Hansi Flicks furioser Saisonstart Sie reden anders über ihn
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Hansi Flick lag nach seinem Champions-League-Sieg 2020 mit Bayern München die Fußballwelt zu Füßen. Mittlerweile muss der Heidelberger wieder beweisen, dass er wirklich zur Trainerelite Europas gehört.
Hansi Flicks Reputation hierzulande war nach seiner allenfalls durchwachsenen Zeit als Bundestrainer und nicht zuletzt wegen der Dokumentation "All or Nothing" zur WM 2022 arg ramponiert. Statt einen neuen Anlauf im hiesigen Profifußball zu unternehmen, wurde Flick etwas überraschend im Sommer vom FC Barcelona als Nachfolger von Klublegende Xavi angeheuert. Während mancher Flick-Kritiker sicherlich mit einem raschen Aus des 59-Jährigen rechnete, liefert der ehemalige Bayern-Coach in den ersten Wochen richtig ab.
Bislang konnte Barça alle Ligapartien für sich entscheiden und bereits einen vier Punkte großen Vorsprung auf Real sowie Atlético Madrid herausarbeiten. In Zeiten finanzieller Schwierigkeiten, die den katalanischen Topklub plagen, scheint es Flick zu gelingen, eine gute Mischung aus hochbezahlten Profis und hochtalentierten Nachwuchskräften zu finden, die aus der bekannten Nachwuchsakademie "La Masia" stammen. Neben Robert Lewandowski, Raphinha oder auch Pedri brillieren bislang auch Teenager wie Pau Cubarsí und Marc Casadó.
Lewandowski nicht mehr der Torjäger von einst
Der generelle spielerische Ansatz basiert wie so häufig bei Barça auf wohldurchdachtem Ballbesitz. Die Pass- und Ballsicherheit innerhalb der Abwehr wie auch die Passstärke von Torhüter Marc-André ter Stegen helfen dabei, das durchschnittliche Pressing von Ligagegnern weitestgehend ins Leere laufen zu lassen. Hinzu kommt eine gewisse systematische Asymmetrie mit einem vorgeschobenen Linksverteidiger und einem tief postierten Mittelfeldspieler. Weiter vorn besetzt Flick – wie auch schon in seiner Amtszeit beim FC Bayern – die Angriffszonen direkt mit vier, zuweilen sogar fünf Spielern.
Lewandowski ist dabei nicht mehr der klassische Mittelstürmer, der er eine Weile bei den Bayern war. Die Spielweise des 36-jährigen Polen ist in Ansätzen eine Reminiszenz an seine Anfangstage bei Borussia Dortmund vor 13 Jahren, als er gerne mal als Zehner oder auch stark mitspielender und damit tief stehender Stürmer eingesetzt wurde. Um sich herum hat Lewandowski meist zwei weitere Angreifer, womit dieses Trio in der Nähe der gegnerischen Abwehr nicht nur den Ball halten, sondern auch Kombinationsspiel initiieren kann.
Verletzungssorgen könnten Flick ausbremsen
Eine faszinierende Rolle füllt dabei besonders der Linksaußen in Barças System aus, weil sich dieser sehr häufig in die Mitte und ebenso häufig in die Sturmspitze bewegt. Zu Saisonbeginn war dafür Ferran Torres vorgesehen, aber eigentlich schien diese Rolle Dani Olmo, der für 55 Millionen Euro von RB Leipzig kam, auf den Leib geschneidert. Anders als Supertalent Lamine Yamal, der auf rechts eher isoliert ins Dribbling geht, braucht der Linksaußen ein gewisses Gespür für die Bewegungen um Lewandowski herum.
Allerdings hat sich Olmo kürzlich eine Muskelverletzung zugezogen und fällt fürs Erste aus – genauso wie Fermín López. Die Verletztenliste ist ohnehin ellenlang. Der vielversprechende Sechser Marc Bernal hat einen Kreuzbandriss erlitten. Gavi ist von seinem Kreuzbandriss bislang nicht zurück, Frenkie de Jong von seiner Verletzung auch noch nicht.
Und die beiden besten Verteidiger im Team, Ronald Araújo und Andreas Christensen, stehen Flick ebenfalls nicht zur Verfügung. Somit sind die verbliebenen Kaderspieler umso mehr gefragt. Inwieweit gerade Pedri und Marc Casadó die viele Spielzeit im zentralen Mittelfeld stemmen können, bleibt abzuwarten.
Flick ist nun weniger als Taktiker und mehr als Energiemanager gefragt. Nach dem Champions-League-Auftakt bei der AS Monaco am Donnerstag stehen in der Liga direkt drei Spiele innerhalb von sieben Tagen an. In diesem kurzen Zeitraum muss der verheißungsvolle Saisonstart bestätigt werden, damit Unkenrufe in Richtung Flick auch im Oktober ausbleiben.
- Eigene Beobachtungen