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Abstimmung im EU-Parlament: Mehrheit für Uploadfilter und Leistungsschutzrecht wackelt


Showdown in Straßburg
Für Uploadfilter und Leistungsschutzrecht wird es knapp

Von t-online, dpa, str

04.07.2018Lesedauer: 4 Min.
Europaparlament: Am Donnerstag stimmt das Plenum über die geplante EU-Urheberrechtsreform ab.Vergrößern des BildesEuropaparlament: Am Donnerstag stimmt das Plenum in Straßburg über die Zukunft des Internet ab. (Quelle: Patrick Seeger/dpa-bilder)
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Die geplante Reform des europäischen Urheberrechts spaltet das EU-Parlament. Nach massivem Druck von außen soll am Donnerstag das Plenum entscheiden, wie es weitergeht für Uploadfilter und Leistungsschutzrecht. Beobachter bangen um die Zukunft des Internets.

Am Donnerstag geht die Lobbyschlacht um den umstrittenen Gesetzentwurf zur EU-weiten Urheberrechtsreform in die nächste Runde: Dann dürfen die EU-Parlamentarier über den Reformvorschlag abstimmen, der zwei Wochen zuvor mit knapper Mehrheit vom Rechtausschuss abgesegnet worden war.

Die Abstimmung wird mit Spannung erwartet. Für Kritiker ist es womöglich die letzte Gelegenheit, die zentralen Passagen des Gesetzes zu Uploadfiltern und Leistungsschutz erneut zur Debatte zu stellen. Dafür ist allerdings eine einfache Mehrheit im Parlament notwendig. Es wird mit einem äußerst knappen Ergebnis gerechnet.

Die Abgeordneten stehen unter Druck. Heftige Proteste im Netz, zahlreiche Appelle und offene Briefe haben die Debatte in den vergangenen Wochen angeheizt. Vor allem Bürgerrechtsorganisationen, Digitalwirtschaft und Internetverbände machen gegen das Gesetz mobil. Auch die Digitalvereine der deutschen Bundestagsparteien haben sich in einer seltenen Allianz geschlossen gegen die EU-Reform ausgesprochen. Die internationale Initiative "Save the Internet" sammelte auf der Petitionsplattform Change.org bis zum Mittwoch über 750.000 Unterschriften gegen Leistungsschutzrecht und Uploadfilter.

Anrufe bei EU-Abgeordneten zeigen Wirkung

Die Kampagnen zeigen Wirkung, sagt der deutsche EU-Abgeordnete Tiemo Wölken. "Wir bekommen viele E-Mails und Anrufe", bestätigt der SPD-Politiker, der sich schon früh als Gegner des EU-Gesetzes geoutet hat. Der Jungpolitiker betreibt einen eigenen YouTube-Kanal. Sein Video zum Thema Uploadfilter sei auf eine "riesige Resonanz" gestoßen. "Es ist definitiv ein Politikum", sagt er.

Auf der anderen Seite lobbyieren Unterhaltungsindustrie, Verlagshäuser und Verwertungsgesellschaften wie die Gema mindestens ebenso erfolgreich für die Urheberrechtsreform in Brüssel.

Am Mittwoch schaltete sich sogar Pop-Legende Paul McCartney in die Debatte ein und forderte faire Vergütungsregeln für Rechteinhaber. In einem offenen Brief an das EU-Parlament beklagte er sich über Plattformen wie YouTube, die sich an Werken von Künstlern bereicherten, ohne Musiker wie ihn angemessen dafür zu entschädigen.

Auch der Bundesverband Musikindustrie betonte die Dringlichkeit der Reform. "Nach derzeit geltendem Recht kann sich etwa YouTube, de facto größter Musikstreaming-Dienst der Welt, noch immer als rein technischer Dienstleister darstellen und Lizenzzahlungen umgehen, obwohl der Dienst Inhalte kuratiert, mit Werbung versieht, dadurch erhebliche Erlöse mit ihnen erzielt und insofern deutlich partizipiert", hieß es in einer Mitteilung des Verbands. "Trotzdem zahlt die Plattform an die Branche nur einen Bruchteil dessen, was durch Spotify und andere Dienste eingenommen wird, die reguläre Lizenzen erwerben."

Das Parlament ist gespalten

Gegner und Befürworter der EU-Reform versuchen, unentschlossene Abgeordnete in letzter Minute auf ihre Seite zu ziehen. Dementsprechend gespalten ist das Parlament – und die Linien verlaufen quer durch alle Parteien. Die Fraktionen der Linken und der Grünen wollen sich verbünden, um das Gesetz mit ihren Stimmen zu stoppen. Sie können auf Unterstützer aus anderen Parteien zählen. Wölken hält eine knappe Mehrheit sogar für möglich. Selbst in der konservativen EVP sehen viele Abgeordnete den bisher ausgehandelten Vorschlag zunehmend kritisch und könnten sich letztendlich gegen das Vorhaben aus den eigenen Reihen stemmen.

Wölkens eigene Fraktion, die S&D, der europäische Zusammenschluss der Sozialdemokraten, wollte sich bis zuletzt nicht auf eine gemeinsame Linie festlegen. Wölken berichtet von zahlreichen Wortmeldungen und einer "ausgeglichenen Debatte" auf der dazu anberaumten Fraktionssitzung am Dienstagabend. Letztendlich sei die Entscheidung für eine sogenannte "free vote" gefallen, eine freie Abstimmung ohne jeden Fraktionszwang. Wölken spricht von einer "Gewissensentscheidung" für die Abgeordneten.

Warum ist das Gesetz so umstritten?

Der Entwurf sieht schärfere Regeln für Internetplattformen vor, über die potenziell urheberrechtlich geschütztes Material verbreitet wird. Betreiber könnten sich nach der Reform dazu gezwungen sehen, sogenannte Uploadfilter einzuführen, die das Hochladen bestimmter Inhalte automatisch verhindern. Kritiker sprechen von "Zensurmaschinen".

Außerdem soll das sogenannte Leistungsschutzrecht auf die ganze EU ausgeweitet werden, obwohl es in Deutschland und Spanien zuvor erfolglos erprobt worden war. Es soll Plattformen – allen voran Google – dazu zwingen, Verlage an ihren Gewinnen zu beteiligen, wenn sie Links zu deren Online-Artikel verbreiten. Google lehnte das bisher ab. Andere Plattformen schränkten ihr Angebot entsprechend ein und verzichten nun auf Textvorschauen, Zitate, Links und Ausschnitte.

Gegner der EU-Reform warnen, dass solche Einschränkungen zunehmen könnten. Verleger glauben hingegen, dass ihnen die EU-weite Umsetzung des Leistungsschutzrechts eine bessere Verhandlungsposition verschafft.

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Wie geht es weiter?

Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder winken die Abgeordneten den Gesetzentwurf am Donnerstag durch und er wird automatisch in die finalen Verhandlungen zwischen Parlament, den Staats- und Regierungschefs der Mitgliedsländer und der Kommission weitergereicht. Das Gesetz stünde trotz zahlreicher kritischer Stimmen kurz vor seiner Vollendung.

Stimmen die anwesenden Abgeordneten aber mehrheitlich gegen den Beginn der finalen Verhandlungen, sichern sie sich dadurch weitere Einflussmöglichkeiten. Denn dann muss erneut beraten werden – und die Parlamentarier könnten Änderungen am Gesetz vorschlagen. Das wird aber erst im September passieren, wenn das Parlament wieder tagt. Vorher geht es in die Sommerpause.

Verwendete Quellen
  • dpa
  • Eigene Recherche
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