnier, sondern für die Freiheit. Unterstützt die Ukraine."

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Es war demnach ein Aufruf der UAF und der ukrainischen Mannschaft, die grausamen Verbrechen in der Heimat auch in diesen Tagen der eigentlichen sportlichen Ablenkung nicht zu vergessen. Denn: Im Februar 2022 begann der von Wladimir Putin ausgerufenen Angriffskrieg Russlands gegen den Nachbarstaat. Die Zahl der Opfer variiert seitens verschiedener Berichte, auszugehen ist aber von abertausenden Toten. Auch während der EM liegen die Waffen nicht still. Die Ukraine befindet sich weiter im Ausnahmezustand – was sich auf die Mannschaft sogar schon weit vor dem Turnier auswirkte.

Qualifikation ohne ein einziges Heimspiel

Qualifiziert für die EM haben sich die Ukrainer nämlich über die Playoffs. In ihrer Quali-Gruppe waren sie hinter Sieger England und punktgleich mit dem Tabellenzweiten Italien nur auf Rang drei eingetrudelt. In den Playoffs bekam das Team es dann zunächst mit Bosnien-Herzegowina zu tun (2:1) und rang dann im Spiel ums EM-Ticket auch noch Island nieder (2:1).

"Ich habe Tausende Nachrichten der Unterstützung erhalten, auch von Menschen, die jetzt an vorderster Front stehen, um unser Land zu verteidigen", sagte der ehemalige Stürmerstar und heutige Verbandschef Andrij Schewtschenko damals nach der Partie. "Ihr habt ihnen ein kleines Stück Glück geschenkt."

Ein kleines Stück Glück, dass tatsächlich auf wundersame Weise zustande gekommen war. Denn: Ein echtes Heimspiel hatte die Ukraine in der ganzen Zeit aufgrund des Angriffskriegs nicht austragen können. Die finale Partie gegen Island, bei der die Mannschaft Heimrecht genossen hätte, wurde im polnischen Breslau ausgetragen. Während der Qualifikation war man für die Heimspiele zudem in die Slowakei, nach Tschechien und sogar einmal ins Stadion des Deutschen Meisters Bayer Leverkusen ausgewichen. Am Ende gelang es trotz aller Widrigkeiten, sich die Teilnahme am Turnier zu sichern.

Bundesinnenministerin will Ukraine "besonders schützen"

Mittlerweile ist das Team in Deutschland angekommen. Am vergangenen Mittwoch landete die Mannschaft am Frankfurter Flughafen, wurde dort unter anderem vom hessischen Kultusminister Armin Schwarz empfangen, der betonte: "Der Fußball kann den Menschen aus der Ukraine helfen, in schweren Zeiten ein wenig auf andere Gedanken zu kommen."

Dass das aber nicht mal in Deutschland so einfach ist, bestätigte Bundesinnenministerin Nancy Faeser jüngst der "Bild". Der SPD-Frau zufolge gebe es "abstrakt eine hohe Gefährdung" bei der EM, was terroristische Anschläge angeht. Speziell auf die Sicherheit des ukrainischen Teams bezogen, sagte sie: "Das ist eine besondere Herausforderung für uns und wir stellen uns auch darauf an, gerade diese Mannschaft auch besonders zu schützen."

Wie konkret diese Schutzmaßnahmen aussehen, gab Faeser nicht zu Protokoll. Sie stellte aber klar: "Wir haben mit sämtlichen Szenarien gerechnet, wir haben uns lange vorbereitet und natürlich spielt dieser furchtbare Angriff Putins auf die Ukraine eine große Rolle, auch in der Sicherheitsbetrachtung." Deutschland scheint vor der EM sicherheitstechnisch also grundsätzlich gewappnet. Was bleibt ist die Sorge, dass doch etwas passieren könnte – vor allem auch im Zusammenhang mit der Ukraine.

"Jeder Sieg ist entscheidend für alle Ukrainer"

Dem verstärkten Fokus auf die eigene Mannschaft, die das erste Großturnier seit Kriegsbeginn absolviert, können die ukrainischen Spieler aktuell kaum entkommen – nicht mal in Deutschland. "Es ist wirklich schwierig, denn jeden Tag liest man Nachrichten und weiß, was in unserem Land passiert und weiß, dass Russland jeden Tag Raketen auf unser Land abschießt", erklärte Mittelfeldspieler Taras Stepanenko Ende vergangener Woche im Rahmen einer Trainingseinheit im hessischen Taunusstein, wo die Mannschaft ihr Quartier aufgeschlagen hat.

Doch den Kopf in den Sand stecken will vor dem Auftaktmatch gegen Rumänien (ab 15 Uhr live im Ticker bei t-online) in München niemand. Im Gegenteil: Arsenal-Star Zinchenko verkündete gar, die Situation in der Ukraine sei für das Team eine "zusätzliche Motivation" bei der EM.

Und Andrij Schewtschenko? Der 47-jährige Rekordtorschütze seines Landes brachte die Bedeutung der reinen Turnierteilnahme in der italienischen Tageszeitung "La Stampa" auf den Punkt: "Unsere Qualifikation ist ein Beweis dafür, dass das Land leben will, dass es jubeln will, dass es den Alltag nicht aufgeben will, dass es über den Konflikt hinausschauen will. Das Weiterkommen würde uns eine Menge Moral geben."

Dass er mit "uns" nicht nur die Spieler meinte, sondern auch seine Landsleute in den Kriegsgebieten, machte er im Anschluss im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AFP deutlich: "Jeder Sieg unseres Landes, auf und neben dem Spielfeld, ist entscheidend für alle Ukrainer und insbesondere für diejenigen, die das Land gerade verteidigen", so Schwetschenko. Der sportliche Erfolg ist für die Ukraine bei der Europameisterschaft demnach von enormer Bedeutung. Für das Team ohnehin. Vor allem aber für diejenigen, die während der EM weiterhin für ihre Freiheit kämpfen müssen.

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