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Diesel-Urteil: Fahrverbote zu "99 Prozent wahrscheinlich"


"Wahrscheinlichkeit für Fahrverbote bei 99 Prozent"

Von t-online, afp, dpa, hs, az, lk

Aktualisiert am 23.02.2018Lesedauer: 4 Min.
Leere Straße in Hamburg: "Dreckige" Diesel-Autos könnten bei möglichen Fahrverboten nicht mehr in die Innenstädte fahren.Vergrößern des BildesLeere Straße in Hamburg: "Dreckige" Diesel-Autos könnten bei möglichen Fahrverboten nicht mehr in die Innenstädte fahren. (Quelle: Sebastian Widmann/dpa)
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Die Luft in vielen deutschen Städten ist schlecht – die Grenzwerte für Stickoxide werden deutlich überschritten. Verbannt das Bundesverwaltungsgericht nun alte Diesel aus den Städten?

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig fällt am Donnerstag ein Grundsatzurteil zum Thema Fahrverbote. Die Richter entscheiden, ob solche Verbote für Dieselautos prinzipiell zulässig sind.

Verwaltungsgerichte hatten zuvor die Behörden der Städte Düsseldorf und Stuttgart dazu verpflichtet, Grenzwerte für die Luftbelastungen schnell zu senken – wenn nötig mit Fahrverboten. Dem Urteil aus Leipzig wird eine deutschlandweite Signalwirkung beigemessen.

In dieser Grafik sehen Sie die Stationen der deutschen Autoskandale. Bitte klicken Sie auf die Fähnchen unter den Fotos:

Wie wahrscheinlich ist ein Fahrverbot?

Experten rechnen fest damit, dass die Leipziger Richter Fahrverbote für rechtmäßig erklären. "Die Wahrscheinlichkeit, dass es zu Dieselfahrverboten in einzelnen Städten kommen wird, liegt bei 99 Prozent", sagte Professor Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen zu t-online.de.

Wo drohen Fahrverbote?

Stuttgart und Düsseldorf könnten die ersten Städte sein, in denen ein Fahrverbot für alte Diesel-Pkw verhängt wird. Denn in beiden Städten ist die Luftqualität besonders schlecht. Die Bezirksregierung in Düsseldorf hält deshalb Fahrverbote für Diesel auch kaum mehr für vermeidbar.

Wenn die Leipziger Richter den Verboten zustimmen würden, blieben diese aber immer eine Einzelfallentscheidung. Fahrverbote könnten von Stadt zu Stadt unterschiedlich ausfallen und zeitlich auf bestimmte Strecken und Stadtzonen begrenzt sein, in denen die Grenzwerte am stärksten überschritten werden.

Beim Blick auf die Belastung mit Stickstoffdioxid und Feinstaub könnte das nicht nur auf Düsseldorf und Stuttgart zukommen, sondern auch auf eine Vielzahl anderer deutscher Städte. In München ergaben Messungen 2017 beispielsweise einen Mittelwert an Stickstoffdioxid von 78 μg/m³ – allerdings sind nur 40 μg/m³ erlaubt.

Stickoxid oder Stickstoffoxid ist eine Sammelbezeichnung für die gasförmigen Oxide des Stickstoffs. Sie werden auch mit NOx abgekürzt. Auf unserer Karte finden Sie die Stickstoffdioxid-Belastungen in den wichtigsten deutschen Großstädten:

ei-180215-no2-2017

Mittlerweile lassen sich Städte verschiedene Ansätze einfallen, wie sie die Luftbelastung reduzieren können. Sie probieren es mit Filterasphalt, Staubsaugern, Klebstoff oder Moos. Der Erfolg hält sich bisher allerdings in Grenzen.

Wie gefährlich sind Dieselabgase?

Bei der Debatte um Fahrverbote steht aber das Abgas Stickstoffdioxid im Fokus. Dabei handelt es sich um ein ätzendes Gas, das Schleimhautgewebe im gesamten Atemtrakt reizt, schreibt das Umweltbundesamt auf seiner Internetseite.

In epidemiologischen Studien konnte ein Zusammenhang zwischen der zeitnahen Belastung mit Stickstoffdioxid und der Zunahme von Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie der Sterblichkeit in der Bevölkerung beobachtet werden.

Für Asthmatiker – insbesondere für Kinder – sei Stickoxid allerdings besonders schlimm, sagt Professorin Annette Peters vom Helmholtz-Zentrum für Epidemiologie. Im Interview mit t-online.de erklärt sie, warum Autoabgase so gefährlich sind.

Was ist die "Blaue Plakette"?

Wie schlimm die Abgase sind, ist von Auto zu Auto unterschiedlich. Fahrverbote sind deshalb nur für "dreckige" Diesel-Pkw geplant, nicht aber für verhältnismäßig "saubere".

"Saubere" Dieselautos könnten mit einer Blauen Plakette gekennzeichnet werden, die sie von Fahrverboten befreit. Das fordert Jörg Hofmann, der Erste Vorsitzende der IG Metall: "Wir haben schon vor Monaten ein Konzept vorgelegt, das klare technische Kriterien dafür enthält, für welche Fahrzeuge es die Blaue Plakette geben sollte." Die Bundesregierung lehnt die Einführung einer Bauen Plakette bislang ab.

Welche Autos könnten von Fahrverboten betroffen sein?

Eine Blaue Plakette könnten Diesel-Pkw bekommen, die die Abgasnormen Euro 6d – oder Euro 6d-TEMP – einhalten. Sie sind mit besserer Filtertechnik ausgestattet.

Anders sieht es bei Dieselautos aus, die nur die Abgasnormen Euro 5 oder darunter erfüllen. Sie dürften bei einem möglichen Fahrverbot nicht mehr in die Innenstädte fahren. Auch Diesel, die nur die Abgasnorm Euro 6 ohne den Zusatz "d" erfüllen, könnten trotzdem von Fahrverboten betroffen sein, denn die sind "katastrophenmäßig schlecht", sagt Autoexperte Dudenhöffer.

Welche Optionen haben Dieselbesitzer?

Besitzer von Diesel-Pkw, die die Abgasnorm Euro 6d nicht einhalten, müssen bei Fahrverboten mit einem Wertverlust für ihre Wagen rechnen. Wer seinen Diesel daher verkaufen möchte, sollte sich beeilen. Denn der Markt für gebrauchte Dieselautos wird einbrechen, so Dudenhöffer. Spätestens dann, wenn die Umtauschprämien der Hersteller auslaufen.

"Wer viel auf dem flachen Land fährt und nie in die Großstädte muss, der soll seinen Diesel weiterfahren. Wer in der Großstadt wohnt und das Auto täglich braucht, sollte sein Dieselauto verkaufen", rät Dudenhöffer.

Dieselkraftstoff könnte teurer werden

Auch der möglicherweise steigende Kraftstoffpreis für Diesel könnte zum Verkauf anregen. Denn die Subvention von Diesel ist durch die Abgasaffäre in die Kritik geraten. "Dieselfahrer müssen bald mehr für Sprit bezahlen", meint Dudenhöffer.

Selbst VW-Vorstand Matthias Müller ist von Dieselsubventionen abgerückt und schlägt eine Umschichtung der Steuererleichterungen vor. "Das Geld könnte sinnvoller in die Förderung umweltschonender Antriebstechniken investiert werden."

Dafür erntet Müller Kritik vom Handwerk: "Uns wurden diese Fahrzeuge auch mit dem Argument verkauft, dass der Diesel weniger verbraucht und der Kraftstoff günstiger ist", sagt Handwerkspräsident Wollseifer. Im Handwerk stehe man für Fehler und Mängel gerade und bringe das in Ordnung. "Nichts anderes erwarten wir von den Autoherstellern."

Diesel werden immer unbeliebter

Inzwischen wollen immer weniger Deutsche einen Diesel kaufen. Nur knapp vier von zehn Autokäufern legten sich 2017 einen Diesel zu (38,8 Prozent), teilt das Kraftfahrtbundesamt mit. Damit sank der Anteil neuer Dieselautos auf den niedrigsten Stand seit 2009. 2016 hatte der Anteil noch bei 45,8 Prozent gelegen.

"Dieselneuzulassungen werden sich 2018 auf niedrigem Niveau beruhigen, weil dann die 6d-Diesel stärker ins Angebot kommen", sagt Automobilprofessor Dudenhöffer t-online.de. Am kommenden Montag, den 26. Februar, beantwortet er ab 10 Uhr im Expertenchat auf t-online.de Ihre Fragen zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts. Sie können schon vorab Ihre Fragen stellen. Schreiben Sie dafür Ihre Fragen in die Kommentare unter diesem Artikel.

Verwendete Quellen
  • Zulassungszahlen des Kraftfahrtbundesamtes
  • eigene Recherchen
  • dpa, AFP
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