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Wie geht es mit der Vorratsdatenspeicherung weiter?


Fragen und Antworten
Wie geht es mit der Vorratsdatenspeicherung weiter?

Von dpa-afx
20.09.2022Lesedauer: 4 Min.
urn:newsml:dpa.com:20090101:220920-99-828036Vergrößern des BildesEin Computerbildschirm: Der Europäische Gerichtshof hat in einem neuen Urteil seine Position zur umstrittenen deutschen Vorratsdatenspeicherung bekräftigt. (Quelle: Jens Büttner)
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Nachdem der Europäische Gerichtshof die deutsche Vorratsdatenspeicherung für rechtswidrig erklärt hat, bleiben viele Fragen offen. Unser Artikel liefert einen Überblick.

Mit seiner Entscheidung zur deutschen Vorratsdatenspeicherung hat der EuGH für die Speicherung von Telekommunikationsdaten klare Leitplanken aufgestellt. Jetzt muss die Bundesregierung entscheiden, wie eine mögliche Nachfolgeregelung aussehen könnte. Die wichtigsten Fragen und Antworten:

Was hat der EuGH genau entschieden?

Der Europäische Gerichtshof hat eigentlich das gesagt, was er in den vergangenen Jahren meistens zu dem Thema gesagt hat: Eine anlasslose Speicherung von Kommunikationsdaten - also beispielsweise die Frage, wer wann mit wem von welchem Ort aus telefoniert - ist unzulässig.

Eine Ausnahme gilt bei einer ernsthaften Bedrohung der nationalen Sicherheit. Der Begriff der nationalen Sicherheit wird aber eng gefasst: Erst im April entschied der EuGH zur Vorratsdatenspeicherung in Irland, dass schwere Straftaten wie Mord nicht darunter fallen.

Eine Speicherung der IP-Adressen ist dem Urteil zufolge möglich - allerdings nur zur Bekämpfung schwerer Verbrechen. Der EuGH schiebt der Vorratsdatenspeicherung also keinen endgültigen Riegel vor. (C-793/19 und C-794/19)

Wie nützlich ist die Vorratsdatenspeicherung überhaupt?

Befürworter hatten in den vergangenen Jahren vor allem mit dem Nutzen dieses Instruments für die Aufklärung von Fällen von sexuellem Kindesmissbrauch argumentiert. Denn oft ist die IP-Adresse des Täters, der solche Fotos oder Videos im Internet einstellt und mit anderen tauscht, der einzige Anhaltspunkt für die Ermittler.

Ein Großteil der Verfahren wegen sogenannter Kinderpornografie, mit denen sich die deutsche Polizei beschäftigt, wird durch Hinweise der gemeinnützigen Kinderschutzorganisation NCMEC ausgelöst. In drei von vier Fällen lässt sich bereits jetzt - ohne die anlasslose Vorratsdatenspeicherung - der Täter ermitteln. Schätzungen zufolge würde die Erfolgsquote auf mehr als 90 Prozent steigen, wenn man zusätzlich Zugriff auf automatisch gespeicherte Daten von Telekommunikationsunternehmen hätte.

Wie handhaben die anderen EU-Staaten die Vorratsdatenspeicherung?

Die Vorratsdatenspeicherung ist in ganz Europa ein heißes Eisen. Viele EU-Mitgliedstaaten wenden eine Form der Vorratsdatenspeicherung an oder arbeiten entsprechende Gesetze aus. Vor dem EuGH landeten in den vergangenen Jahren immer wieder Regelungen.

Zeitgleich mit dem deutschen Urteil kippte der EuGH am Dienstag eine Regelung aus Frankreich zur anlasslosen Vorratsdatenspeicherung zur Bekämpfung von Straftaten des Marktmissbrauchs. Im April entschied der EuGH, dass die irische Regelung rechtswidrig ist. Vor zwei Jahren wurde eine belgische Regelung als unvereinbar mit EU-Recht erklärt.

Was bedeutet das Urteil für Polizei und Staatsanwaltschaften?

Für sie ändert sich wohl zunächst erst einmal gar nichts. Denn die alte Regelung zur Vorratsdatenspeicherung war in Deutschland ja ohnehin ausgesetzt. Und ein neues Gesetz gibt es noch nicht.

Wird es jetzt in Deutschland bald ein neues Gesetz geben?

Zunächst geht die Sache an das Bundesverwaltungsgericht zurück, das im konkret vorliegenden Fall ein Urteil fällen und dabei nun die neue EuGH-Entscheidung berücksichtigen muss. Unmittelbar wirkt sich das Urteil also erstmal nur auf die Klage der Spacenet AG und der Telekom aus. Mittelfristig liegt der Ball aber beim Gesetzgeber.

Der Bundesgeschäftsführer des Deutschen Richterbundes, Sven Rebehn, sagte: "Verkehrsdaten sind in vielen Fällen ein wichtiger Ansatzpunkt für die Strafverfolger, um die Täter einer Straftat zu ermitteln." Daher sei die Bundesregierung jetzt gefordert, die Vorgaben des Gerichtshofs rasch in eine rechtssichere und praxistaugliche Neuregelung zu übertragen. "Es ist zu hoffen, dass es dabei in der Ampelkoalition nicht zu einem langwierigen politischen Streit kommt, der eine Neuregelung über Monate blockiert."

Wie lange es dauert, bis ein neues Gesetz kommt, ist offen. Zwar will Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) bald einen Entwurf vorlegen, der die Anwendung des von ihm favorisierten Quick-Freeze-Verfahrens auf richterliche Anordnung vorsieht. Dass dieser Entwurf Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) zufriedenstellen wird, ist aber eher unwahrscheinlich. Sie betont, dass sie - mit Blick auf terroristische Bedrohungen und die Bekämpfung von Kindesmissbrauch - Spielräume, die das Urteil aus Luxemburg eröffnet, auch nutzen will.

Wie sehen diese Spielräume konkret aus?

Das Urteil erlaubt für einen "auf das absolut Notwendige begrenzten Zeitraum eine allgemeine und unterschiedslose Vorratsspeicherung der IP-Adressen", die Rückschlüsse auf den Nutzer zulassen. Allerdings stehen FDP und Grüne sowie einige führende SPD-Politiker bisher auf dem Standpunkt, dass man über das, was im Koalitionsvertrag vereinbart ist, nicht hinausgehen will.

Dort heißt es, man wolle "die Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung so ausgestalten, dass Daten rechtssicher anlassbezogen und durch richterlichen Beschluss gespeichert werden können". Die Union fordert Faeser auf, die Spielräume, die das Urteil bei der Einführung einer Mindestspeicherung von Internet-Verbindungsdaten zur Bekämpfung schwerster Kriminalität für einen begrenzten Zeitraum bietet, auszuschöpfen.

Die Ministerin müsse sich gegenüber ihren Koalitionspartnern, "allen voran gegenüber der FDP und Justizminister Buschmann" durchsetzen, sagte der innenpolitische Sprecher der Fraktion, Alexander Throm (CDU).

Wie funktioniert Quick Freeze?

Bei diesem Verfahren werden Telekommunikationsanbieter verpflichtet, bei einem Anfangsverdacht Daten zu einzelnen Nutzern für einen bestimmten Zeitraum zu speichern. Anstatt mit dem Netz zu fischen, wird hier also quasi nur eine Angel ausgeworfen. Allerdings wird dadurch aus Sicht vieler Ermittler auch die Wahrscheinlichkeit, den Täter noch zu finden, geringer.

Immerhin einen Vorteil hätte Quick Freeze für die Ermittler: Wenn ein Richter das "Einfrieren" der Daten zu einem bestimmten Verdachtsfall angeordnet hat, stünde dazu dann nicht nur die IP-Adresse zur Verfügung, sondern auch Verbindungs- und Standortdaten.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa-afx
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