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Großbritannien: Was sich Boris Johnson von Donald Trump abgeguckt hat


Die Methode Trump
Auch vor Einschüchterung schreckt Johnson nicht zurück

afp, Florian Müller

13.02.2020Lesedauer: 3 Min.
Boris Johnson (l.) und Donald Trump bei einem Treffen in New York im September: Der britische Premier versteht sich gut mit dem US-Präsidenten.Vergrößern des BildesBoris Johnson (l.) und Donald Trump bei einem Treffen in New York im September: Der britische Premier versteht sich gut mit dem US-Präsidenten. (Quelle: imago-images-bilder)
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Boris Johnson und Donald Trump verstehen sich blendend. Der Premierminister scheint die Methode des US-Präsidenten studiert zu haben – und imitiert nicht nur dessen Eigenlob und flexibles Wahrheitsverständnis.

Er war Korrespondent in Brüssel, Kolumnist und Herausgeber eines politischen Magazins: mehr als 25 Jahre lang war Boris Johnson Journalist. Doch mittlerweile steht er als Premierminister mit vielen Medien auf Kriegsfuß.

Erst vergangene Woche erregte die Johnson-Regierung den Zorn der britischen Politikjournalisten – kollektiv auch "die Lobby" genannt – als sie Reporter kritischer Medien wie dem "Mirror" oder dem "Independent" von einem Hintergrundgespräch ausschloss. Als Reaktion darauf boykottierten auch die zugelassenen Journalisten anderer Medien wie der "Financial Times" oder des "Guardian" das Gespräch.

Die Methode Trump

Zugegeben: Auch in anderen europäischen Hauptstädten bekommen ausgewählte Journalisten bestimmter Medien bevorzugten Zugang zu Regierungsinformationen. Doch Johnsons Methoden erinnern in ihrer Rigorosität immer mehr an US-Präsident Donald Trump: Wer kritisch über ihn berichtet, wird ausgesperrt und eingeschüchtert.

Johnsons Team verneint zwar jeden Versuch der Einflussnahme auf die Presse; die Vorfälle häufen sich aber. So hat der Premierminister laut Beschwerden von Redakteuren seinen Ministern Auftrittsverbote für bestimmte Fernseh- und Radioprogramme erteilt.

Dazu gehört beispielsweise die Sendung "Today" auf BBC Radio 4, der Regierungsinsider eine einseitige Anti-Brexit-Berichterstattung vorwerfen. Dazu gehört auch der TV-Sender Channel 4, der Johnson nach seinem Nicht-Erscheinen bei einer Debatte zum Klimawandel durch einen schmelzenden Eisblock ersetzt hatte. Und während des Wahlkampfs Ende vergangenen Jahres verweigerte Johnson als einziger Parteichef ein Interview mit dem für seinen aggressiven Fragestil bekannten Andrew Neil von der BBC – ein Gespräch, bei dem keiner seiner Kontrahenten eine gute Figur abgab.

Ausgewählte Fragen für den Premier

Immer öfter versucht Johnson stattdessen, die klassischen Medien zu umgehen: So hält er in Anlehnung an die Fragestunden im Parlament sogenannte "People's PMQs" (Fragen des Volks an den Premierminister) ab, bei denen von seinem Team ausgewählte Bürger Fragen stellen dürfen. Die Antworten veröffentlicht Johnson auf Facebook.

Auch seine Ansprache und die Feier anlässlich des Brexits Ende Januar ließ Johnson nicht traditionsgemäß von unabhängigen Kameraleuten aufzeichnen. Stattdessen filmte und fotografierte sein eigenes Kommunikationsteam und stellte den Medien das vorproduzierte Material später zur Verfügung.

Doch Johnson belässt es nicht nur beim Aussperren von Journalisten. Auch Einschüchterungen gehören mittlerweile regelmäßig zum Programm. So ließen Johnsons Berater nach der Eisblock-Aktion von Channel 4 durchsickern, dass sie dem Sender die Lizenz entziehen könnten. Und erst vor wenigen Tagen verkündeten sie, ein "Netzwerk von Spionen" in den Restaurants rund um das Londoner Regierungsviertel in Westminster aufgebaut zu haben – um nachzuvollziehen, welche Regierungsmitarbeiter mit welchen Journalisten Essen gehen.

BBC im Visier

Besonders im Visier hat Johnson die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt BBC. So kündigte die Regierung an, dass sie künftig säumige Rundfunkbeitragszahler nicht mehr bestrafen will – ein Plan, der de facto auf eine Budgetkürzung für die BBC hinausläuft. Immer wieder hatte Johnson zudem öffentlich über eine komplette Abschaffung der Rundfunkgebühr nachgedacht. Und das, nachdem die Anstalt kürzlich erst den Abbau von 450 ihrer weltweit rund 6.000 Stellen verkündete.

Dabei ist Johnsons ständige Kritik an der angeblich einseitigen Berichterstattung vieler Medien angesichts seiner eigenen Vergangenheit besonders fragwürdig. So verlor er seinen ersten Job bei der "Times", weil er ein Zitat gefälscht hatte. Auch bei seinen europakritischen Artikeln aus Brüssel für den "Telegraph" sowie den Kolumnen für den "Spectator" und den "Telegraph" nahm es Johnson mit der Wahrheit nicht immer so genau.

Der Journalist Johnson verteidigte sich gegen entsprechende Vorwürfe stets mit Verweis auf die Pressefreiheit – eine mehr als fragwürdige Rechtfertigung. Nun beweist er einmal mehr sein seltsames Verständnis dieses Privilegs.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur AFP
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