Putin-Kritikerin Katja Kallas siegt bei Parlamentswahl
Estland hat ein neues Parlament gewΓ€hlt. In dem Land, das sich eine 300 Kilometer lange Grenze mit Russland teilt, war der Ukraine-Krieg das vorherrschende Thema im Wahlkampf.
Im an Russland grenzenden EU- und Nato-Staat Estland hat die wirtschaftsliberale Reformpartei von Regierungschefin Kaja Kallas die Parlamentswahl klar gewonnen. Nach einem von den Folgen des Ukraine-Kriegs dominierten Wahlkampf holte die Regierungspartei 37 von 101 Sitzen im Parlament in Tallinn β drei mehr als bei der vorherigen Wahl 2019.
Laut Angaben der Wahlkommission aus der Nacht zu Montag bleibt sie nach AuszΓ€hlung aller Stimmen stΓ€rkste Kraft in der Riigikoku genannten Volksvertretung in Tallinn. Kallas steht seit 2021 β als erste Frau in Estlands Geschichte β an der Regierungsspitze und gilt als eine der resolutesten UnterstΓΌtzerinnen der Ukraine in Europa.
Umfragen zeigten Kallas vorn
Der Sieg ihrer Partei in dem Baltenstaat mit rund 1,2 Millionen Einwohnern hatte sich schon vor der Wahl am Sonntag abgezeichnet. Wie es die Umfragen erwarten lieΓen, dΓΌrfte Kallas nun weiterregieren kΓΆnnen. Die 45-JΓ€hrige fΓΌhrt gegenwΓ€rtig eine Dreierkoalition mit den Sozialdemokraten (9 Sitze) und der konservativen Partei Isamaa (8 Sitze) an, die beide Mandate einbΓΌΓten. Ob sie das BΓΌndnis fortfΓΌhren oder sich neue Koalitionspartner suchen wird, lieΓ Kallas zunΓ€chst offen. Vorher sollen parteiintern alle Optionen besprochen werden.
"Der WΓ€hler erwartet, dass die Reformpartei die FΓΌhrung in der neuen Regierung ΓΌbernimmt. So viel steht fest", sagte Kallas in der Wahlnacht und bedankte sich bei den Esten fΓΌr das entgegengebrachte Vertrauen. Mit ΓΌber 31.000 Stimmen in ihrem Wahlkreis stellte sie einen Rekord auf - mehr hatte seit der UnabhΓ€ngigkeit Estlands von der Sowjetunion 1991 noch niemand bekommen.
Liberale Partei erstmals im Parlament
Zweit- und drittstΓ€rkste Kraft wurden zwei Oppositionsparteien: die rechtspopulistische Partei EKRE (17 Sitze) und die linksgerichtete Zentrumspartei (16 Sitze), die jeweils einige Mandate einbΓΌΓten. Als grΓΆΓter Stimmengewinner zieht die liberale Partei Estland 200 (14 Sitze) erstmals ins Parlament ein. Experten halten sogar eine Beteiligung an der Regierung fΓΌr denkbar.
Eines der beherrschenden Themen des Wahlkampfes war Russlands Krieg gegen die Ukraine, der in Estland als direkte Gefahr fΓΌr die nationale Sicherheit gesehen wird. Das Land teilt eine fast 300 Kilometer lange Grenze mit Russland. Da etwa ein Viertel der Bewohner russischstΓ€mmig ist, wurden durch den Krieg heikle gesellschaftliche Debatten neu angefacht β zum Beispiel ΓΌber Schulunterricht in russischer Sprache und den Umgang mit der eigenen Geschichte und Erinnerungskultur.
Starke UnterstΓΌtzung der Ukraine
Seit Russlands Angriff hat sich Kallas als entschiedene BefΓΌrworterin von EU-Sanktionen gegen Moskau und Waffenlieferungen an die Ukraine profiliert. Unter ihrer FΓΌhrung hat Estland mehr als ein Prozent seiner Wirtschaftsleistung als MilitΓ€rhilfe an die Ukraine geleistet und mehr als 60.000 KriegsflΓΌchtlinge aufgenommen. Entschieden fordert sie auch eine StΓ€rkung der Nato-Ostflanke.
Bei der Wahl gab es auch wieder die MΓΆglichkeit zur vorzeitigen Stimmabgabe ΓΌber das Internet, die Estland vor einigen Jahren als erstes Land in Europa eingefΓΌhrt hatte. Vom "E-Voting" machten diesmal mehr als ein Drittel aller Wahlberechtigten Gebrauch - darunter StaatsprΓ€sident Alar Karis. Insgesamt wurde ΓΌber die HΓ€lfte aller Stimmen digital abgegeben - ein Rekord. Die Wahlbeteiligung lag nach vorlΓ€ufigen Angaben der Wahlkommission bei 63,7 Prozent.
- Nachrichtenagentur dpa