Was hinter der Angst vor Kontrollverlust steckt
FΓΌr diesen Beitrag haben wir alle relevanten Fakten sorgfΓ€ltig recherchiert. Eine Beeinflussung durch Dritte findet nicht statt.

Die meisten Menschen streben nach Sicherheit. Sie gibt ihnen das GefΓΌhl, Kontrolle ΓΌber ihr Leben zu haben, Entscheidungen selbstbestimmt zu treffen und Dinge zu planen. Kommt es zu einem Kontrollverlust, besteht die Gefahr, die innere Orientierung zu verlieren.
Wenn die HandlungsfΓ€higkeit entgleitet, findet eine extreme Form des Kontrollverlustes statt. So kΓΆnnen unter anderem psychischen StΓΆrungen entstehen. Es gibt sogar Menschen, die mit der stΓ€ndigen Angst vor Kontrollverlust leben und dadurch stark in ihrer LebensqualitΓ€t eingeschrΓ€nkt sind. Was dahinter steckt und was dabei hilft, die innere Sicherheit zu behalten.
Angst vor Kontrollverlust: Folge unsicherer Zeiten
Der Wunsch nach Sicherheit, Planung und Mitbestimmung ist Bestandteil eines jeden Lebens. Die Angst, die Kontrolle ΓΌber das eigene Leben, den KΓΆrper oder die seelische Gesundheit zu verlieren, nimmt dann zu, wenn das als sicher empfundene Weltbild Risse bekommt.
Viele Menschen haben im Rahmen der Corona-Pandemie erlebt, was es heiΓt, Kontrollverlust zu erleben. Auch mit Blick auf den Krieg in der Ukraine wird deutlich, welche AusmaΓe von Kontrollverlust die Menschen dort erleben mΓΌssen. KΓΆrperliche Erkrankungen, plΓΆtzliche Verluste und UnfΓ€lle fΓΆrdern die Angst vor Kontrollverlust ebenfalls.
Warum ist Kontrollverlust so einschneidend?
Eines der GrundbedΓΌrfnisse nach dem Psychotherapieforscher Klaus Grawe ist das BedΓΌrfnis nach Kontrolle und Orientierung. Wird dieses BedΓΌrfnis ΓΌber einen lΓ€ngeren Zeitraum nicht bedient, fΓΌhlen wir uns hilflos und ausgeliefert, in einer Situation gefangen und abhΓ€ngig von Γ€uΓeren Faktoren. Man gerΓ€t von der aktiven HandlungsfΓ€higkeit in die PassivitΓ€t.
Kontrollverlust bedeutet dabei in einer bestimmten Situation das GefΓΌhl zu haben, nichts beeinflussen zu kΓΆnnen, ausgeliefert zu sein und keinen Handlungsspielraum mehr zu haben. Dinge geschehen ohne das eigene Zutun und sind nicht mehr beeinflussbar oder lenkbar. In einer solchen Situation werden Hilflosigkeit und Schutzlosigkeit empfunden. Es geht an die kΓΆrperliche oder seelische Existenz. Eine absolute Bedrohungssituation, die mit einem HΓΆchstmaΓ an Angst und Γberforderung verbunden sein kann.

Dr. Andreas Hagemann ist Psychiater und Γrztlicher Direktor der auf Psychosomatik spezialisierten RΓΆher Parkklinik in Eschweiler bei Aachen.
Trauma: Folge von lebensbedrohlichen Ereignissen
"Tritt der Kontrollverlust plΓΆtzlich ein, wird er als lebensbedrohlich empfunden und kann er nicht angemessen verarbeitet werden, wie das im Rahmen von UnfΓ€llen, Naturkatastrophen, Kriegen oder kΓΆrperlichen Gewalterfahrungen und Missbrauch geschehen kann, kann sich ein Trauma ausbilden", weiΓ Dr. Andreas Hagemann, Γrztlicher Direktor der auf Psychosomatik spezialisierten RΓΆher Parkklinik in Eschweiler bei Aachen.
Diese tiefe seelische Verletzung kΓΆnne sich so stark festsetzen, dass eine posttraumatische BelastungsstΓΆrung entsteht, in der das Erlebte in Erinnerungen immer wieder durchlebt wird. "Betroffene befinden sich in stΓ€ndiger Angst und Alarmbereitschaft, zeigen Vermeidungsverhalten und empfinden starke negative GefΓΌhle", sagt Hagemann.
Angst vor Kontrollverlust: Wann wird es kritisch?
Es gibt Menschen, die stΓ€ndig von der Angst begleitet sind, dass solche unkontrollierbaren Ereignisse wie Krankheit, Trennung, Arbeitslosigkeit oder Tod in ihr Leben treten. "Diese Angst vor Kontrollverlust und Hilflosigkeit wird oft so stark, dass sie in dem Versuch mΓΌndet, mΓΆglichst viel Kontrolle und Sicherheit zu erlangen", sagt Hagemann.
"Dieses krampfhafte, als existenziell notwendig erlebte Streben, kann sich zu AngststΓΆrungen, Panikattacken, ZwangsstΓΆrungen, Depression, Phobien und EssstΓΆrungen auswachsen, etwa einer Magersucht, in welcher Betroffene eine enorme Kontrolle ΓΌber den eigenen KΓΆrper ausΓΌben."
Wie mit der Angst vor Kontrollverlust umgehen?
Gerade in Zeiten, in denen es so viele einschneidende VerΓ€nderungen auf der Welt gibt, ist es nicht ungewΓΆhnlich, dass Γngste entstehen. Oft hilft es, sich mit anderen Menschen dazu auszutauschen, ΓΌber Γngste und Sorgen zu sprechen und Wege zu suchen, wie man anderen helfen und sich selbst schΓΌtzen kann. Wer merkt, dass sein Alltag immer stΓ€rker von Γngsten und dem Wunsch nach Kontrolle bestimmt und die LebensqualitΓ€t zunehmend eingeschrΓ€nkt ist, sollte sich nicht scheuen, Hilfe anzunehmen.
"Es ist schwer zu erkennen, wo die Angst aufhΓΆrt und wo eine Angsterkrankung anfΓ€ngt. Generell gilt: Suchen Sie bei lΓ€nger anhaltenden belastenden Symptomen mΓΆglichst frΓΌh therapeutische Hilfe β bevor sich die Angst vor Kontrollverlust zu einer Angsterkrankung oder die Verstimmung zu einer Depression entwickelt", rΓ€t der Facharzt fΓΌr Psychiatrie.
"Wird irgendwann alles zu viel, sucht sich dieses Zuviel ein Ventil. Vieles ist dann nicht mehr rational gesteuert und gerΓ€t auΓer Kontrolle. Hier braucht es professionelle Begleitung, um die Γngste zu behandeln, eine andere Perspektive zu erarbeiten und den Weg raus aus der Angstspirale 'Was noch passieren kΓΆnnte' zu finden. Ziel ist, das GefΓΌhl von HandlungsfΓ€higkeit und Selbstbestimmung zu stΓ€rken."
- Die Informationen ersetzen keine Γ€rztliche Beratung und dΓΌrfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
- BroschΓΌre βGeneralisierte AngststΓΆrungβ. Online-Angebot des Instituts fΓΌr QualitΓ€t und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG): www.gesundheitsinformation.de. (Stand: 17. Januar 2020)
- Posttraumatische BelastungsstΓΆrung. Online-Information des Instituts fΓΌr QualitΓ€t und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG): www.gesundheitsinformation.de. (Stand: 9. September 2018)
- Mit Angst umgehen. Online-Information des Bundesministeriums fΓΌr Gesundheit: www.gesund.bund.de. (Stand: 29. Juni 2021)
- Welche UnterstΓΌtzung ist unmittelbar nach einem Trauma sinnvoll? Online-Information des Instituts fΓΌr QualitΓ€t und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG): www.gesundheitsinformation.de. (Stand: 19. September 2018)
- Stress. Online-Information des Berufsverbands Deutscher Internisten e. V. (BDI). (Stand: Aufgerufen am 4. Mai 2022)
- Krankmacher Stress - Alarmsignale rechtzeitig erkennen. Online-Information der BerufsverbΓ€nde und Fachgesellschaften fΓΌr Psychiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik, Nervenheilkunde und Neurologie aus Deutschland und der Schweiz. (Stand: 10. April 2019)