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"Winnetou": Warum das ZDF den umstrittenen Film trotz Kritik zeigt


TV-Debatte über "Winnetou"
ZDF rechtfertigt Ausstrahlung des Filmklassikers


29.03.2024Lesedauer: 4 Min.
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"Winnetou 1. Teil": Das ZDF hat den Film in sein Osterprogramm aufgenommen.Vergrößern des Bildes
"Winnetou 1. Teil": Das ZDF hat den Film in sein Osterprogramm aufgenommen. (Quelle: IMAGO / Bridgeman Images)

Am Karfreitag bekommen die ZDF-Zuschauer "Winnetou 1. Teil" zu sehen. Der Sender hält trotz Kritik an der Ausstrahlung des umstrittenen Films fest.

Die "Winnetou"-Reihe wurde in den Sechzigerjahren schnell zum Kult. 1962 erschien mit "Der Schatz im Silbersee" der erste Film rund um den fiktiven Häuptling der Mescalero-Apachen. In den Hauptrollen: Pierre Brice als Winnetou und Lex Barker als Old Shatterhand. Der Erfolg war so groß, dass in den Folgejahren elf weitere Geschichten aus dem Wilden Westen in die Kinos kamen.

Die Apachen hat es tatsächlich gegeben. Die Figur Winnetou ist aber eine Erfindung des deutschen Autors Karl May. Das ist schon mehr als hundert Jahre her. Mittlerweile steht der Vorwurf im Raum, dass die Darstellung der Ureinwohner und deren Leben falsch sei. Demnach werde die Kolonialzeit in den Filmen verharmlost dargestellt, es wimmele vor rassistischen Stereotypen. Dennoch sind die Geschichten bei vielen bis heute beliebt. Auch am Karfreitag wird "Winnetou 1. Teil" im Fernsehen gezeigt – eine Fehlentscheidung?

Kinderbuch "Der junge Häuptling Winnetou" wurde eingestampft

In den vergangenen Jahren hatte die Kritik an den "Winnetou"-Erzählungen immer wieder Konsequenzen. Vor zwei Jahren zog der Ravensburger Verlag das Buch "Der junge Häuptling Winnetou" zum gleichnamigen Kinofilm zurück. Darin geht es um den zwölfjährigen Winnetou, der Sohn des Häuptlings Intschu-tschuna, der sich auf eine Abenteuerreise begibt.

Unter der Instagram-Ankündigung kurz vor Veröffentlichung äußerten zahlreiche User ihren Unmut über das Projekt. "Bitte überdenkt noch mal, ob dieses Buch wirklich auf dem Markt sein sollte und ob Kinder wirklich dadurch mitgeprägt werden sollten", lautete beispielsweise ein Kommentar. Das Problem sei zum einen die Darstellung indigener Völker aus Amerika, zum anderen die Nutzung des Wortes "Indianer". Zudem musste sich Ravensburger den Vorwurf gefallen lassen, mit dem Vermarkten dieser Geschichten Geld aus anderen Kulturen zu schlagen, ohne sich um Aufklärung zu bemühen.

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Der Verlag reagierte auf das Feedback seiner Leser: "Wir danken euch für eure Kritik. Euer Feedback hat uns deutlich gezeigt, dass wir mit den 'Winnetou'-Titeln die Gefühle anderer verletzt haben. Das war nie unsere Absicht und das ist auch nicht mit unseren Ravensburger Werten zu vereinbaren. Wir entschuldigen uns dafür ausdrücklich", lautete das Instagram-Statement von Ravensburger. Beide Social-Media-Beiträge – die Ankündigung des Buches sowie die Stellungnahme des Verlags – wurden mittlerweile gelöscht.

Kinos verschmähen "Winnetou"

Ein Jahr später kam es zu einer ähnlichen Situation: Zum 60-jährigen Jubiläum von "Winnetou 1. Teil" plante der Berliner Filmverleih Croco, den ersten Film der Reihe noch einmal in die Kinos zu bringen. Damit der Klassiker auf den großen Leinwänden gut zur Geltung kommt, wurde er technisch aufbereitet – 4k-Qualität inklusive.

Allerdings war die Mühe umsonst, denn in der deutschen Kinolandschaft bestand kaum Interesse an dem restaurierten Klassiker. Wie der Filmverleih dem Newsportal "Der Westen" mitteilte, hätten sich nur neun Kinos in ganz Deutschland dazu bereit erklärt, "Winnetou 1. Teil" ins Programm aufzunehmen.

Frage nach Disclaimer bleibt offen

Doch im Fernsehen scheinen andere Gesetze zu gelten. Das ZDF hat sich dazu entschieden, "Winnetou 1. Teil" am Karfreitag um 11.30 Uhr auszustrahlen. "Die Karl-May-Filme erfreuen sich bei den Zuschauerinnen und Zuschauern großer Beliebtheit. Das Fernsehprogramm ist auch ein historisches Zeitdokument, das gesellschaftliche Themen aus damaliger Sicht spiegelt", begründet der Sender den Entschluss bei t-online.

Die Frage, ob vor Beginn des Films ein Disclaimer eingeblendet wird, lässt das ZDF hingegen unbeantwortet. Zuletzt waren viele Sender dazu übergegangen, bei problematischen Inhalten eine Hinweistafel einzublenden.

Ein Beispiel: Anlässlich des 75. Geburtstages von Komiker Otto Waalkes nahm der WDR im Sommer 2023 mehrere Shows des TV-Stars in das Angebot seiner Mediathek auf. Die Verantwortlichen sahen sich jedoch in der Pflicht, die Inhalte mit einer Warnung zu versehen. Bevor die Nutzer Otto zu sehen bekamen, erschien der Text: "Das folgende Programm wird, als Bestandteil der Fernsehgeschichte, in seiner ursprünglichen Form gezeigt. Es enthält Passagen mit diskriminierender Sprache und Haltung."

Die TV-Ikone hatte dafür Verständnis, immerhin seien einige Inhalte vor einem halben Jahrhundert entstanden. "Die Moralvorstellungen haben sich seit 1970 gewandelt, jede Zeit hat ihre eigenen Tabus. Komik hat ja immer etwas Anstößiges, weil sie alltägliche Regeln verletzt. Ich war damals Student und habe Scherze gemacht, von denen sich vor allem Autoritäten verletzt fühlten", so Otto Waalkes damals im "Bild"-Gespräch.

Was halten die TV-Zuschauer von "Winnetou"?

Das ZDF beweist mit der Idee, "Winnetou 1. Teil" am Karfreitag im Fernsehen zu zeigen, ein gutes Gespür für sein Publikum. Eine von t-online in Auftrag gegebene Umfrage wollte von den Nutzerinnen und Nutzern wissen: "Wie bewerten Sie, dass das ZDF trotz Kritik an der klischeehaften Darstellung amerikanischer Ureinwohner an den Ausstrahlungen der 'Winnetou'-Filme festhält?"

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Zwischen dem 22. und 28. März 2024 haben 5.000 Menschen ab 18 Jahren an der repräsentativen Abstimmung teilgenommen. 75 Prozent der Befragten gaben an, dass sie die Entscheidung "Eindeutig richtig" finden, "Winnetou" nach wie vor im Fernsehen zu zeigen. Zehn Prozent entschieden sich für "Eher richtig". Nur wenige TV-Zuschauer betrachteten die Programmentscheidung als Fehler: Vier Prozent kritisierten die Ausstrahlung als "Eindeutig falsch", zwei Prozent stimmten für "Eher falsch". Neun Prozent waren sich hingegen unschlüssig, was sie vom Standpunkt des ZDF halten sollen.

Die ARD hat in der Thematik eine andere Marschrichtung eingeschlagen. Auf Anfrage von t-online erklärte ein Sendersprecher 2022: "Die Rechte der ARD an den 'Winnetou'-Filmen endeten 2020. Danach wurden die Rechte von einem Mitbewerber erworben." Die letzte Ausstrahlung eines "Winnetou"-Films im Ersten fand am 12. April 2020 statt. Seitdem ist das ZDF am Ruder.

Professor Hans Mathias Kepplinger, der Jahrzehnte an Skandalen geforscht und mit "Die Mechanismen der Skandalisierung" 2012 eine Art Standardwerk vorgelegt hat, bewertete den Fall "Winnetou" im t-online-Gespräch vor zwei Jahren als Lappalie. "Um einen Skandal im engeren Sinn würde es sich nur dann handeln, wenn ein Großteil der Bevölkerung empört wäre. Das ist nicht erkennbar. Vermutlich ist den weitaus meisten Menschen die Sache egal." Ein tatsächlicher Skandal würde "spontane Empörung" hervorrufen, ist er sich sicher. Bei "Winnetou" urteilt er: "Die Mehrheit hält das vermutlich für Nonsens."

Verwendete Quellen
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