t-online - Nachrichten für Deutschland
t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon



HomePolitikAuslandInternationale Politik

Israel startet Militäroffensive im Westjordanland – Tote in Dschenin


Tote und Verletzte in Dschenin
Israel startet Militäroffensive im Westjordanland

Von dpa-video, afp, reuters, mam

Aktualisiert am 03.07.2023Lesedauer: 4 Min.
Rauch über Dschenin: Bei den Angriffen auf das Flüchtlingslager gab es mehrere Tote.Vergrößern des BildesRauch über Dschenin: Bei den Angriffen auf das Flüchtlingslager gab es mehrere Tote. (Quelle: Ilia Yefimovich/dpa)
Auf Facebook teilenAuf x.com teilenAuf Pinterest teilen
Auf WhatsApp teilen

Mit Luftangriffen und Bodentruppen geht das israelische Militär derzeit in der Stadt Dschenin vor. Zuvor hatte es in den vergangenen Wochen Angriffe von palästinensischer Seite gegeben.

Erstmals seit zwei Jahrzehnten hat Israel wieder eine großangelegte Militäroffensive im Westjordanland begonnen. Die Armee rückte nach mehreren Luftschlägen in der Nacht auf Montag mit Bodentruppen in die palästinensische Stadt Dschenin ein. Bewohner dieser sollen nach Angaben des israelischen Militärs zuvor mehrere Angriffe auf israelische Bürger verübt haben.

Bei der von Israel so bezeichneten Operation "Heim und Garten" wurden mindestens acht Palästinenser getötet, darunter ein 16-Jähriger. Bei mindestens einem von ihnen soll es sich um einen militanten Palästinenser handeln. Angaben zu den weiteren Todesopfern gab es vorerst nicht. Nach palästinensischen Angaben sollen zudem mindestens 50 weitere Personen verletzt worden sein, zehn von ihnen lebensgefährlich.

In der Stadt kam es über Stunden zu heftigen Feuergefechten. Dabei habe es "Bombenangriffe aus der Luft und eine Invasion am Boden" gegeben, sagte der Direktor des palästinensischen Roten Halbmonds in Dschenin, Mahmud al-Saadi, der Nachrichtenagentur AFP. Die Kämpfe dauerten am Nachmittag weiter an. Berichten zufolge sollen dabei mehr als Tausend israelische Soldaten an dem Einsatz beteiligt sein.

Großoffensive Israels zeichnete sich ab

Zuletzt hatten sich die Anzeichen für eine israelische Großoffensive verdichtet, denn die Gewalt zwischen Israel und den Palästinensern hatte sich in den vergangenen Monaten wieder verschärft. So startete das israelische Militär zahlreiche Razzien im Westjordanland, die demnach gegen mutmaßliche Extremisten gerichtet waren. Dabei gab es immer wieder Tote. Mit den Einsätzen hatte das israelische Militär nach eigenen Angaben auf eine Reihe palästinensischer Anschläge in israelischen Städten und Siedlungen reagiert.

Allein in den vergangenen zwei Wochen waren bei einer Razzia der israelischen Armee im Flüchtlingslager von Dschenin sieben Menschen getötet worden. Dabei feuerte die Armee Raketen von einem Hubschrauber aus ab. Kurz darauf starben vier Israelis bei einem Angriff von zwei bewaffneten Palästinensern an einer Tankstelle nahe der Siedlung Eli. In derselben Woche tötete die israelische Armee drei Mitglieder einer "Terrorzelle" bei einem Drohnenangriff in der Nähe von Dschenin.

Zugleich waren in Israel vermehrt Rufe nach einem härteren Vorgehen in Dschenin laut geworden. Finanzminister Bezalel Smotrich sagte etwa, es sei "an der Zeit, statt Aktivitäten mit der Pinzette eine breite Operation zur Beseitigung der Terrornester" im Norden des Westjordanlandes zu starten. Ähnliche Forderungen kamen auch vom rechtsextremen Polizeiminister Itamar Ben-Gvir.

Militärsprecher Richard Hecht sagte am Montag, Ziel der Operation "Heim und Garten" sei es, "terroristische Infrastruktur" zu zerschlagen. Das Militär wolle die Stadt, die unter der Kontrolle der palästinensischen Autonomiebehörde (PA) steht, nicht besetzen. Dschenin solle jedoch nicht weiter "ein sicherer Hafen für Terroristen" sein. Demnach flüchteten seit vergangenen September 19 Palästinenser nach Anschlägen auf Israelis in das keine 80 Kilometer Luftlinie von Jerusalem gelegene Dschenin.

Empfohlener externer Inhalt
X
X

Wir benötigen Ihre Einwilligung, um den von unserer Redaktion eingebundenen X-Inhalt anzuzeigen. Sie können diesen (und damit auch alle weiteren X-Inhalte auf t-online.de) mit einem Klick anzeigen lassen und auch wieder deaktivieren.

Militante Gruppen, finanziert aus dem Iran

Die Stadt Dschenin im Norden des von Israel seit 1967 besetzten Westjordanlandes und das angrenzende Flüchtlingslager mit rund 17.000 Bewohnern sind immer wieder Schauplatz von Zusammenstößen zwischen israelischen Soldaten und militanten Palästinensern. Die israelische Armee nimmt regelmäßig Razzien in dem Gebiet vor, das theoretisch unter der Kontrolle der Palästinenserbehörde von Präsident Mahmud Abbas steht.

Neben der im Gazastreifen herrschenden Hamas haben dort in den vergangenen Jahren auch die militante Palästinenserorganisation Islamischer Dschihad sowie weitere Gruppierungen dort massiv an Einfluss gewonnen. Finanziert werden sie größtenteils aus dem Iran. Das dort herrschende islamische Regime betrachtet Israel seit Jahren als Staatsfeind.

Die Hamas rief am Morgen zur Mobilisierung der Palästinenser im Westjordanland auf und sicherte ihren Kämpfern in Dschenin Unterstützung zu. "Solange diese Aggression nicht aufhört, werden die Reaktionsmöglichkeiten breit und umfassend sein", warnte ein Sprecher des Islamischen Dschihads. Der Sprecher des palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas sprach von einem "neuen Kriegsverbrechen" und forderte von der internationalen Gemeinschaft, "ihr beschämendes Schweigen zu brechen und ernsthafte Maßnahmen zu ergreifen".

Zuletzt kam es in Dschenin vor gut 20 Jahren während des zweiten Palästinenseraufstandes (2000-2005) zu einem vergleichbaren Einsatz. Im Jahr 2002 lieferten sich israelische Soldaten und militante Palästinenser in den engen Gassen des Lagers tagelange Gefechte. Mehr als 50 Palästinenser und 23 israelische Soldaten wurden damals getötet.

Experte sieht in Militäroffensive keine Lösung für Konflikt

Nach Angaben von Jochanan Zoref vom Institut für Nationale Sicherheitsstudien könnten sich die Kämpfe auf weitere Fronten ausweiten. "Die Hamas und weitere militante Gruppierungen im Gazastreifen und im Nachbarland Libanon sind von dem Angriff überrascht worden", sagte er. Sie wiegen demnach nun ab, ob sie sich aus ihren Gebieten beteiligen sollen. Dies sei auch von der Zahl der Opfer und von der Wucht des Widerstands im Westjordanland abhängig.

Eine nachhaltige Lösung des palästinensisch-israelischen Konflikts sieht Zoref jedoch nicht in dem Einsatz. Diese sei nur möglich, wenn Israel wieder in einen politischen Dialog mit der PA eintrete. Das Militär könne ihn nicht allein lösen. "Wir kaufen uns nur Zeit." Verhandlungen zwischen Israel und den Palästinensern liegen seit 2014 brach.

Die Sicherheitslage in Israel und den palästinensischen Gebieten ist seit langem angespannt und hatte sich zuletzt nach einem tödlichen Anschlag zweier Palästinenser auf vier israelische Siedler nochmals verschärft. Seit Beginn des Jahres kamen 25 Israelis, ein Ukrainer und ein Italiener bei Anschlägen von Palästinensern ums Leben. Im gleichen Zeitraum wurden mehr als 180 Palästinenser durch israelisches Militär getötet. Das ergab eine Zählung der Nachrichtenagentur AFP auf Grundlage offizieller Quellen.

Israel eroberte das Westjordanland und Ost-Jerusalem während des Sechstagekrieges 1967. Die Palästinenser fordern seitdem die Gebiete für einen eigenen Staat.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagenturen dpa, AFP, Reuters
  • juedische-allgemeine.de: Israel reagiert auf Terrorangriffe aus Dschenin
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...



TelekomCo2 Neutrale Website