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Regierungskrise in Italien: Präsident Mattarella lehnt Rücktritt von Mario Draghi ab


Schwere Regierungskrise
Italiens Präsident lehnt Draghi-Rücktritt ab

Von afp, dpa, rtr
Aktualisiert am 14.07.2022Lesedauer: 3 Min.
Mattarella im Gespräch mit Draghi (Archivbild): Das Staatsoberhaupt lehnt das Rücktrittsgesuch des Premiers ab.Vergrößern des BildesMattarella im Gespräch mit Draghi (Archivbild): Das Staatsoberhaupt lehnt das Rücktrittsgesuch des Premiers ab. (Quelle: Italy Photo Press/imago-images-bilder)
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Der italienische Staatspräsident Sergio Mattarella hat das Rücktrittsgesuch von Ministerpräsident Mario Draghi abgelehnt. Der Premier solle eine Erklärung vor dem Parlament abgeben.

Die Regierungskrise in Italien spitzt sich zu: Nachdem zuvor Regierungschef Mario Draghi seinen Rücktritt für Donnerstagabend angekündigt hatte, intervenierte nun Staatsoberhaupt Sergio Mattarella. Er habe "den Rücktritt nicht akzeptiert und den Ministerpräsidenten aufgefordert, eine Erklärung vor dem Parlament abzugeben", teilte der Präsidentenplast am Donnerstagabend mit.

Draghi hatte zuvor erklärt, die Voraussetzungen für eine Fortführung der Regierungskoalition seien "nicht mehr gegeben". "Heute Abend werde ich dem Präsidenten mein Rücktrittsgesuch überreichen", sagte Draghi dem Kabinett. Grund für seinen Rücktritt war der Boykott einer Vertrauensabstimmung durch die Fünf-Sterne-Bewegung (M5S), eine der sechs Regierungsparteien. In einer von seinem Büro verbreiteten Mitteilung erklärte Draghi, der "Vertrauenspakt, auf dem diese Regierung beruhte", habe sich "aufgelöst".

Draghi hätte auch ohne Fünf Sterne Mehrheit

Draghi könnte nun versuchen, im Zwei-Kammern-Parlament wieder Unterstützer hinter sich zu vereinen und sich dies per Vertrauensvotum bestätigen zu lassen. Schon mit der bisherigen Vielparteienregierung hätte er die nötige Mehrheit gehabt, auch ohne die Fünf-Sterne-Bewegung.

Befürworter dürfte Draghi bei den bisher mitregierenden Sozialdemokraten und der Partei Italia Viva von Ex-Ministerpräsident Matteo Renzi finden. Die rechtsextremen Fratelli d'Italia forderten dagegen vorgezogene Wahlen. Neuwahlen schloss auch die rechte Regierungspartei Lega von Matteo Salvini in der Vergangenheit nicht aus.

Regierungsparteien wollen Draghi Zwei

Die Sozialdemokraten gingen von einer weiteren Zukunft mit Draghi aus. Man arbeite jetzt nur dafür, um am Mittwoch in der Abgeordnetenkammer eine Mehrheit wiederherzustellen und damit die Regierung Draghi wieder anfangen könne, hieß es aus Kreisen der Regierungspartei am Donnerstagabend. Das Land stürze in eine ernste Krise, die es sich nicht erlauben könne. "Wir arbeiten für ein Draghi Zwei, um die Arbeit am Corona-Wiederaufbauplan, dem Haushaltsgesetz und der Lage in der Ukraine in den kommenden Monaten abzuschließen", schrieb Ex-Ministerpräsident Matteo Renzi von der Splitterpartei Italia Viva auf Twitter.

Anders sah das die rechtsextreme Oppositionspolitikerin Giorgia Meloni. "Wenn ein Unwetter aufzieht, muss man die Bürger fragen, wer der Kapitän des Schiffes sein soll", sagte die Chefin der Fratelli d'Italia. "Wir fordern vom Staatspräsidenten, dass das Parlament aufgelöst wird."

Welche Szenarien jetzt möglich sind

Regierungschef Draghi hatte zuvor mehrfach betont, dass er ohne die Fünf-Sterne-Bewegung keine Zukunft für seine Einheitsregierung sehe. Das Misstrauensvotum bestand Draghi dennoch mit 172 zu 39 Stimmen. Er begab sich jedoch unmittelbar nach der Abstimmung zu Präsident Sergio Mattarella. Das Staatsoberhaupt muss über das weitere Verfahren zur Lösung der Regierungskrise entscheiden.

Er könnte bis zur regulären Parlamentswahl in der ersten Hälfte des kommenden Jahres einen Interims-Ministerpräsidenten ernennen. Eine Wahl könnte zwar auf den Herbst vorgezogen werden. Dies wäre jedoch ungewöhnlich, weil in dieser Zeit traditionell der Haushalt vorbereitet wird, der bis Ende des Jahres verabschiedet werden muss.

Streit um Müllverbrennungsanlage

M5S-Chef Giuseppe Conte hatte am Mittwochabend angekündigt, dass die Senatoren seiner Partei bei der Vertrauensabstimmung am Donnerstag den Saal verlassen werden. Bei dem Votum geht es um ein Konjunkturpaket im Umfang von 23 Milliarden Euro, das Familien und Unternehmen bei der Bewältigung der Inflation helfen soll.

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Zur Abstimmung steht auch eine Maßnahme, die den Bau einer Müllverbrennungsanlage in Rom erleichtern soll. Diese lehnt die Fünf-Sterne-Bewegung jedoch vehement ab. Die Debatte im Senat begann am Donnerstagmorgen. Der Aktienkurs an der Mailänder Börse gab wegen der Regierungskrise am Donnerstag zwischenzeitlich um drei Prozent nach.

Im Abgeordnetenhaus hatten die M5S-Abgeordneten der Regierung am Montag noch das Vertrauen ausgesprochen, sich später bei der Abstimmung über das Gesetzespaket aber enthalten. Im Senat gelten jedoch andere Regeln: Im Oberhaus wird nicht getrennt über die Vertrauensfrage und den konkreten Gesetzentwurf abgestimmt.

Draghi hielt Wort

Draghi hatte mehrfach betont, dass er keine Regierung ohne die Fünf-Sterne-Bewegung anführen werde. Der frühere Chef der Europäischen Zentralbank (EZB) hatte im Februar 2021 nach dem Zusammenbruch der Vorgängerregierung das Amt des Ministerpräsidenten übernommen. Er führt eine Einheitsregierung an, die Parteien von links bis rechts außen vereint.

Die Fünf-Sterne-Bewegung sei angesichts sinkender Umfragewerte darum bemüht, "wieder sichtbar zu werden", sagte der Wirtschaftswissenschaftler Lorenzo Codogno der Nachrichtenagentur AFP. Parteichef Conte wolle Schlagzeilen machen und in der Wählergunst wieder zulegen, indem er Oppositionspolitik betreibe, "als wäre er nicht Teil der Regierung".

Fünf-Sterne-Bewegung in Umfragen abgestürzt

Die Fünf-Sterne-Bewegung war als stärkste Kraft aus der Parlamentswahl 2018 hervorgegangen. Seitdem ist sie in den Umfragen aber abgestürzt. Meinungsverschiedenheiten wegen des Ukraine-Krieges führten außerdem zu einem Bruch innerhalb der Partei. Auf Initiative des ehemaligen Vorsitzenden der Bewegung und amtierenden Außenministers, Luigi di Maio, bildeten rund ein Drittel der Fünf-Sterne-Abgeordneten Ende Juni eine eigene Parlamentsfraktion.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagenturen AFP, Reuters, dpa
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