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Fake News und Hackerattacken: Wie sicher ist die Bundestagswahl?


Desinformation im Netz
Wie Fake News die Bundestagswahl gefährden

Von Ali Vahid Roodsari

Aktualisiert am 31.08.2021Lesedauer: 7 Min.
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Gefahr vor Bundestagswahl (Symbolbild): Experten befürchten Desinformationen und Cyberattacken.Vergrößern des Bildes
Gefahr vor Bundestagswahl (Symbolbild): Experten befürchten Desinformationen und Cyberattacken. (Quelle: Getty Images/iStockphoto/Montage: t-online)

Die diesjährige Bundestagswahl wird von Falschinformationen und Angst vor Hackerattacken begleitet. Wir zeigen, welche Falschbehauptungen kursieren, wie und warum Sie reagieren sollten und warum es wichtig ist, dass Politiker sich mit Technik auskennen.

Nein, Annalena Baerbock will nicht die Witwenrente abschaffen. Solche und andere Falschmeldungen kursieren vor der Bundestagswahl auf Facebook, WhatsApp oder Telegram. Das Ziel: Misstrauen in der Bevölkerung zu schüren und den demokratischen Prozess an sich zu diskreditieren.

Experten und Behörden warnen schon seit Längerem vor solchen Attacken. Auch ein Großteil der Deutschen befürchten, dass Desinformationen das Ergebnis der Bundestagswahl beeinflussen könnten. Wir zeigen einige Falschinformationen, die immer wieder auftauchen, wie Sie solche Fake News erkennen und am besten darauf reagieren sollten – und welche Gefahr kurz vor der Bundestagswahl noch droht.

Vorsicht vor diesen Falschinformationen

Ein Beispiel für eine Falschinformation: Auf Telegram und Facebook behaupteten Nutzer, dass Spenden für Flutopfer der "Aktion Lichtblicke" in Wirklichkeit in Armin Laschets Wahlkampfbudget fließen würden. Auf seiner Website stellt die "Aktion Lichtblicke" jedoch klar: Diese Behauptung ist falsch.

Attacken gegen SPD und Union, beziehungsweise Olaf Scholz und Armin Laschet scheinen jedoch eher selten zu sein im Vergleich zu Angriffen auf die Grünen und ihre Kandidatin Annalena Baerbock. So teilten Nutzer kurz nach der Ernennung Baerbocks zur Kanzlerkandidatin ein angebliches Nacktbild mit den Worten "Sie war jung und brauchte das Geld". In Wahrheit handelte es sich bei der gezeigten Frau um ein Erotik-Model, das Baerbock lediglich ähnlich sieht.

Weitere Beispiele: Baerbock soll ein Verbot von Haustieren zugunsten des Klimas gefordert haben. Sie soll bei ihrer Ernennung zur Kandidatin anderen Parteifreunden ohne Maske und Abstand in die Arme gefallen sein. Und sie soll der sogenannten "Great Reset"-Verschwörung anhängen. Alles falsch, wie die Nachrichtenagentur AFP in einem Faktencheck-Artikel berichtet. Mehr dazu lesen Sie hier.

Besonders auffällig und aufwendig waren zwei Werbekampagnen: Die industrienahe Lobbyorganisation INSM versuchte Anfang Juni die Grünen mit einer Anzeigenkampagne als "Verbotspartei" zu brandmarken. Ein Faktencheck zeigte, dass zumindest manche Behauptungen der INSM falsch waren. Und erst im August erregte die Werbekampagne "Grüner Mist" Aufmerksamkeit. Recherchen von t-online zeigten, dass rechtsextreme Netzwerke in die Kampagne verstrickt waren. Mehr dazu lesen Sie hier.

Zudem kursieren viele Behauptungen, die die Sicherheit der Wahl an sich anzweifeln. Der Bundeswahlleiter hat darum die Sonderseite "Fakten gegen Fake News" eingerichtet. Hier korrigiert die Behörde Falschbehauptungen auf Social-Media-Kanälen zum Thema Wahlbetrug.

Alle Information rund um die Bundestagswahl 2021 finden Sie auf dieser Sonderseite von t-online.

Warum Desinformation gefährlich ist

Falschinformationen im Netz sind mittlerweile normal – egal zu welchem Anlass. Doch im Vergleich zur Bundestagswahl 2017 sind laut Experten dieses Jahr besonders viele Fake News im Umlauf. Auch Verfassungsschutz und Bundeswahlleiter haben bereits vor Desinformation zur Wahl gewarnt. Und: Experten und Politikern zufolge ist es mit den oben genannten Falschinformationen noch lange nicht getan: In Zukunft könnten noch weitere solcher Nachrichten veröffentlicht werden.

Im Gespräch mit "Deutschlandfunk Nova" sagt die Forscherin Helena Schwertheim vom Institut für Strategischen Dialog: "Ich gehe davon aus, dass wir gezielte Desinformation zunehmend bis zum Tag der Bundestagswahl sehen. Das wird bestimmt der Höhepunkt sein."

Wer hinter Falschinformationen steckt, ist nicht immer klar. Experten vermuten ausländische Staaten, aber auch deutsche Extremisten und Anhänger von Verschwörungserzählungen. Laut Anke Domscheit-Berg, Netzexpertin bei der Partei "Die Linke", haben Verbreiter solcher Fake News meist aber ein Ziel: "Die Urheber solcher Desinformationskampagnen wollen Misstrauen in die Demokratie als solches schüren", so die Politikerin. "Zum Beispiel mit Begriffen wie 'Lügenpresse' für Medien. Aber man möchte auch die Korrektheit von Wahlen oder Integrität von Politiker*innen an sich erschüttern".

Josef Holnburger sieht das ähnlich. Holnburger ist Experte für Rechtsextremismus und Verschwörungserzählungen bei der Denkfabrik CeMAS. Auch er weist darauf hin, dass solche Fake News "Gräben in die Gesellschaft" reißen können. Es drohe zudem auch die Gefahr, dass bestimmte Gruppen das Narrativ einer "gestohlenen Wahl" verbreiten werden – wie in den USA. "Diese Leute werden behaupten, dass die Wahl manipuliert gewesen sei, egal, wie sie ausgeht", sagt Holnburger.

Wie Sie auf Falschinformationen reagieren können

Laut Holnburger sind Desinformationskampagnen im Vergleich zur Bundestagswahl 2017 gefährlicher: Denn früher hätten Menschen solche Falschinformationen vor allem auf YouTube oder Facebook gesehen. Nun werden sie verstärkt über Dark Social verbreitet – das ist der Fachbegriff für Messengerdienste wie WhatsApp oder E-Mails. "Desinformationen sind dann besonders einschlägig, wenn sie von Personen geteilt werden, denen man vertraut – wie Verwandten oder Bekannten," sagt Holnburger. "Wenn die eine Falschinformationen weiterleiten, wird das höher gewertet."

Wenn ein Familienmitglied, Freund oder Bekannter Ihnen Falschinformationen per WhatsApp schickt, sollten Sie das darum nicht ignorieren. Denn wer tief im Sumpf der Desinformationen steckt, wird die Aufklärungskampagnen von Staat oder Medien nicht glauben, sagt Holnburger. "Der einzige Zugang zu diesen Personen besteht eher aus dem Bekanntenkreis, dem Arbeitsumfeld oder der Familie", so der Verschwörungsexperte in einem Interview im Mai.

Holnburger empfiehlt, Widerspruch zu leisten. Er rät zur Methode des sogenannten Faktensandwiches: Wenn jemand Falschinformationen verbreitet, sollte man zuerst das richtige Faktum nennen. Danach sollte man über die Desinformation sprechen, das Gespräch aber wieder mit der Richtigstellung beenden.

Zum Beispiel: Wenn jemand behauptet, dass die Grünen die Witwenrente abschaffen wollen, sagen Sie zuerst, dass das eine Falschbehauptung ist und beenden das Gespräch ebenfalls mit der Aussage, dass die Partei nicht die Witwenrente abschaffen wolle.

Der Grund: Wiederholungen machen Informationen vertrauter und sie werden als wahrheitsgetreuer empfunden. Bei der Widerlegung von Falschinformationen kann man diese zwar zitieren, die Korrektur sollte aber im Gespräch überwiegen: "Man sollte solche Gespräche auch immer mit der Korrektur beenden und nicht mit der Falschinformation", sagt Holnburger.

Wie Sie Falschinformationen erkennen

Um selbst Falschinformationen erkennen zu können, hilft es, einige Tipps zu verinnerlichen. Die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) rät unter anderem, Quellen selbst zu prüfen und grundsätzlich eine gesunde Skepsis zu haben – vor allem bei Nachrichten "mit einfachen Erklärungen und Lösungen für so komplexe Herausforderungen". Mehr Infos finden Sie auf der Seite der bpb.

Verschiedene Websites haben es sich zudem zur Aufgabe gemacht, kuriose oder unglaubliche Meldungen zu prüfen. Beispielsweise "Mimikama", "Correctiv" oder der "Faktenfuchs" des Bayerischen Rundfunks. Auch die Nachrichtenagentur AFP klärt über Fake News im deutschsprachigen Raum auf. Im englischsprachigen Raum ist die Seite "Snopes" oder der Faktencheck der Nachrichtenagentur Reuters bekannt. Auch Nachrichtenportale wie t-online klären regelmäßig über Falschmeldungen auf. "Correctiv" hat zudem ebenfalls nützliche Tipps bereitgestellt, die beim Prüfen von Nachrichten helfen können. Klicken Sie hier, um die Tipps auf der Seite von "Correctiv" einzusehen.

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Bei Bildern (mit Beschriftungen) können Sie selbst versuchen zu prüfen, woher das Originalbild stammen könnte. Ein bekanntes Tool dafür ist die Google Bildersuche. Daneben gibt es unter anderem noch die Bildersuche von TinEye, Microsofts Suchmaschine Bing oder die Bildersuche der russischen Suchmaschine Yandex. Schieben Sie dazu das Bild in das Suchfeld oder laden Sie es hoch. Wenn das Foto bereits irgendwo im Internet herumschwirrt, sollte eine der Suchmaschinen es finden. Mehr zu manipulierten Fotos und sogenannten Deep Fakes lesen Sie hier.

Mehr Medienkompetenz für alle Altersgruppen

Nur mit nachtäglicher Aufklärung ist es aber nicht getan. Domscheit-Berg von der Linken sieht vor allem eine Gefahr darin, dass Falschnachrichten sich schneller verbreiten, als Faktenprüfer mit der Korrektur hinterherkommen können. Verschwörungsexperte Holnburger nennt in dem Zusammenhang auch den sogenannten "Sleeper Effect": Menschen merken sich die (Falsch)Nachricht, vergessen nach einiger Zeit aber den Urheber, beispielsweise eine Plattform für Fake News. Das hat zur Folge, dass manche die Nachricht als wahr erachten. "Gerade deshalb ist frühes 'Deplatforming' wichtig, um Falschnachrichten einzuschränken", sagt Holnburger.

Auch Domscheit-Berg wünscht sich darum für die Zukunft mehr Medienkompetenz in allen Bevölkerungsschichten, um die Verbreitung von Fake News einzudämmen. "Am besten sollte man schon in der Schule damit anfangen", sagt Domscheit-Berg. "Bei der erwachsenen Bevölkerung wie den 60- bis 70-Jährigen, die auch einen Großteil der Wähleri*nnen darstellen, könnten die öffentlich-rechtlichen Medien ein entsprechendes Angebot bereitstellen."

Auch Sorge vor Politiker-Hacks

Abseits von Desinformation sorgen sich Experten noch um ein weiteres Thema: Cyberattacken. Zwar sei die Wahl im Herbst manipulationssicher. Denn in Deutschland werden Stimmzettel ausgezählt, möglicherweise hackbare Wahlautomaten wie in den USA gibt es hier nicht. Es droht eine andere Gefahr: Dass fremde Mächte Politiker-Accounts hacken, sensible Daten abgreifen und sie kurz vor der Wahl publizieren, um die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Wir haben hier zwei kritische Phasen", sagt Domscheit-Berg dazu. "Allgemein die Briefwahlphase und ganz besonders die letzten Tage vor der Wahl."

Dass das ein realistisches Szenario ist, zeigen verschiedene Beispiele: Da gibt es die E-Mail-Affäre von Hillary Clinton kurz vor der US-Wahl 2016. Oder, als interne Dokumente von Emmanuel Macrons Wahlkampf-Team im französischen Präsidentschaftswahlkampf 2017 online hochgeladen wurden.

Und tatsächlich gab es Ende März bereits Hackerattacken auf deutsche Politiker und Aktivisten. Dahinter wird die russische Hackergruppe "Ghostwriter" vermutet, die für den russischen Geheimdienst GRU arbeiten soll. Die Attacken waren zwar wenig erfolgreich. Dennoch betont Domscheit-Berg: "Beim Thema IT-Sicherheit haben wir eine Dauerbedrohungslage, die natürlich vor der Bundestagswahl noch mal besonders ausgenutzt werden kann.“

BSI unterstützt Politiker mit Leitfaden

Um schlimmere Szenarien zu vermeiden, hat das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik einen IT-Sicherheitsleitfaden für Abgeordnete veröffentlicht. "Ich finde es großartig, dass wir diesen Leitfaden haben", sagt Linken-Politikerin Domscheit-Berg dazu. "Und der ist nicht nur für Politiker geeignet, sondern im Grunde für alle Nutzer." Den Leitfaden finden Sie hier.

Domscheit-Berg hat zumindest den Eindruck, dass viele Bundestagsabgeordnete ihre persönliche IT-Sicherheit ernster nehmen als noch vor einigen Jahren. Sie verweist aber auch darauf, dass viele Kommunalpolitiker wenig Zeit und Ressourcen haben, sich ständig mit dem Thema auseinanderzusetzen.

Und: All die Absicherung bringt laut der Linken-Politikerin nichts, wenn der Staat absichtlich Sicherheitslücken für eigene Zwecke offenhalte – beispielsweise, um den sogenannten Staatstrojaner einsetzen zu können. "Da erkennt man sofort, dass alle, die so was wollen, IT-Sicherheit nicht rudimentär verstanden haben", sagt Domscheit-Berg. "Geheim gehaltene Sicherheitslücken stehen nun mal auch für Kriminelle offen. Solche Maßnahmen sind eine große Gefahr für die IT-Sicherheit nicht nur in Deutschland."

Verwendete Quellen
  • Video-Call mit Josef Holnburger
  • Telefonat mit Anke Domscheit-Berg
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