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Lebensmittel-Preise: Geht uns bald das Obst und Gemüse aus?


Handelsexperte im Interview
Geht uns bald das Obst aus?

  • Dorothea Meadows
InterviewVon Dorothea Meadows

Aktualisiert am 09.07.2023Lesedauer: 4 Min.
Interview
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Ein leeres Obst- und Gemüseregal in einem Supermarkt (Symbolfoto): Müssen wir uns um unsere Versorgung mit Früchten sorgen? (Quelle: IMAGO/mix1)

Immer öfter kommt es dazu, dass bestimmte Lebensmittel wegen Ernteausfällen nicht erhältlich sind. Was auf Verbraucher zukommt, erklärt DFHV-Chef Andreas Brügger im Interview.

Im Winter gab es in britischen Supermärkten fast kein Obst und Gemüse zu kaufen. In Berlin ist einer Drogeriekette gerade ein Tomatenprodukt komplett ausgegangen – "aufgrund starker Trockenheit im Ursprungsland", wie es auf dem entsprechenden Schild für Kunden heißt. Was der Klimawandel und die damit verbundenen Ernteausfälle in der Zukunft für Handel und Verbraucher bedeuten, erläutert Andreas Brügger, Geschäftsführer des Deutschen Fruchthandelsverbandes DFHV. Im Interview mit t-online zeichnet der Experte ein düsteres Bild.

t-online: Herr Brügger, drohen im Zuge von Dürre und anderen Wetterextremen künftig vermehrt Lebensmittelknappheiten?

Andreas Brügger: Das lässt sich ganz klar mit Ja beantworten. Auch wenn wir in Deutschland bislang ein sehr reichhaltiges Angebot an frischem Obst und Gemüse zu günstigsten Preisen haben – die Gefahr von Knappheiten besteht. Und wir haben den Eindruck, dass sie tatsächlich zunimmt.

Hängt das auch damit zusammen, dass viel frische Ware importiert werden muss?

In Deutschland haben wir nur einen sehr geringen Selbstversorgungsgrad. Bei Gemüse liegt er bei knapp 40 Prozent, bei Obst noch viel niedriger, etwa bei 20 Prozent. Wir sind also bei Frischware massiv auf Einfuhren aus anderen Ländern angewiesen, einerseits aus südlichen EU-Ländern und anderseits aus Drittländern. Der Beschaffungsmarkt für unsere Frischeprodukte umfasst also die ganze Welt, und die Preise werden praktisch auch auf dem Weltmarkt gebildet.

Knappheiten drohen, wenn das Angebot deutlich niedriger ist als die Nachfrage. Das hört sich im ersten Moment ein wenig banal an, führt uns aber besser zu den Ursachen. Dürren und extreme Wetterereignisse sind sehr häufig die Auslöser für Knappheiten. Sie konnten aber bisher recht gut ausgeglichen werden, indem man dieselbe Ware aus anderen Regionen beschafft. Wir sehen allerdings, dass die klimabedingten Extrema weltweit zunehmen und damit die Gefahr der Knappheiten wächst.

Was kann neben schlechten Ernten noch zu Knappheiten und Preiserhöhungen führen?

Schlechte Ernten – zum Beispiel aufgrund von Dürren – gab es immer und überall auf der ganzen Welt. Manchmal ist nur ein Betrieb betroffen, manchmal eine Region oder gar ein ganzes Land. Wir haben aber aktuell die Situation, dass weltweit die Produktionskosten erheblich angestiegen sind, je nach Land oder Kontinent aus ganz unterschiedlichen Gründen.

Welche Gründe sind das?

In einigen Ländern fehlt Dünger, in anderen Ländern Wasser. Häufig sind die Kosten für Betriebsmittel, Transporte und Pflanzenschutz enorm gestiegen. Die Kosten für Zertifizierung und Qualitätssiegel sind überall nach oben gegangen. In Deutschland fürchten die Bauern, dass sie sich die Saisonarbeitskräfte nicht mehr leisten können wegen des ständig steigenden Mindestlohnes. Aber in allen Ländern beklagen die Produzenten, dass die Preise am Handelsplatz kaum gestiegen sind, auf jeden Fall nicht in dem Maße wie die Kosten.

Dr. Andreas Brügger
Dr. Andreas Brügger (Quelle: DFHV)

Andreas Brügger ist Geschäftsführer des Deutschen Fruchthandelsverbandes DFHV. Der Verband vertritt als nationale Spitzenorganisation der Branche die Interessen von Unternehmen aus allen Handelsbereichen des Obst- und Gemüsesektors. Der DFHV repräsentiert die Unternehmen der Direktvermarktung, des Imports und Exports, des Großhandels sowie des Einzelhandels.

Dies führt zu der naheliegenden Konsequenz, dass weltweit die Gefahr von Insolvenzen und Betriebsaufgaben steigt, was neben den extremen Wetterereignissen ein gewichtiges Risiko für Knappheiten darstellt.

Welche Produkte sind betroffen?

Die Risikoeinschätzungen für Hunderte von Produkten und die Vielzahl der Lieferregionen können immer nur ganz aktuell und individuell getroffen werden. Aber grundsätzlich kann man sagen, dass alle Obst- und Gemüsearten betroffen sein können.

Wie wird das bei uns, beim Verbraucher, zu spüren sein?

Das lässt sich sehr leicht beantworten, denn bei Frischware reagiert der Markt sofort. Wenn das Angebot zurückgeht, steigen die Preise.

Haben Sie ein Beispiel für uns?

Im Vereinigten Königreich hatten wir im Februar die Situation, dass der Lebensmitteleinzelhandel die Obst- und Gemüseregale leer ließ, weil man den Kunden die hohen Preise nicht zumuten wollte. An der Stelle konnte man gut sehen, wie weit sich ein Großteil der Verbraucher offenbar schon von der Lebenswirklichkeit entfernt hat.

Worauf müssen wir Verbraucher in Deutschland uns im Zuge des Klimawandels vorbereiten?

Ich fürchte, dass es in Zukunft vielleicht immer öfter Obst oder Gemüse nicht so problemlos wie sonst zu kaufen gibt – und dass sich beides stark verteuern wird. Der Klimawandel und Wetterextreme sind ein Grund dafür, aber nicht der alleinige.

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Was kommt noch hinzu?

Gerade im Namen der deutschen Verbraucher wurden von NGOs in den letzten Jahren immer mehr "freiwillige" Gütesiegel und Zertifizierungen verlangt. Für eine gute Agrarproduktion, für gute Handelsstandards, für den CO2-Fußabdruck, für Sozialstandards, für den Schutz des Regenwalds und vieles, vieles mehr. Und dann noch ein völlig ungeeignetes Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz.

Wie kann man dann aber von den Produzenten erwarten, dass man weiterhin immer so problemlos und so günstig die Ware bekommt?

Was ist mit der Umstellung auf Bioproduktion?

Die Auswirkungen des Klimawandels werden zwar beklagt, aber es werden seitens der Politik kaum Maßnahmen ergriffen, die auf die unmittelbaren Folgen des Klimawandels abzielen. Eine Umstellung auf Bioproduktion hört sich zwar gut an, erhöht aber das Risiko von Ernteausfällen und verringert dann sicher das Warenangebot aufgrund der niedrigeren Hektarerträge.

Herr Brügger, wir danken Ihnen für das Gespräch!

Verwendete Quellen
  • Interview mit Andreas Brügger
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