Eine Oscar-Ohrfeige mit Folgen - "Sehr mieses Verhalten"
Los Angeles (dpa) - Was darf man als Komiker noch sagen? Muss man nun auf der BΓΌhne Angst vor Angriffen haben? Und wie reagiert man angemessen auf einen verletzenden Witz?
Der Eklat um die Ohrfeige, die Will Smith dem Komiker Chris Rock nach einem schlechten Witz ΓΌber Smiths Frau verpasste, hat hitzige Diskussionen ΓΌber Gewalt ausgelΓΆst und auch in der Comedy-Welt Wellen geschlagen.
"Lasst mich euch etwas sagen", schrieb die US-Komikerin Kathy Griffin auf Twitter. "Es ist sehr mieses Verhalten, auf die BΓΌhne zu laufen und einen Komiker kΓΆrperlich anzugreifen. Jetzt mΓΌssen wir uns alle Sorgen darΓΌber machen, wer der nΓ€chste Will Smith in Comedy Clubs und Theatern sein wollen wird." US-Schauspieler Mark Hamill ("Star Wars") schrieb: "Stand-Up-Comedians sind sehr geschickt darin, mit Zwischenrufen umzugehen. Mit gewalttΓ€tigen kΓΆrperlichen Angriffen... nicht so sehr."
Debatte geht weiter
Nach der Oscar-Verleihung geht die Debatte ΓΌber Will Smiths Ausfall in zwei Richtungen weiter. Da sind einmal die konkreten Folgen fΓΌr den 53-JΓ€hrigen. Die Oscar Academy hat angekΓΌndigt, mit einer formellen Untersuchung des Vorfalls zu beginnen und Konsequenzen zu prΓΌfen.
Auf der anderen Seite leiten sich aus der Ohrfeige viel grundsΓ€tzlichere Fragen ab. Welche Freiheiten hat ein Komiker? Was wΓ€re eine angemessene Reaktion auf einen verletzenden Witz gewesen? Dass jene von Smith es nicht war, steht fΓΌr die meisten auΓer Frage. Die aus der RTL-Show "Let's Dance" bekannte TΓ€nzerin und Jurorin Motsi Mabuse bezeichnete die Reaktion von Smith als "enttΓ€uschend" und "beschΓ€mend", sagte aber auch: "Mitzubekommen, wie Chris Rock diesen Witz macht und weiΓ, dass dies eines der prestigetrΓ€chtigsten Ereignisse ΓΌberhaupt ist und er dabei eine schwarze Frau niedermacht anstatt sie vor ihren Kollegen zu erheben, das ist die Art von Missbrauch, ΓΌber die wir sprechen mΓΌssen."
Der Comedian Trevor Noah brachte seine Irritation zum Ausdruck: "Das stand nicht im Drehbuch??????", schrieb er auf Twitter. TatsΓ€chlich war es im ersten Moment kaum zu glauben, dass dies ein spontaner Ausbruch sein sollte. Doch das wurde spΓ€testens deutlich, als sich die Oscar-Academy zu Wort meldete. "Die Academy verurteilt die Handlungen von Herrn Smith bei der gestrigen Show", heiΓt es in einer Mitteilung der Veranstalter.
Gag ΓΌber Haarausfall
Rock hatte bei der Show einen Gag ΓΌber Smiths Frau Jada Pinkett gemacht, woraufhin Smith ΓΌberraschend auf die BΓΌhne lief und dem Komiker eine Ohrfeige gab. Danach kehrte er an seinen Platz zurΓΌck und rief noch zweimal in die Richtung von Rock: "Lass den Namen meiner Frau aus deinem verdammten Mund!" Rock hatte sich zuvor an Jada Pinkett Smith gewandt: "G.I. Jane 2 - ich kann es nicht abwarten, das zu sehen." - eine Anspielung auf den Film "G.I. Jane", in dem sich Demi Moore als Soldatin den Kopf rasiert. Jada Pinkett Smith verdrehte die Augen bei dem Witz. Sie hat schon ΓΆfter offen ΓΌber ihren krankheitsbedingten Haarausfall gesprochen.
Anders als die Zuschauer konnten zumindest die Macher der Show ahnen, dass Will Smith hier ohne Absprache agierte. Doch obwohl er gerade auf der BΓΌhne gewalttΓ€tig geworden war, bekam er kurze Zeit spΓ€ter einen der Hauptpreise des Abends. Und nutzte die Rede, um sich selbst als sorgenden Familienmensch zu inszenieren. Smith entschuldigte sich spΓ€ter via Instagram - bei Rock, den Veranstaltern der Oscars, den Zuschauern und allen Beteiligten rund um den Film "King Richard". Der Vorfall sei ihm peinlich.
Konsequenzen noch unklar
Welche Konsequenzen Smith drohen kΓΆnnten, blieb zunΓ€chst unklar. In US-Medien wurde beispielsweise ΓΌber einen Ausschluss aus der Oscar-Akademie spekuliert. Seinen Oscar werde er aber wohl behalten dΓΌrfen, mutmaΓte die Schauspielerin Whoopi Goldberg, die auch im Beirat der Oscar-Akademie sitzt, in der TV-Show "The View". "Es wird Konsequenzen geben, da bin ich mir sicher. Aber ich glaube nicht, dass es das sein wird, was sie machen." Von Seiten der Polizei drohen dem Schauspieler zunΓ€chst keine Konsequenzen. Rock habe zumindest vorerst keine Anzeige erstatten wollen, so die Polizei in Los Angeles.
Und darf man ΓΌber die Ohrfeige selbst nun eigentlich auch schon wieder Witze machen? Der US-Comedian Stephen Colbert versuchte es in seiner Late-Night-Show gleich mal: "Das war das Schlimmste, was Smith je getan hat. Warten Sie, ich habe "Wild Wild West" vergessen", scherzte er in Bezug auf den Film von 1999 mit Smith in einer Hauptrolle.
Im Internet machten unzΓ€hlige Memes die Runde β also einzelne Fotos aus der Verleihung, die mit neuem, humorvollem Kontext versehen wurden. Dazu gehΓΆrte natΓΌrlich das Bild der Ohrfeige selbst. Oder die gemeinhin eher gefasste Nicole Kidman mit schockgeweiteten Augen und offen stehendem Mund.
Auf dem Instagram-Account "Berlin AuslΓ€nder Memes" werden normalerweise ebenfalls Memes von witzigen Situationen geteilt. Doch am Montag hieΓ es dort von der oder dem Verantwortlichen: "Viele haben mich gebeten, ein Meme aus dem viral gehenden Angriff von Will Smith gegen Chris Rock bei den Oscars zu machen." Aber es habe sich nicht richtig angefΓΌhlt, "aus dem Spektakel eines Mannes, der unnΓΆtigerweise Gewalt ausΓΌbt, um sich selbst zu behaupten", ein Meme zu machen. Und weiter: "Stellt euch vor, was fΓΌr ein starkes Statement es gewesen wΓ€re, wenn Smith seine Meinung verbal geΓ€uΓert hΓ€tte, wΓ€hrend er den Oscar entgegennahm (...)."