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"Polizeiruf 110"-Faktencheck: Wie stark ist die rechte Szene in Rostock?


Der Faktencheck zum "Polizeiruf"
Welche Rolle spielen die Frauen in der rechten Szene?

Von Barbara Schaefer

Aktualisiert am 12.06.2018Lesedauer: 6 Min.
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In Flammen: Vor Jahren brannte ein Asylbewerberheim, damals sind sich Birte Köppen (Hildegard Schroedter) und die Frau auf dem Plakat begegnet. Und nun ist die Politikerin tot.Vergrößern des Bildes
In Flammen: Vor Jahren brannte ein Asylbewerberheim, damals sind sich Birte Köppen (Hildegard Schroedter) und die Frau auf dem Plakat begegnet. Und nun ist die Politikerin tot. (Quelle: NDR/Christine Schroeder)

Dieser Rostocker "Polizeiruf 110" ist nichts für schwache Nerven. Zu Beginn fleht eine Frau um ihr Leben, und wird angezündet. Und am Ende zeigt sich, dass der Titel "In Flammen" noch einen Bezug zur Vergangenheit hat, als Asylbewerberheime brannten.

Zuletzt ging es im "Tatort" häufig um Rechte, da tummelten sich völkische Siedler im Schwarzwald, und zuletzt trieben sogenannte Reichsbürger in Bayern ihr Unwesen. Nun also auch noch im hohen Norden. Doch die Häufung ist berechtigt, schließlich geht von vielen Gruppierungen eine hohe Gewaltbereitschaft aus, der Sonntagabend-Krimi trifft also ins Zentrum der Realität in Deutschland.

Beim "Polizeiruf 110" ist das Mordopfer die rechtspopulistische Politikerin Sylvia Schulte, sie kandidierte in Rostock für die fiktive Partei PFS um das Amt der Oberbürgermeisterin. Kommissariatsleiter Henning Röder (Uwe Preuss) weist seine Mitarbeiter darauf hin, sie müssten in alle Richtungen ermitteln: Kam der Täter aus dem Antifa-Umfeld? Aus der eigenen Partei? Oder steckt eine Beziehungstat dahinter? Die Kommissare Alexander Bukow und Katrin König hängen sich rein.

Auch in ihren liebgewonnenen Zwist. Bukow (schön verschlossen: Charly Hübner) und König (impulsiv: Anneke Kim Sarnau) ermitteln bereits seit 2010 zusammen, Bukow als Mann vom Land, der die Sorgen der kleinen Leute versteht, und König als die moralgetriebene linke Intellektuelle. So richtig harmonisch wird das nicht bei den beiden, soll es ja aber auch nicht.

Ziemlich unerträglich, weil leider real, klingen die populistischen Reden. Die Politikerin ist eine alerte Frau in Bluse und Hosenanzug, eloquent und überzeugend, kaum zu übersehen, an wen die Figur angelehnt ist, wenn sie ruft: "Es ist euer Land, holt es euch zurück!".

Der Besuch bei ihrem Ex-Mann lässt die Zuschauer nicht weniger erschauern, dieser leitet eine Gemeinschaft völkischer Siedler auf dem Land, auf dem Kommissariat salopp als "unser braunes Bullerbü" bezeichnet. Mädchen mit straffen Zöpfen und Jungs mit strammen Scheiteln, die zuhause unterrichtet werden und gemeinsam Brot backen.

Damit sie die "braune Blut-und-Boden-Dreck schon im Kindergarten" eingeimpft bekämen, echauffiert sich König. "Die Dörfer hier sind alle am Arsch", hält Bukow dagegen, keiner kümmere sich. Da würden die Menschen aus Angst eben jemandem hinterherlaufen, der Hilfe verspricht in ihrer Angst.

Wir haben doch alle Angst, hält König dagegen – in einer dieser endlosen Fernsehautofahrten, aber das sei doch kein Ticket dafür, diesen Populisten hinterher zu laufen.

Allerdings wird das braune Siedlerwesen recht platt vorgeführt, im Schwarzwald-"Tatort" kam das subtiler daher. Aber mit Tee und Keksen, Blumenstrauß am Fenster und im Wind flatternder Wäsche wird das Idyll richtig gruselig gezeigt. Doch wenn Charlie Hübner verbindlich lächelt im Gespräch mit der Landfrau, dann ist Gefahr im Verzug.

Großartig den ganzen "Polizeiruf" lang: Atheer Adel in der Rolle des hauptverdächtigen Syrers Karim Labaneh. Adel, gebürtiger Iraker und lange schon Deutscher, spielte schon in der erfolgreichen US-Serie "Homeland". Wortgewaltig setzt er sich zur Wehr (Buch: Florian Oeller).

Insgesamt ein dichter und dramatischer "Polizeiruf", aber am Ende muss man gut aufpassen, da überschlagen sich die Verdächtigen (Regie: Lars-Gunnar Lotz). Es war weder der schmierige, korrupte Parteikollege, noch einer der Mitglieder der früheren "wilden Truppe" der Toten, auch nicht die neue Frau des Ex-Mannes, und schon gar nicht der Syrer. Sondern der Racheakt einer Frau, deren Leben bei einem Brandanschlag auf ein Heim in der Vergangenheit zerstört wurde.

Doch wie tief reichen die Wurzeln populistischer Parteien in rechtsradikale Verbünde? t-online.de hat nachgefragt.

Der Faktencheck

Fragen an Andrea Röpke, Politikwissenschaftlerin, Autorin des Fachportals "Blick nach rechts" und des "Jahrbuchs Rechte Gewalt 2018".

t-online.de: Andrea Röpke, laut Drehbuch kandidiert in Rostock eine rechtspopulistische Politikerin der fiktiven Partei PFS als Oberbürgermeisterin. Offiziell hat sie sich vom radikalen Arm der Bewegung an losgesagt. Tatsächlich soll sie aber weiterhin diese Ziele verfolgen, und sich nur das Mäntelchen der Politik umgehängt haben – gibt es solche Konstellationen?

Andrea Röpke: Ja, natürlich, schauen Sie sich die "Alternative für Deutschland" (AfD) doch an. Mitarbeiter von Parteichef Gauland und anderen Mandatsträgern wurden im extrem rechten Spektrum radikalisiert und arbeiten nun für eine angeblich nur "patriotische" Partei. Der Brandenburger AfD-Landesvorsitzende nahm an einem Pfingstlager der HDJ teil, die wurde danach verboten. Die Partei punktet mit Parolen der Neonazis. In der Realität distanzieren sich diese Politiker nicht mehr, sie relativieren nur noch halbherzig. Es ist kein Schock mehr. Das was die NPD nicht erreicht hat, schafft die AfD: Allmählich wird menschenverachtende Ideologie hoffähig.

Wie ist die Situation in Mecklenburg-Vorpommern?

Es regt kaum noch auf, wenn Medien eine brisante Vergangenheit oder besondere Radikalität enthüllen. Insbesondere in Mecklenburg-
Vorpommern, wo der "Polizeiruf" spielt, wird das sehr deutlich. Der Wortführer der jungen AfD-nahen "Identitäre Bewegung" war vorher bei den "Nationalen Sozialisten Rostock", einer militanten Kameradschaft. Und dennoch bekommen die Identitären Spenden. Nicht die Enthüllungen sind das Erschreckende, sondern der Umgang damit.

Der radikale Teil hat sich als völkische Siedler in ein Dorf zurückgezogen, im "Polizeiruf" spöttisch "unser braunes Bullerbü" genannt. Wie stark ist diese Szene in Mecklenburg?

Die braunen Rückzugsorte sind gerade in Mecklenburg-Vorpommern unglaublich gut ausgebaut, man hat sie ja auch gelassen. Seit über 20 Jahren konnten sich dort eigene Netzwerke bilden. Dort wo eh schon viel zu viele Menschen demokratiemüde und leider auch rassistisch eingestellt sind, konnten solche Strukturen bestens andocken. Ähnlich wie in Sachsen hat die NPD in den Kommunalparlamenten den Boden bereitet, aber auch die Völkischen wirken im Hintergrund mit. Sie stoßen auf wenig Protest, die Engagierten, die sich wehren, werden zerrieben. Schockierend ist, wie eingeschüchtert Medien, Politik und Polizei auf das Machtstreben reagieren. Vom Verfassungsschutz gar nicht zu reden, der hat in Mecklenburg-Vorpommern total versagt.

Am Ende stellt sich – nicht mehr beweisbar – heraus, dass die Politikerin auch Brandsätze auf Asylbewerberheime geworfen hatte. Ist es denkbar, dass so jemand eine steile politische Karriere macht?

Klar, gerade den Frauen ist es möglich. In der Geschichte der Bundesrepublik gab es immer Unterstützerinnen des rechten Terrors, aber die wenigsten wurden belangt. Sie tauchen in keinem Register mehr auf. Mit Beate Zschäpe und ihrer Führungsrolle beim "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU) wurde erstmals wirklich bekannt, dass extrem rechte Frauen nicht weniger fanatisch als die Männer sind. Viele von ihnen haben die rassistischen Pogrome in den Neinzigerjahren mit angeheizt, sogar aktiv mitgewirkt. Vor Gericht landeten sie nur mal in Ausnahmen, dann wurden sie zumeist als harmlose Mitläuferinnen eingestuft. Bis 2011 hatten Sicherheitsbehörden rechte Frauen so gut wir gar nicht auf auf dem Schirm.

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Nach den Ausschreitungen in den Neunzigerjahren, etwa in Rostock-Lichtenhagen, konnten nur wenige Täter zur Rechenschaft gezogen werden, da Beweise fehlten. Muss man davon ausgehen, dass viele der Täter weiterhin im rechtsradikalen Umfeld aktiv sind?

Ja, natürlich. Rechter Terror wurde in der Vergangenheit immer gern als Einzeltäter-Terror dargestellt. Die braunen Netzwerke im Hintergrund wurden schon beim Oktoberfest-Attentat 1980 nicht beleuchtet. Das zieht sich bis heute durch. Kaum jemand Kompetentes glaubt der Generalbundesanwaltschaft in Karlsruhe die Darstellung, von den Mordtaten des NSU hätte nur ein Trio gewusst. In Rostock-Lichtenhagen machten extrem rechte Politprofis wie Christian Worch zuvor Stimmung. Die Rechten wurden mit Bussen angekarrt. Obwohl es bestimmt unzählige Spitzel gab, wurde nicht richtig aufgeklärt. Diese Versäumnisse rächen sich irgendwann.

Der "Polizeiruf" beginnt unter viel Beifall mit populistischen Reden der rechten Partei – und endet auch so. Muss man annehmen, dass das für Rostock zutrifft, oder gibt es auch gute Nachrichten von dort?

Damit kann ich leider nicht dienen, obwohl ausgerechnet Rostock noch als die Hochburg für Zivilcourage in MV gilt und "Rostock nazifrei" Monat für Monat viel Protest auf die Beine bringt. Ausgerechnet dort aber haben sich jetzt die extrem rechten Identitären häuslich niedergelassen. Die dortige AfD sorgte 2017 für Schlagzeilen, weil es Kontakte zu einem terrorverdächtigen rechten Verschwörerkreis namens "Nordkreuz" gab. Eines der beschuldigten Mitglieder von "Nordkreuz", ist ein suspendierter Kriminalbeamter aus der Nähe von Ludwigslust. Ausgerechnet der wurde von der Partei Anfang 2018 zum stellvertretenden Vorsitzenden des Fachausschuss "Innere Sicherheit" gewählt. Die rechte Hooliganszene in Mecklenburg scheint immer militanter zu werden. Neonazis führen die Hells Angels in Rostock an. Aber Jugendliche, die sich engagieren werden kriminalisiert und beobachtet. Mut machen antifaschistische Bands wie "Feine Sahne Fischfilet" aus Rostock, die weisen auf die Probleme hin und finden Gehör.

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