Wenn Sekt neue Geschichten erzÀhlt
Mainz (dpa) - Zum Ende des Corona-Jahres 2020 kommt Sekt in den KĂŒhlschrank. Schon in den vergangenen Jahren verkauften die groĂen SekthĂ€user ein FĂŒnftel ihrer Jahresproduktion im Dezember. Mit der SchlieĂung der Restaurants knallen jetzt umso mehr die Korken in den eigenen vier WĂ€nden, hoffen die groĂen Sekthersteller.
Beim prickelnden GenieĂen sind zwei Trends erkennbar, die sich wechselseitig verstĂ€rken: Es werden mehr SpezialitĂ€ten gewĂŒnscht. Und Verbraucher wollen die Geschichten hinter dem Sekt, Prosecco oder Champagner erfahren.
Mehr Interesse bei jĂŒngeren Verbrauchern
"Es werden so viele Menschen wie noch nie in Deutschland zu Hause bleiben, im kleinen Kreis feiern", sagt der Vorsitzende der GeschĂ€ftsfĂŒhrung von RotkĂ€ppchen-Mumm, Christof Queisser. Nach einem coronabedingt schwierigen Jahr mit SchlieĂungen in der Gastronomie erwartet das Unternehmen jetzt gute UmsĂ€tze an Weihnachten und Silvester.
Ganz Ă€hnlich klingt das beim Konkurrenten Henkell-Freixenet. "Am Ende des Corona-Jahres wĂ€chst das BedĂŒrfnis, den Genuss zu erleben, den wir zur Zeit leider in der Gastronomie nicht mehr erleben können", sagt der Sprecher der Henkell-GeschĂ€ftsfĂŒhrung, Andreas Brokemper, der Deutschen Presse-Agentur. "Da investiert der Verbraucher auch fĂŒr zuhause mehr in QualitĂ€t, als er es vielleicht bislang getan hat."
Momentan sei als deutlicher Trend erkennbar, sagt Brokemper, dass die Verbraucher verstĂ€rkt an Schauwein-SpezialitĂ€ten interessiert seien. "Wir sehen auch die Tendenz, dass sich jĂŒngere Verbraucher mehr als frĂŒher fĂŒr die Geschichten hinter dem Sekt interessieren."
Grundwein entscheidend ĂŒber die QualitĂ€t
Das fĂ€ngt schon bei den Angeboten am unteren Ende der weit gefassten Preisskala an. Deutscher Sekt ist aus Weinen hergestellt, der aus Trauben der deutschen Anbaugebiete stammt. Hingegen enthĂ€lt "Sekt hergestellt in Deutschland" meist Grundweine aus anderen LĂ€ndern. DafĂŒr verwenden die SekthĂ€user oft Weine aus Frankreich, Italien und Spanien. "Bei der Marke Henkell ist es eine CuvĂ©e aus vier Weinen inklusive Chardonnay", verrĂ€t Brokemper. Jede Marke habe ihre eigene CuvĂ©e.
Die groĂe Mehrheit des in Deutschland verkauften Sekts kommt aus Stahltanks mit einem Fassungsvermögen von mehreren tausend Litern. Wenn die zweite VergĂ€rung des Weins in solchen FĂ€ssern stattfindet, kann Schaumwein weitaus kostengĂŒnstiger hergestellt werden als im Verfahren der traditionellen FlaschengĂ€rung wie beim Champagner, beim spanischen Cava oder auch anspruchsvollen deutschen Winzersekten wie dem rheinhessischen Sekthaus Raumland oder Griesel von der Hessischen BergstraĂe. Schon seine einfachsten Sekte lĂ€sst Raumland mindestens vier Jahre auf der Hefe reifen, statt der bei Mindestzeit von neun Monaten bei FlaschengĂ€rung. Bei Spitzensekten sind es mehr als zehn Jahre.
"Am Ende entscheidet sich die QualitĂ€t eines Sektes ĂŒber den Grundwein mit seinen regionalen Besonderheiten, erst an zweiter Stelle ĂŒber die Herstellungsmethode", sagt der Henkell-Chef. Von besonderer Bedeutung sei daher das VerhĂ€ltnis zu den regionalen Winzer-Kellereien. "Das Wissen, Weine so zu wĂ€hlen und auszubauen, dass am Ende ein perfekter Schaumwein daraus wird, flieĂt in jedes Produkt ein - in den Vier-Euro-Sekt ebenso wie beim Champagner fĂŒr einen vielfachen Preis."
Deutscher Schaumwein konstant gefragt
Der Unterschied lĂ€sst sich durchaus schmecken. Beim Sekt aus StahltankgĂ€rung, wie auch beim Prosecco, gehe es vor allem darum, dass sich die fruchtigen PrimĂ€raromen der Traube optimal entfalten könnten, erklĂ€rt Henkell-Manager Brokemper. Bei Schaumwein aus FlaschengĂ€rung kommen SekundĂ€raromen dazu, die sich vor allem aus langen Feinhefelagerung ergeben. Zu diesen SekundĂ€raromen zĂ€hlen die fĂŒr den Champagner typischen Nuss- und Brioche-Aromen. "Daher ist ein Prosecco auch nicht einfach nur die gĂŒnstige Alternative zum Champagner", sagt Brokemper. "Es ist vielmehr ein ganz anderer Schaumwein, leicht und frisch." Die Schaumwein-Kellermeister setzen fĂŒr Prosecco auch andere Hefen ein als fĂŒr die FlaschengĂ€rung.
Pro Kopf der Bevölkerung wurden in Deutschland nach Angaben des Deutschen Weininstituts im vergangenen Jahr etwa 3,4 Liter Schaumwein getrunken, ebenso viel wie 2018. Das ist ein internationaler Spitzenwert, allerdings waren es 2012 noch 4,2 Liter. Die Importmenge von Champagner wie von anderen auslĂ€ndischen Schaumweinen ging im vergangenen Jahr um rund sieben Prozent zurĂŒck - was bedeutet, dass vermehrt Sekt aus deutscher Produktion getrunken wird.
Die Sekttradition in Deutschland hat sich im 19. Jahrhundert sehr am Champagner orientiert. Mit den drei Rebsorten Chardonnay, Pinot Noir (SpÀtburgunder) und Pinot Meunier (Schwarzriesling) sowie den von Kalk geprÀgten Böden hat Champagner einen eigenen Charakter.
Kreative Vielfalt im europÀischen Vergleich
Nach dem Zusammenschluss mit Freixenet ist die Henkell-Gruppe auch in die die Produktion von Cava eingestiegen und damit nach eigenen Angaben zum weltweit fĂŒhrenden Hersteller von flaschenvergorenem Sekt geworden. "Von unserer gesamten Schaumweinproduktion von rund 250 Millionen Flaschen im Jahr entfallen nahezu 100 Millionen auf Cava", sagt Brokemper. Hinzu kommen flaschenvergorene Sekte von Marken wie FĂŒrst von Metternich und Menger-Krug.
Beim deutschen MarktfĂŒhrer RotkĂ€ppchen-Mumm wurden zuletzt 193 Millionen Flaschen Schaumwein produziert. Darunter rund 7 Millionen in FlaschengĂ€rung - sowohl bei RotkĂ€ppchen in Freyburg an der Unstrut als auch bei Geldermann im badischen Breisach.
Der kreativen Vielfalt der Schaumwein-Macher sind kaum Grenzen gesetzt. In der Sektmanufaktur von Menger-Krug werde auch experimentiert, sagt Brokemper und nennt als Beispiel eine ungewöhnliche CuvĂ©e von Riesling und Chardonnay mit mehr als vier Jahren auf dem Hefelager. "Es ist diese besondere Vielfalt, die deutschen Sekt auszeichnet", sagt Brokemper. "Da mĂŒssen wir uns gegenĂŒber Frankreich, Spanien und Italien ĂŒberhaupt nicht verstecken."
Verband der PrĂ€dikatsweingĂŒter mit neuem Sektsiegel
Nach zwei Jahren Vorbereitung hat der Verband Deutscher PrĂ€dikatsweingĂŒter (VDP) ein Sektstatut beschlossen. Darin werde "der hohe QualitĂ€tsanspruch, den der Verband an seine Weine anlegt, auch auf die Herstellung von Schaumwein" ĂŒbertragen.
Nur Sekte, die den strengen QualitĂ€tskriterien gerecht wĂŒrden, könnten mit demVDP.Sektsiegelausgezeichnet werden, teilte der Verband mit. Zu den Anforderungen gehört die Herstellung in traditioneller FlaschengĂ€rung. Jahrgangssekte mĂŒssen mindestens 24 Monate oder - fĂŒr ein besonderes Sekt-Prestige-Siegel mindestens 36 Monate auf der Hefe liegen. Die Erzeugung der Sekt-Grundweine unterliegt den Erzeugungsrichtlinien des Verbands. Sekt mit dem neuen Statut darf nur aus gutseigenen Weinbergen stammen, die Trauben mĂŒssen von Hand gelesen werden. Die Rebsorten sind je nach Region unterschiedlich, vor allem Riesling und Burgundersorten. Neu geschulte SektprĂŒfer und SektprĂŒferinnen haben in den vergangenen Monaten die ersten Sekte mit dem neuen Siegel verkostet. Bei der VDP-Weinbörse 2021 in Mainz sollen diese Schaumweine prĂ€sentiert werden.
Mit dem neuen Siegel werde "eine QualitĂ€tsoffensive fĂŒr deutschen Sekt" gestartet, erklĂ€rte VDP-PrĂ€sident Steffen Christmann. "Uns geht es darum, mit dem Sektsiegel Leuchtturmsekte auszuzeichnen, die zu den groĂen Schaumweinen der Welt zĂ€hlen."