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Hansi Flick vor DFB-Aus: Ein hilfloser Bundestrainer


Deutschland blamiert sich
Die Angst nach dem Offenbarungseid

Von Benjamin Zurmühl

Aktualisiert am 10.09.2023Lesedauer: 4 Min.
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Hansi Flick: Der Bundestrainer steht vor dem Aus.Vergrößern des Bildes
Hansi Flick: Der Bundestrainer steht vor dem Aus. (Quelle: IMAGO/Anke Waelischmiller/SVEN SIMON)

Eine seelenlose Mannschaftsleistung, ein hilfloser Trainer und ein Pfeifkonzert von den Fans. Deutschlands Nationalelf liegt am Boden.

Aus Wolfsburg berichtet Benjamin Zurmühl

Hansi Flick bekam zwei Chancen. Die erste am RTL-Mikrofon. Einige Minuten nach dem 1:4 gegen Japan stand der Bundestrainer am Samstagabend bei Moderator Florian König und Experte Lothar Matthäus am Spielfeldrand in Wolfsburg und bekam eine klare Frage gestellt: "Sind Sie immer noch der richtige Trainer für diese Mannschaft?"

Flick zögerte kurz, sprach anschließend von einer gewissen "Dynamik" im Profifußball und dass er nicht absehen könne, "was noch kommt". Erst danach sagte er: "Ich von meiner Seite, auch das Trainerteam, wir versuchen alles, um diese Mannschaft gut vorzubereiten. Und da kann ich nur sagen: Ich finde, wir machen das gut und ich bin der richtige Trainer."

"Deswegen geht's so auch weiter für mich"

Die zweite Chance bekam der Bundestrainer auf der Pressekonferenz gegen 23:25 Uhr. Auch dort wurde er gefragt, warum er der richtige Mann für den Posten sei. Seine Antwort: "Auch, wenn es für euch schwer nachvollziehbar ist, ist es so, dass wir uns gut vorbereiten. Wir bereiten uns gut vor auf den Gegner, wir bereiten die Mannschaft gut vor auf die Dinge, die wir umsetzen wollen. Das werden wir auch weiter tun. Wir sind überzeugt von dem, was wir machen. Deswegen geht's so auch weiter für mich."

Beide Chancen ließ Hansi Flick ungenutzt.

Weder am RTL-Mikrofon noch auf der Pressekonferenz konnte der Bundestrainer mit seinen Antworten Fans und Kritiker umstimmen. Lothar Matthäus zumindest schien nicht von seiner These abzuweichen, dass Flick wohl keine Zukunft mehr beim DFB habe. Zu schlecht waren die Leistungen der Mannschaft in den vergangenen Spielen. Und zu wenig Überzeugung, zu wenig Feuer lag in Flicks Antworten an diesem Abend.

Genau das war es auch, was auch der Nationalmannschaft in den 90 Minuten gegen Japan fehlte. Die Mannschaft hatte kein Feuer in sich. Nur einzelnen Spielern war etwas Leidenschaft anzumerken. Florian Wirtz zum Beispiel. Oder Robin Gosens. Andere wirkten antriebslos, lustlos oder verunsichert. Die Reaktion von Antonio Rüdiger nach dem Ballverlust von Teamkollege Gosens vor dem 1:3 sprach Bände. Als der Japaner Kubo dem Außenverteidiger von Union Berlin den Ball abnahm, blieb Rüdiger ruhig und nahm erst verzögert Tempo auf, entschied sich aber auch danach nicht für einen Vollsprint. Er hatte den Ball längst aufgegeben.

 
 
 
 
 
 
 

Flick bräuchte einen Flammenwerfer

Japan auf der anderen Seite brachte all das mit, was eine gute Mannschaft ausmacht. Die Asiaten traten als Einheit auf, die motiviert einen klaren Plan verfolgte. Von Beginn an jagten sie den Ball, setzten Deutschland permanent unter Druck und erzwangen so einen Fehler nach dem anderen.

Parallel fehlte den Männern in Schwarz-Weiß jeglicher Glaube an sich selbst. Hansi Flick hatte es wieder einmal nicht geschafft, der Mannschaft Leben einzuhauchen, die Spieler anzuzünden. Er bräuchte in diesen Tagen einen Flammenwerfer, um das hinzubekommen.

Schon die Amazon-Doku "All or Nothing" hatte gezeigt, dass Flick die Mannschaft kaum noch erreicht, wenn es um Emotionen geht. Weder mit dem Video über Graugänse als Vorbild für die Nationalmannschaft noch mit seinen Ansprachen zwischen den Spielen bekam er das Feedback, was er sich erhofft hatte. Keine Ja-Rufe mit anschließendem Applaus von den Spielern, es war mehr ein stilles Hinnehmen.

Auch wenn Flick die Spieler mit seinem taktischen Plan erreichte, in puncto Leidenschaft tat er es nicht. "Der Jogi hat mal einen Spruch losgelassen. Er hat gesagt: 'Was nützt dir eine Kuh, die zehn Liter Milch am Tag gibt und am Abend mit dem Schwanz den Eimer umhaut?'" Zitate wie diese gingen ins Leere, ziehen sich aber durch alle vier Folgen der Dokumentation. Das Fazit der "Frankfurter Rundschau": "Amazon-Doku deckt auf: Wie Hansi Flick das DFB-Team bei der WM in Katar verlor".

Wie konnte es so weit kommen?

Zu Beginn von Flicks Amtszeit gewann Deutschland ein Spiel nach dem anderen, die Stimmung war gut. Der Bundestrainer, der als harmoniebedürftiger Charakter beschrieben wird, musste kein Feuer entfachen oder seine Spieler wachkitzeln. Er musste sie nur bei Laune halten.

Doch mit den ersten Rückschlägen in der Nations League ging es in eine andere Richtung. Die zuvor so souveräne Nationalmannschaft zeigte plötzlich vermehrt Schwächen, konnte weder England noch Ungarn besiegen. Eine Wende sollte weder bei der WM noch beim Neustart im Kalenderjahr 2023 folgen.

Nun scheint Flicks Schicksal besiegelt. Dass er nach dem Frankreich-Spiel am Dienstag noch Bundestrainer ist, wirkt zum jetzigen Zeitpunkt undenkbar. DFB-Sportdirektor Rudi Völler vermied ein klares Bekenntnis: "Jetzt fahren wir wieder ins Quartier zurück und beruhigen uns. Morgen wird ein bisschen trainiert, dann am Dienstag haben wir noch ein schweres Spiel gegen Frankreich. Wir sollten alle ein bisschen in uns gehen und überlegen, wie es weitergeht. Mal gucken."

Wenn im Oktober die nächste Länderspielpause ansteht, wird wohl eine andere Person auf der Trainerbank sitzen. Auch, wenn sich Hansi Flick noch als der richtige Mann für das Amt sieht, mit der Meinung steht er beim DFB außerhalb seines Trainerteams aktuell eher allein da. Und überzeugt bekommen wird er wohl keinen mehr.

Verwendete Quellen
  • Eigene Beobachtungen
  • TV-Übertragung bei RTL
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