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Omikron-Wut in Frankreich: Emmanuel Macron bekommt ein Problem


"Noch nie so verzweifelt"
Jetzt bekommt Macron ein Problem mit der Omikron-Wut


Aktualisiert am 15.01.2022Lesedauer: 5 Min.
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Emmanuel Macron: Der Präsident Frankreichs gerät wegen der Proteste zunehmend unter Druck.Vergrößern des Bildes
Emmanuel Macron: Der Präsident Frankreichs gerät wegen der Proteste zunehmend unter Druck. (Quelle: imago-images-bilder)

Macrons Umgang mit der verheerenden Omikron-Welle sorgt in Frankreich für Verzweiflung – und massive Proteste. Der Zeitpunkt der Streiks ist für den Präsidenten fatal.

In drei Monaten wählt Frankreich einen neuen Regierungschef, nun wird für den amtierenden Präsidenten Emmanuel Macron ein Problem aber immer größer: Omikron. Die Corona-Variante sorgt für Rekordwerte bei den Neuinfektionen, sie macht inzwischen drei Viertel der Fälle aus. Die Sieben-Tage-Inzidenz liegt bei mehr als 3.050 (Stand: 15. Januar), während noch 25 Prozent der Bevölkerung nicht geimpft sind.

Dass der Anteil der ungeimpften Bürger sinkt, ist nicht zu erwarten. Im Gegenteil: Er könnte noch einmal steigen. Denn ab dem heutigen Samstag gelten in Frankreich striktere Regeln für die Impfung: Wessen Spritze bereits sieben Monate zurückliegt, der braucht nun einen Booster, um weiterhin als geimpft zu gelten. Etwa 560.000 Menschen droht damit nach Angaben des Gesundheitsministeriums der Verlust ihres Impfstatus.

Die verschärften Regeln gelten für Menschen über 65 Jahre bereits seit Mitte Dezember. Der Gesundheitspass entspricht der 3G-Regel und muss in Frankreich vorgezeigt werden, um etwa in Bars oder Theater zu kommen. In wenigen Tagen soll Ungeimpften zudem der Zutritt zu Kultureinrichtungen, Restaurants und Fernzügen untersagt werden, sollte das Gesetzesvorhaben am Wochenende im Parlament bewilligt werden.

Massive Proteste gegen Corona-Politik in Schulen

Diese neue Regelung ist nicht die einzige, mit der Präsident Macron die Wut Hunderttausender Bürger auf sich zieht. Die Omikron-Variante, die wahrscheinlich mildere Verläufe verursacht, aber deutlich ansteckender als vorherige Mutanten ist, trifft derzeit vor allem ein wichtiges System: das Schulwesen. "Ich bin nicht perfekt. Ich mache Fehler." So versuchte Bildungsminister Jean-Michel Blanquer am Freitag, die Bevölkerung zu besänftigen.

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Am Tag zuvor hatte sich der Ärger vieler Lehrer und Eltern in einem der größten Schulproteste, die Frankreich in den vergangenen Jahren erlebt hat, entladen. Rund 78.000 Menschen gingen auf die Straße, etwa 75 Prozent der Grundschullehrer beteiligten sich nach Gewerkschaftsangaben an dem Streik. Dabei ging es jedoch nicht um die Lockerung der Maßnahmen, wie es hierzulande bei den Corona-Protesten der Fall ist, sondern um verwirrende Regeln.

"Erschöpfung und Verzweiflung der gesamten Bildungsgemeinschaft hat ein noch nie da gewesenes Ausmaß erreicht", heißt es in einer gemeinsamen Erklärung von elf Schulgewerkschaften. "Wir waren so verzweifelt, müde und wütend, dass wir keine andere Wahl hatten, als einen Streik zu organisieren, um der Regierung eine deutliche Botschaft zu übermitteln", sagte Elisabeth Allain-Moreno von der Lehrergewerkschaft SE-UNSA.

Die Wut im Land wächst

"Blanquer in Quarantäne", war am Donnerstag auf Plakaten von Demonstranten zu lesen. "Die Regierung kündigt Regeln an, ohne darüber nachzudenken, was das in der Praxis bedeutet", sagte Olivier Flipo, ein Schuldirektor in Val-d'Oise. Die Wut im Land wächst – und Macrons Regierung muss sich verantworten.

Konkret geht es darum, dass die Corona-Vorschriften für die Schulen allein seit dem Ende der Weihnachtsferien mehrfach geändert wurden. "Die Verantwortung des Ministers und der Regierung in dieser chaotischen Situation ist total, weil sich die Grundlagen ständig ändern, die Protokolle nicht funktionieren und es an geeigneten Instrumenten fehlt, um zu gewährleisten, dass die Schulen ordnungsgemäß funktionieren können", kritisieren die Gewerkschaften.

Regierung gesteht Regel-Chaos ein

Viele Schuldirektoren und Lehrer beschweren sich, dass sie erst in letzter Minute über die Änderungen informiert werden. Dass keine ganzen Schulklassen mehr geschlossen werden, auch bei mehreren positiven Fällen, hatte Bildungsminister Blanquer beispielsweise am letzten Ferientag in einem Zeitungsinterview bekannt gegeben.

Auch das Testverfahren sorgt für Kritik. Eltern sollen mit Selbsttests derzeit allein feststellen, ob und wann ihr Kind nach einer Infektion oder nach Kontakt mit Infizierten wieder in die Schule kann. Nun klagen Schulleiter über einen enormen Organisationsaufwand. Einige Verbände wollen auch aus Sicherheitsgründen wieder zu einem strengeren Regime zurück.

Regierungssprecher Gabriel Attal gab zu, dass in den vergangenen Tagen mit den Corona-Regeln an Schulen nicht alles rund gelaufen sei. Er verteidigte aber die neuen Auflagen. Derzeit seien nur zwei Prozent der Klassen geschlossen. Mit den vorherigen Maßnahmen wären es angesichts der hohen Fallzahlen deutlich mehr.

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Weniger Maßnahmen in Schulen

"Uns geht es in erster Linie darum, dass die Schulen offen bleiben", sagte Bildungsminister Blanquer, der oft betont, dass die Schulen bei der Verbreitung des Virus keine besondere Rolle spielten. Er weist auch immer wieder stolz darauf hin, dass Frankreich das Land sei, das seit Beginn der Pandemie die Schulen am wenigsten geschlossen habe.

Im Unterschied zu Deutschland werden Schüler in Frankreich allerdings weiterhin nicht großflächig und regelmäßig getestet. Über den Einsatz von Luftfiltern in den Klassen wird öffentlich nicht diskutiert. Auch FFP2-Masken waren bislang keine Selbstverständlichkeit – erst am Freitagmorgen, nach den massiven Protesten, verkündete die Regierung, demnächst fünf Millionen FFP2-Masken an Lehrer in Vorschulen auszugeben, da die Kinder dort keine Maske tragen müssen. Die Betroffenen begrüßten die Ankündigungen. "Wir haben also nicht umsonst gestreikt", sagte eine Gewerkschaftsvertreterin.

Opposition unterstützt Proteste

Es ist ein winziger Erfolg. Derweil nutzen andere Präsidentschaftsanwärter Macrons Regel-Wirrwarr und die damit einhergehende Unzufriedenheit in der Bevölkerung aus. "Der Streik ist völlig berechtigt. Die Regierung macht den Lehrern und Schülern nur das Leben schwer", erklärte der rechtsextreme Präsidentschaftskandidat Éric Zemmour.

"Die Lehrer geben nicht auf, wie der Präsident zu glauben scheint", sagte die extrem rechte Präsidentschaftskandidatin des Rassemblement National, Marine Le Pen, dem Fernsehsender BFM bereits vor den Streiks. "Vier Protokolle, die sich alle 48 Stunden ändern, machen die Eltern und Lehrer verrückt", kritisierte sie im Radiosender RFI. "Ich denke, wir sollten mit all dem aufhören, wir sollten damit aufhören, die Kinder weinen zu sehen, wenn sie ihre Tests machen", so Le Pen.

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Sie bezeichnete die Corona-Tests als Form der "Misshandlung" und schlug alternativ Temperaturkontrollen bei den Schülern vor. Mehrere Oppositionspolitiker riefen Bildungsminister Blanquer zum Rücktritt auf.

Macron büßt Stimmen ein

Auch Macrons Aussagen über Ungeimpfte hatten zuvor für Wirbel gesorgt: Der Präsident hatte vergangene Woche in einem Interview mit der Zeitung "Le Parisien" mit einem deutlichen und teils als vulgär aufgefassten Vokabular davon gesprochen, Ungeimpfte in der Corona-Pandemie bis zum Ende "nerven" zu wollen. Mit Blick auf Impfgegner hatte er gesagt, ein Unverantwortlicher sei kein Bürger mehr. Auch nach einer heftigen Welle der Kritik hatte der Politiker an seiner Wortwahl festgehalten.

Macrons Omikron-Kurs hat Folgen: In einer am Mittwoch veröffentlichten Umfrage des Senders BFM und des Magazins "L'Express" büßte er drei Punkte ein. Damit käme er in der ersten Wahlrunde am 10. April auf 23 Prozent und läge zwar je sechs Prozentpunkte vor der konservativen Kandidatin Valérie Pécresse und der rechtsextremen Marine Le Pen; sollte es Pécresse aber in die Stichwahl schaffen, käme sie dort ebenso wie Macron auf 50 Prozent. Gegen Le Pen hätte Macron der Umfrage zufolge indes mit knapp 55 zu 45 Prozent die Oberhand.

Den Ärger im Schulsystem, dem Millionen Franzosen als Eltern oder beruflich verbunden sind, kann der Präsident angesichts dieser knappen Ausgangslage nicht gebrauchen.

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