Darum kann uns Kälte krank machen
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Warum werden im Winter mehr Menschen krank? Eine neue Studie liefert nun Hinweise, wie Kälte und ein geschwächtes Immunsystem zusammenhängen.
Erkältungen und grippale Infekte kommen in der kalten Jahreszeit deutlich häufiger vor als im Frühjahr oder Sommer. Dass die Häufigkeit von Atemwegserkrankungen saisonalen Schwankungen unterliegt, ist bekannt – die zugrunde liegenden Mechanismen sind es jedoch weniger.
Dass Kälte die Entstehung von Erkältungen begünstigen kann, war bisher eine umstrittene Theorie in der Wissenschaft. Nun liefert eine aktuelle Studie aus den USA neue Hinweise, die diese Annahme unterstützen.
Erster Kontakt über Nasenschleimhaut
Hinter dem Oberbegriff Erkältung verbirgt sich meist eine durch Viren ausgelöste Infektion der Atemwege. Bis zu 200 verschiedene Viren können eine Erkältung verursachen. Übertragen werden die Viren durch Tröpfcheninfektion – das heißt durch Niesen und Husten – oder über engen Kontakt mit Infizierten.
Die Nase ist dabei neben dem Mund die erste Eintrittspforte für Viren und Bakterien. Werden die Krankheitserreger eingeatmet oder gelangen direkt – etwa über die Hände – in die Nase, können sie sich dort an der Schleimhaut festsetzen. Zum Schutz haben sich daher eine Reihe von Abwehrmechanismen in der Nasenschleimhaut entwickelt.
In der in dem Fachblatt "Journal of Allergy and Clinical Immunology" erschienenen neuen Studie der Harvard Medical School in Boston wurde daher untersucht, wie die Immunabwehr der Nasenschleimhaut durch Kälte beeinflusst wird. Die Wissenschaftler legten ihr Augenmerk auf die sogenannten extrazellulären Vesikeln (EVs) – einen Teil des lokalen Immunsystems, der für die Abwehr von Bakterien und Viren an der Nasenschleimhaut zuständig ist.
Extrazelluläre Vesikel (EVs)
EVs sind kleine, von Zellen gebildete Bläschen aus Membran, die sie an ihre Umgebung abgeben. Sie kommen praktisch in allen Körperflüssigkeiten vor und ermöglichen den Informationsaustausch von Zelle zu Zelle. EVs können dabei Bestandteile von Erbinformationen, Proteine oder antibakterielle und antivirale Bestandteile enthalten.
Viren lösen massive Vesikelausschüttung aus
Die Annahme der Wissenschaftler war, dass Kälte den Prozess der Vesikelbildung behindert. Um das herauszufinden, analysierten sie zunächst, wie sich die Temperatur in der Nase bei Kälte verändert. Das Ergebnis: Bei winterlichen Temperaturen von etwa 4 °C sinkt die Temperatur in der Nase innerhalb von 15 Minuten auf 32 °C ab.
Anschließend untersuchten die Forscher, wie Zellen der menschlichen Nasenschleimhaut auf drei verschiedene virale Infektionen reagierten: ein Erkältungen auslösendes Coronavirus und zwei verschiedene Rhinoviren. Dabei analysierten sie die Vesikelbildung bei der reduzierten Temperatur von 32 °C und bei einer normalen Körpertemperatur von 37 °C.
Das Ergebnis bestätigte: Unter normalen Bedingungen löst ein Befall mit Krankheitserregern die Bildung einer Vielzahl der extrazellulären Vesikeln in der Nasenschleimhaut aus. Die Vesikel binden an die Viren, töten sie ab und verhindern so den direkten Kontakt mit der Nasenschleimhaut.
Kälte beeinträchtigt lokale Immunabwehr
Bei Kälte nahm die Menge der EVs allerdings um fast 42 Prozent ab, und auch die antiviralen Abwehrmechanismen der EVs waren beeinträchtigt. Das Immunsystem reagierte dadurch schwächer auf virale Infektionen. Denn: Je mehr EVs gebildet werden, desto niedriger ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Viren an die Nasenschleimhaut binden können.
Die nasalen EVs können respiratorische Virusinfektionen somit effektiv unterdrücken, werden aber durch Kältereize beeinträchtigt. Die Studienautoren betrachten es darum als notwendig, weiter zu untersuchen, wie die Abwehrmechanismen in der Nase bei niedrigen Temperaturen unterstützt werden könnten.
- gesundheit.gv.at: "Grippaler Infekt (Erkältung)". (Stand: Oktober 2021)
- flexikon.doccheck.com: "Extrazelluläres Vesikel". (Stand: März 2022)
- jacionline.org: "Cold exposure impairs extracellular vesicle swarm–mediated nasal antiviral immunity". (Stand: Dezember 2022; englisch)