Tausende warten auf deutsche Zusage Ausgesetztes Aufnahmeprogramm: Afghanen in Pakistan gestrandet

Die neue Bundesregierung will das Bundesaufnahmeprogramm für Afghanen "soweit wie möglich" aussetzen. Die Betroffenen hoffen weiter auf die Hilfszusage aus Deutschland.
Etwa 2.400 Teilnehmer des Bundesaufnahmeprogramms für Afghanen warten in Pakistan auf ihre Ausreise. Schätzt zumindest das Auswärtige Amt. Seit 2021, als die Taliban die Macht in Kabul übernommen hatten, hat Deutschland auf verschiedenen Wegen etwa 36.500 schutzbedürftige Afghanen aufgenommen. Das "Bundesaufnahmeprogramm" wurde im Oktober 2022 gestartet und sah vor, monatlich bis zu 1.000 Afghanen nach Deutschland zu holen.
Die Betroffenen gelten aufgrund ihres Engagements in den Bereichen Menschenrechte, Justiz, Politik oder Bildung oder aufgrund ihres Geschlechts, ihrer Religion oder ihrer sexuellen Orientierung als gefährdet. Aufgrund von Verzögerungen und Flugausfällen kamen in über zwei Jahren weniger als 1.600 Menschen an.
Eine von ihnen ist Kimia. Sie zeichnet mutige Frauen, die sich wehren. Die junge Künstlerin aus Afghanistan sitzt in einem überfüllten Gästehaus in Pakistans Hauptstadt Islamabad. Die 25-Jährige setzt sich für Frauenrechte ein. Ihre Zeichnungen zeigen selbstbewusste Frauen, die Widerstand gegen Unterdrücker leisten. Kimia kennt solche Situationen.
Im Jahr 2024 hat die Künstlerin ihr Heimatland Afghanistan verlassen und ist nach Pakistan geflohen. Ihre Hoffnungen setzt sie in ein Projekt der Bundesregierung: das Bundesaufnahmeprogramm. Es sieht vor, unter der radikal-islamischen Taliban-Regierung gefährdete Menschen in Deutschland Schutz zu bieten. So wie Kimia. Doch die ist ein Jahr nach ihrer Flucht aus Afghanistan in Pakistan gefangen im Niemandsland. Denn die neue Bundesregierung hat das Programm ausgesetzt.
Warten auf Gesprächstermin in der deutschen Botschaft
Kimias Gesprächstermin in der deutschen Botschaft in Islamabad, von dem sie sich eine Zusage für eine Zukunft in Deutschland erhofft hatte, ist abgesagt. "Mein ganzes Leben hängt von diesem Interview ab", sagt Kimia. Sie und die anderen Frauen im Gästehaus wollten "einfach einen Ort finden, der ruhig und sicher ist".

Dobrindt für Abschiebungen nach Afghanistan
Das Bundesaufnahmeprogramm wurde 2021 nach der Machtübernahme der Taliban gestartet. Es sah die Aufnahme von bis zu 45.000 gefährdeten Menschen aus Afghanistan vor. Darunter sind insbesondere ehemalige afghanische Ortskräfte und ihre Familienangehörigen. Die neue Bundesregierung von Union und SPD will laut Koalitionsvertrag das Programm "soweit wie möglich" beenden. Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) strebt auch "Gespräche "mit den Taliban" über Abschiebungen an. Er sagte "Focus Online": "Mir schwebt vor, dass wir direkt mit Afghanistan Vereinbarungen treffen, um Rückführungen zu ermöglichen."
Kimia verbringt die meiste Zeit in ihrem Zimmer, über Englisch- und Deutschbüchern. Eine Rückkehr nach Afghanistan ist für sie undenkbar, sie fürchtet, ihre Kunst könnte sie zur Zielscheibe machen. "Wenn ich zurückgehe, kann ich meinen Träumen nicht folgen – ich kann nicht arbeiten, ich kann nicht studieren. Es ist, als würde man nur atmen, aber nicht leben." Bei Razzien der Sicherheitskräfte in Privathäusern habe sie ihre Kunstwerke versteckt, sagt sie.
Unter der Herrschaft der Taliban sind Frauen vom öffentlichen Leben ausgeschlossen. Sie werden im öffentlichen Raum ohne männliche Begleitung von der Sittenpolizei drangsaliert und müssen strenge Kleidervorschriften einhalten, einschließlich der Pflicht zur Gesichtsverhüllung. Die Taliban behauptn, sie würden die Rechte der Frauen im Einklang mit ihrer Auslegung des islamischen Rechts und der lokalen Kultur respektieren, ehemalige Feinde müssten keine Verfolgung fürchten.
Außenministerium schweigt, Pakistan schiebt ab
Kimias Hoffnungen ruhen auf Deutschland. Dort teilt das Auswärtige Amt mit, die Einreise nach Deutschland im Rahmen des Programms sei bis zur Überprüfung durch die schwarz-rote Regierung ausgesetzt, die Regierung kümmere sich weiterhin um die bereits am Programm teilnehmenden Personen und sichere deren Unterbringung. Kanzleramtschef Thorsten Frei sagt, die humanitäre Migration habe mittlerweile ein Ausmaß erreicht, das die Integrationsfähigkeit der Gesellschaft übersteige. "Solange wir irreguläre und illegale Migration nach Deutschland haben, können wir keine freiwilligen Aufnahmeprogramme umsetzen."
Dass Pakistan seine Bemühungen zur Zwangsrückführung von Afghanen intensiviert, beunruhigt die Wartenden besonders. Pakistan gibt an, sein hartes Vorgehen diene der Sicherheit und sei gegen alle Ausländer ohne Aufenthaltspapiere gerichtet. Das pakistanische Außenministerium antwortete nicht auf eine Anfrage zu den Afghanen, die auf die deutsche Genehmigung warten.
Das Auswärtige Amt in Berlin teilte mit, es sei bekannt, dass zwei Familien, denen die Einreise nach Deutschland versprochen worden sei, zur Abschiebung inhaftiert worden seien. Man arbeite mit den pakistanischen Behörden zusammen, um dies zu verhindern.
- Nachrichtenagentur Reuters
- www.afghanistan.diplo.de: Bundesaufnahmeprogramm