"Sehr, sehr verstörend" Eklat bei Union-Spiel – nimmt die Gewalt in Stadien zu?
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Köln in Nizza, Frankfurt in Marseille, Union in Malmö: Drei prominente Fälle von Ausschreitungen in den letzten Wochen. Mehr als eine Ausnahme?
Während die anderen Spiele schon abgepfiffen waren, lief die Partie zwischen Malmö FF und Union Berlin noch weiter. Der Grund war eine fast halbstündige Unterbrechung wegen Ausschreitungen zu Beginn der zweiten Hälfte. Mehrere Feuerwerkskörper aus dem Gästeblock sorgten dafür, dass sogar der Abbruch drohte.
Unions Präsident Dirk Zingler wütete nach dem Spiel am RTL-Mikrofon: "Es ist nicht zu akzeptieren. Nichts und niemand hat etwas auf dem Rasen zu suchen. Das ärgert mich total, ich bin stinksauer."
In den vergangenen Wochen gab es bereits mehrere Fälle von Ausschreitungen mit deutscher Beteiligung. Fans des 1. FC Köln waren in eine Schlägerei im Stadion des OGC Nizza verwickelt, und Anhänger von Eintracht Frankfurt legten sich mit Olympique Marseille an. Die Unruhe rund um die Spiele in der Champions League (Beispiel: Eintracht Frankfurt), der Europa League (Beispiel Union Berlin) und der Conference League (Beispiel 1. FC Köln) wächst. Die Frage ist nur, ob sie begründet ist.
Hat die Gewalt in den Stadien zugenommen?
Michael Gabriel meint: Ja. Der Leiter der Koordinationsstelle Fanprojekte sagte dem Deutschlandfunk bereits Mitte September nach den Ausschreitungen in Marseille zum Thema Gewalt: "Das hat innerhalb der Ultragruppen unseres Erachtens noch eine größere Bedeutung, eine größere Wertigkeit bekommen."
Bei bestimmten Spielen würden Anhänger, für die das Thema Gewalt positiv besetzt sei, "dominieren und sozusagen den Ton setzen", erklärte Gabriel. Die Häufung der Vorfälle auf internationaler Ebene sei "sehr, sehr verstörend".
Doch die Fälle sind unterschiedlich zu betrachten – und haben mit internationalen Kontakten der Fanszenen zu tun.
Der Fall Union Berlin in Malmö
Fanfreundschaften sind im deutschen Fußball gängig. Schalke 04 und der 1. FC Nürnberg haben eine, Hertha BSC und der Karlsruher SC ebenfalls. Doch auch international pflegen einzelne Szenen Kontakte mit Gruppen aus anderen Ländern. So sind einige Ultras von Hertha BSC mit denen von Malmö FF befreundet. Und unter Fanszenen gilt der Kodex: Der Feind meines Freundes ist auch mein Feind.
Als am Donnerstag Malmö FF nun Herthas Stadtrivalen Union Berlin empfing, war die Stimmung schon im Vorfeld angespannt. Bereits am Vorabend sollen Anhänger der Köpenicker in der schwedischen Stadt auf der Suche nach Ärger gewesen sein.
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Als dann während des Spiels im Malmö-Block ein Banner mit der Aufschrift "Berlin ist Blau-Weiss" (die Vereinsfarben Herthas sind Blau-Weiß) hochgehalten wurde, provozierte das den Fanblock von Union Berlin. Die Folgen – Böller, Raketen und Spielunterbrechung – sind bekannt (mehr dazu lesen Sie hier).
Ebenfalls brisant: Im Fanblock Unions sollen auch Hooligans von Energie Cottbus gewesen sein, die wiederum mit Hertha verfeindet sind. Präsident Zingler: "Wenn wir uns Gäste in unsere Blöcke einladen, müssen wir das alles im Griff haben. Da gibt es jetzt Klärungsbedarf."
Am kommenden Donnerstag findet das Rückspiel in Berlin statt. Polizei und Ordner werden allerhand zu tun haben, um die Lage unter Kontrolle zu halten.
Der Fall 1. FC Köln in Nizza
Eine Fanfreundschaft spielte beim Vorfall am 8. September ebenfalls eine Rolle. Als sich vor dem Spiel Anhänger von Köln und Nizza auf den Rängen prügelten, waren auch Ultras von Paris Saint-Germain mittendrin. Diese sind mit den Kölnern befreundet – und mit denen von Nizza verfeindet. So kam es vor der Partie zu Ausschreitungen, die fast zu einem Spielabbruch führten. Die zwei weiteren Auswärtsspiele in der Gruppenphase muss Köln ohne Fans aushalten.
Generell ist die Beziehung zwischen einigen Ultras und Hooligans aus Deutschland und Frankreich angespannt. Während die Fanszenen in Spanien, Portugal und England aktuell eher wenig Interesse an Auseinandersetzungen haben, bieten sich jene aus Deutschland, Frankreich oder auch den Niederlanden gerne die Stirn. In anderen Jahren kam es zudem mit Gruppen aus Polen oder Russland zu Kämpfen.
Der Fall Eintracht Frankfurt in Marseille
Die Fanszene von Olympique Marseille ist die größte in Frankreich. Und damit auch eine der emotionalsten. Letzteres gilt gleichermaßen für Eintracht Frankfurt. Die Hessen setzen seit einigen Jahren international mit ihrem großen Anhang ein Ausrufezeichen nach dem anderen. Doch es kommt auch hier und da zu Problemen.
So in Marseille Mitte September. Die Regeln für die Frankfurter waren streng, für die Gastgeber jedoch nicht. So kam es zu einzelnen Attacken, auf die die Eintracht-Anhänger reagierten. Die Folge: Frankfurt muss 45.000 Strafe zahlen.
Fazit
Die Lage ist angespannt und die Strafen der Uefa werden definitiv nicht milder. Doch in allen Fällen gilt es zu betonen, dass die Ausschreitungen nur von kleineren Teilen der Fanszene ausgehen. So sagte auch Unions Präsident Zingler: "Ich werde nicht alle 1.200 im Block verurteilen." Tatsächlich belegen die TV-Bilder, dass viele Anhänger energisch auf die Täter einredeten.
Auch im Falle der Ausschreitungen in Nizza gab es im Kölner Block Diskussionen über die Aktionen einzelner, als die vermummten Schläger zurückkehrten. Jedoch müssen die Klubs mithilfe der Sicherheitskräfte und der Verbände eine Lösung finden, wie in Zukunft derartige Fälle vermieden werden können, ohne alle Fans zu bestrafen.
- Eigene Recherche und eigene Beobachtungen
- Nachrichtenagenturen SID, dpa