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Trotz düsterer Corona-Prognosen: Donald Trump und die riskante Wiederöffnung


Düstere Corona-Prognosen
Amerikas riskante Wiederöffnung


Aktualisiert am 06.05.2020Lesedauer: 4 Min.
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Donald Trump in Phoenix: Der Preis der Öffnung könnte hoch ausfallen.Vergrößern des Bildes
Donald Trump in Phoenix: Der Preis der Öffnung könnte hoch ausfallen. (Quelle: Tom Brenner/reuters)

Donald Trump drängt auf die Öffnung der USA und viele Bundesstaaten folgen ihm. Das ist heikel: Das Virus zieht in bislang verschonte Regionen – und die Prognosen verdüstern sich.

Das Schlimmste ist überstanden – das ist die Botschaft, die Donald Trump und seine Verbündeten in diesen Tagen in die Welt senden. Am Dienstag jettete der US-Präsident das erste Mal seit knapp zwei Monaten wieder durchs Land. Er überlegt gar, den Coronavirus-Krisenstab im Weißen Haus aufzulösen. Trump preist bereits "das große amerikanische Comeback", vor dem sein Land stehe.

Die frohe Botschaft hat allerdings einen Schönheitsfehler. Die Zahlen zum Coronavirus geben noch längst keinen Anlass zur Entwarnung. Im Gegenteil: Sie warnen vor einer dramatischen Entwicklung, die Amerika droht.

Die Wiederöffnung der US-Wirtschaft geschieht in einem heiklen Kontext: Seit über einem Monat sterben an jedem Tag mehr als tausend Amerikaner an Covid-19. Während sich die extreme Notlage in New York entspannt hat, verschärft sich die Situation in anderen Landesteilen. Bundesstaaten wie Georgia oder Texas haben weite Teile des öffentlichen Lebens wieder hochgefahren, obwohl dort die Zahl der Neuinfektionen weiter steigt.

Jetzt machen mehrere Studien klar, dass wegen der raschen Wiederöffnung deutlich höhere Totenzahlen drohen.

Wirbel um interne Modellrechnung

Für Aufsehen sorgte eine regierungsinterne Berechnung, die über die "New York Times" ans Licht gelangte. Demnach müsse Amerika ab dem 1. Juni mit 3.000 Todesopfern und 200.000 Neuinfektionen rechnen – pro Tag. Das wäre täglich etwa die Zahl der Opfer, die die Anschläge des 11. September gefordert hatten. Die Zahlen wären ein dramatischer Anstieg im Vergleich zur gegenwärtigen Situation.

Sowohl der Autor der Studie von der Johns-Hopkins-Universität als auch das Weiße Haus dementierten rasch, dass es sich bei dieser Modellrechnung um eine tatsächliche Prognose handele.

Doch auch andere Erhebungen korrigieren ihre Zahlen nach oben. So rechnet das einflussreiche Institute of Health Metrics and Evaluation der Universität Washington in Seattle nun mit einem Anstieg der Totenzahlen auf 110.000 bis zum Ende des Monats und bis zu 135.000 bis Ende Juli. Das Weiße Haus hat in der Vergangenheit für eigene Prognosen auf das Modell aus Seattle zurückgegriffen.

"Wie viele Tote und wie viel Leid seid ihr bereit zu akzeptieren?"

Lange hatte der Präsident selbst davon gesprochen, dass das Land mit 50.000 bis 60.000 Todesopfern durch die Krise kommen könnte. Doch die Zahl ist bereits überschritten: Die Johns-Hopkins-Universität zählte am Dienstag 70.000 Tote und mehr als 1,2 Millionen Infizierte – fast jeder dritte nachgewiesene Covid-Fall weltweit kommt aus den USA.

Der Preis für die Wiederöffnung des Landes könnte hoch ausfallen. Trumps medizinischer Berater Anthony Fauci warnte Bundesstaaten vor einer zu raschen Öffnung. "Wie viele Tote und wie viel Leid seid ihr bereit zu akzeptieren, um eine Form der Normalität etwas früher als später zu erreichen?"

Laut einer Untersuchung der Universität Harvard testen 31 der 50 Bundesstaaten nicht ausreichend auf Covid-19, um über eine Öffnung entschieden zu können.

Trump hatte die Entscheidung über Ausgangssperren und Lockerungen den Gouverneuren der Bundesstaaten überlassen. Allerdings kritisiert er diese wiederholt dafür, wenn sie entsprechend den Richtlinien des Weißen Hauses mit dem Hochfahren warten, bis etwa die Zahl der Neuinfektionen über einen Zeitraum von zwei Wochen sinkt. Der Präsident feuert Proteste gegen die Gouverneure sogar an (hier mehr dazu).

Kleinstädte geraten in den Fokus

Trump fürchtet vor der Wahl im November die Folgen des dramatischen wirtschaftlichen Einbruchs, den Amerika erlebt. Schon jetzt haben 30 Millionen Amerikaner ihre Jobs verloren – die soziale Absicherung ist nur schwach. Deshalb eilt es nicht nur für Trump, das Land rasch zu öffnen.

Interessieren Sie sich für US-Politik? Unser Washington-Korrespondent Fabian Reinbold schreibt über seine Arbeit im Weißen Haus und seine Eindrücke aus den USA unter Donald Trump einen Newsletter. die dann einmal pro Woche direkt in Ihrem Postfach landet.

Doch die Corona-Zahlen verheißen wenig Gutes. So wie sie in New York zurückgehen, steigen sie anderswo rapide an. Dies betrifft Großstädte wie Chicago oder Los Angeles, aber auch viele Kleinstädte und ländliche Gegenden, die bis vor wenigen Wochen noch keine nachgewiesenen Fälle hatten.

Besonders betroffen sind nun mehrere Kleinstädte im Mittleren Westen und im Süden des Landes. Die größten Infektionsherde sind dort Altenheime, Gefängnisse und Fleischfabriken. In den ländlichen Gebieten ist die medizinische Versorgung oft deutlich schlechter als in den bisherigen Hotspots an den Küsten.

Das Problem der Fleischfabriken

Die Fleischindustrie ist zentral in Bundesstaaten wie Iowa, Nebraska oder South Dakota im Mittleren Westen. Die Staaten sind dünn besiedelt. Doch in der Fleischindustrie lassen sich die Schutzvorkehrungen schwer einhalten – dort wird auf engstem Raum am Band gearbeitet, unter oft ungenügenden Schutzvorkehrungen. Mindestens 5.000 Arbeiter in der Fleischindustrie sind bislang nachweislich erkrankt.

So hat etwa Dakota County in Nebraska laut "New York Times" bereits die dritthöchste Infektionsrate im Land – dort steht eine große Fleischfabrik des Konzerns Tyson. Sie schloss am 1. Mai für eine "gründliche Desinfizierung". Im Bezirk mit 22.000 Einwohnern sind bereits mehr als 1.000 Corona-Fälle nachgewiesen.

Dutzende Schlachthöfe hatten in den vergangenen Wochen schließen müssen. Trump reagierte darauf, indem er unter Rückgriff auf ein Gesetz aus Kriegszeiten die Fleischindustrie als systemrelevant einordnete. So ist es einfacher, die Betriebe offen zu halten.

Das dürfte die angespannte Liefersituation bei Hühnchen, Rind und Schwein verbessern – doch auch hier könnten die Nebenwirkungen der wirtschaftlichen Öffnung heftig ausfallen.

Verwendete Quellen
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