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Internationale Pressestimmen zur Wahl in Russland


Presse zur Wahl in Russland
"Mit Demokratie hat diese Showveranstaltung nichts zu tun"

Von dpa, rok

Aktualisiert am 19.03.2018Lesedauer: 5 Min.
Wladimir Putin bei einer Rede in Moskau am Tag der Wahl: Sein klarer Sieg wird in der internationalen Presse überwiegend kritisch kommentiert.Vergrößern des BildesWladimir Putin bei einer Rede in Moskau am Tag der Wahl: Sein klarer Sieg wird in der internationalen Presse überwiegend kritisch kommentiert. (Quelle: reuters)
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Die Russlandwahl ist vorbei: Putin siegt wie erwartet, aber mit überraschend hohem Ergebnis. Die internationale Presse macht sich Sorgen über den Zustand der Demokratie in Russland.

Der Berliner "Tagesspiegel" schreibt zum Putin-Sieg: "Nach dieser Wahl, die keine war, sollten die Europäer einen neuen Ansatz für ihren künftigen Umgang mit Putins Regime finden. Ein Boykott der Fußball-WM wäre reine Symbolpolitik. Viel wichtiger ist es, die korrupten Strukturen rund um die Vergabe der WM weiter aufzudecken, und nicht nur dort. Die Kreml-Elite hat im Westen ein Milliardenvermögen in Sicherheit gebracht. Gezielte Finanzsanktionen gegen zentrale Figuren des Regimes sind ebenso denkbar wie gesetzliche Regelungen, die die wahren Besitzer von Immobilien und Briefkastenfirmen besser offenlegen. Das würde auch eine wichtige Botschaft an die Menschen in Russland senden: Die Sanktionen richten sich nicht gegen sie und ihr Land, sondern gegen eine korrupte Machtelite."

"Der Zar ließ wählen"

Für "Die Welt" zeigt die Wahl in Russland, dass es dort nur eine "Halbdemokratie" gibt: "Das Volk hat seine Schuldigkeit getan. Der Zar ließ wählen, und die Wähler machen mit und schenken ihm wie gewünscht mit über 70 Prozent der Stimmen eine weitere Amtszeit. Alternativen waren seitens der Macht nicht vorgesehen. Überredung war mehr im Spiel als Zwang. Putins Russland ist nicht die Sowjetunion Stalins, aber Wladimir Putin, der nun schon fast zwei Jahrzehnte die Macht hat, ist nun wirklich nicht der "lupenreine Demokrat", den manche in dem Kreml-Herrn entdecken wollten. Der Halbdiktatur entspricht die Halbdemokratie. Wenn Imitation die höchste Form der Schmeichelei ist, so verraten die sorgfältig orchestrierten Rituale der Wahlen in Russland ein Streben nach Legitimität, wie sie auf andere Weise nicht zu beweisen ist."

"Mit Demokratie hat diese Showveranstaltung nichts zu tun"

Auch der "Südkurier" aus Konstanz sorgt sich um die Demokratie in Russland: "Grotesker als dieses Spektakel kann eine Wahl kaum sein. Wladimir Putin lässt seine Landsleute abstimmen, das Ergebnis fällt aus wie erwartet: Der Kreml-Chef geht mit einer klaren Mehrheit in seine nächste Amtszeit. Mit Demokratie hat diese Showveranstaltung nichts zu tun. Sie dient nur dazu, den Präsidenten zu legitimieren. Gegner, die dem Machthaber tatsächlich gefährlich werden könnten, sind schon lange aus dem Weg geräumt. Wer es auf den Stimmzettel schafft, ist nur dazu da, die Illusion einer freien Wahl zu gewährleisten. Der Wahlgang ähnelt somit einem Muster, das Putins gesamte Politik durchzieht. Einerlei, ob der Präsident die Krim annektiert, ob er in Syrien einmarschiert oder ob er sein Volk an die Wahlurne ruft: Stets zeigt sich, dass Russland von einem ehemaligen Geheimdienstler geführt wird, der sich aufs Tarnen und Täuschen versteht. Das macht es schwer, ihm Grenzen aufzuzeigen. Europa wird weitere sechs Jahre mit Putin leben müssen – mindestens."

"Rechtssicherheit ist in Russland ein Fremdwort"

"t-online.de" ordnet Putins Erfolg folgendermaßen ein: "Machterwerb und die Herstellung von Ordnung sind die Säulen von Putins Politik – nach außen wie nach innen. Bei der jetzigen Wahl hatten Putins Gegenkandidaten, wie der unermüdliche Liberale Grigori Jawlinski von der Jabloko-Partei oder die junge Journalistin Xenija Sobtschak, von Anfang an keine Chance gegen den zunehmend autoritär auftretenden Putin. Der Kreml beherrscht den Großteil der Medien, mit dem Rechtsanwalt und Blogger Alexei Nawalny hatte der aussichtsreichste potenzielle Gegenkandidat aufgrund einer umstrittenen Verurteilung erst gar nicht antreten dürfen. Rechtssicherheit ist in Russland also ein Fremdwort, politische Kritik wird besser nur am heimischen Küchentisch geäußert, wenn man es nicht mit den Behörden zu tun bekommen will. Die Staatsquote in Russland wächst immer stärker, während es der Wirtschaft schlechter geht und sich das Land in militärische Konflikte verstrickt. Von Gerhard Schröders einstigem "lupenreinen Demokraten" Putin ist also nichts übrig geblieben, wenn es ihn überhaupt jemals gegeben hat."

"Menschen sind in Feierstimmung in die Wahllokale gekommen"

Zur Wahlbeteiligung in Russland bei der Präsidentenwahl schreibt die russische Tageszeitung "Nesawissimaja Gaseta": "Der Kreml hat auf die dramatische Bedrohung von außen gesetzt. Ganz in alter Tradition haben die Russen dann den Wunsch, sich gemeinsam gegen diese zu vereinen. So konnte der Kreml sogar Alexei Nawalnys Boykottaufruf abwehren. Die Staatsführung hat eine Nische entdeckt: Er (Nawalny) wurde so gezwungen, die Rolle des Feindes zu übernehmen. Diese Stimmung hinterließ einen guten und kämpferischen Eindruck bei den Wählern. Die Menschen sind in Feierstimmung und sogar mit ihren Kinder in die Wahllokale gekommen – ganz wie in sowjetischen Zeiten. In manchen Regionen gab es sogar Warteschlangen in den Wahllokalen."

"Mit Milde im Kreml ist nicht zu rechnen"

Die "Neue Zürcher Zeitung" kommentiert Putins Erfolg: "'Wir sind wieder wer, man fürchtet uns' – dieses Gefühl hatte Putin sehr zielführend mit seiner Waffenschau in der Rede zur Nation vor zwei Wochen unterstützt; es nährt den Stolz der Bürger. Die Medien tun so, als stehe der Westen kurz vor kriegerischen Handlungen gegenüber Russland. Die Auswirkungen des Giftanschlags auf den früheren Doppelagenten Sergei Skripal in Großbritannien bestärkten das Publikum in diesem Gefühl. Der herausragende Sieg, zu dem es angesichts der bewusst marginalisierten demokratischen Opposition auch keine Manipulationen gebraucht hätte, dürfte es den wenigen Andersdenkenden noch schwerer machen. Zugleich zeigt er umso deutlicher das Fehlen einer Alternative zu Putin auf. Lässt dieser nicht die Verfassung ändern, tritt er im Mai seine vorerst letzte Amtszeit an. Nach außen und innen ist angesichts dessen gewiss nicht mit mehr Milde im Kreml zu rechnen."

"Putins Regime ist immer autoritärer geworden"

Zu Putins Wiederwahl meint die niederländische Zeitung "de Volkskrant": "Putins Regime ist allmählich immer autoritärer geworden. Mit wenigen Ausnahmen verströmen die Medien eine Atmosphäre wie in der Sowjetunion. Kein Wort über Korruption an der Spitze: Etliche Verwandte und Jugendfreunde Putins sind steinreich geworden. Menschenrechtsaktivisten und politische Gegner werden auf verschiedenste Art und Weise behindert, manchmal sogar aus dem Weg geräumt. Das ist ein politisches Konzept, das sich auf Dauer als unhaltbar erweisen dürfte. Genau wie die Kluft zwischen der Wirklichkeit und der Propaganda dem Sowjetsystem letztendlich zum Verhängnis wurde."

"Putin wiederholt Kardinalfehler der Sowjetunion"

Der Londoner "Independent" warnt: "Putin wiederholt einen der Kardinalfehler, die zum Zusammenbruch der Sowjetunion geführt haben – hohe Militärausgaben auf Kosten des Lebensstandards und der Investitionen im produktiven Bereich. Sanktionen des Westens – wenngleich Putin sie als politisches Ehrenabzeichen für sich nutzt – beschädigen weiterhin die materielle Basis für seine militärischen und territorialen Ambitionen. Am Ende könnte ihn das zugrunde richten. (...) Das Russland, das Putin in den kommenden Jahren gestaltet, wird nicht einfach eine Kopie oder die Wiederbelebung eines Modells aus Russlands Vergangenheit, sondern die zeitgenössische und moderne Version eines autoritären Regierungssystems sein. Dessen Konturen und die Folgen für den Rest der Welt können wir bereits erkennen. Sie sind so gruselig wie alles im Kalten Krieg."

"Einigkeit über Putin ist authentisch"

Die italienische Tageszeitung "Corriere della Sera" analysiert:
"Wladimir Putin (...) hat mit großem Abstand gewonnen, wie alle vorhergesehen haben. Er hat seine Gegner besiegt, wie seit eh und je klar war. Und folglich hat er triumphiert, wie seine Anhänger es erhofft hatten (...). Natürlich hat die Macht alle ihre Instrumente genutzt, um die Leute davon zu überzeugen, an die Urnen zu gehen; Fernsehsender und Zeitungen wurden während des Wahlkampfs vereinnahmt; die verhasstesten Kandidaten wie Nawalny wurden in Schwierigkeiten gebracht. Aber die Einigkeit, die über Wladimir Wladimirowitsch in dem Land herrscht, ist authentisch."

Verwendete Quellen
  • dpa
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