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Iran: Gewalt durch Regimekräfte? 16-Jährige liegt im Koma


16-Jährige nach Polizeiangriff im Koma
"Schon wieder kämpft eine junge Frau um ihr Leben"

Von dpa, mam, lw

Aktualisiert am 05.10.2023Lesedauer: 3 Min.
Armita Garawand: Die 16-Jährige liegt im Koma.Vergrößern des BildesArmita Garawand: Die 16-Jährige liegt im Koma. (Quelle: Kurznachrichtendienst X)
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Im Iran ist eine 16-Jährige ins Koma gefallen. Menschenrechtler werfen dem Regime vor, Gewalt gegen sie angewendet zu haben. Erinnerungen an den Fall Amini werden wach.

Im Iran liegt eine 16-jährige Schülerin im Koma, nachdem sie von der sogenannten Sittenpolizei des islamischen Regimes angegriffen worden sein soll. Menschenrechtsorganisationen wie die in Norwegen ansässige Organisation "Hengaw" berichteten, Armita Garawand sei in der Teheraner U-Bahn von einem der Sittenwächter zusammengeschlagen worden. Auslöser soll ein Verstoß gegen die Kopftuchpflicht gewesen sein.

Iranische Staatsmedien behaupten hingegen, dass die Schülerin am Sonntag in ein Krankenhaus eingeliefert wurde, nachdem sie in der U-Bahn in Ohnmacht gefallen war. Das Mädchen habe angeblich aufgrund eines "Blutdruck-Abfalls" ihr Gleichgewicht verloren und sei daraufhin mit dem Kopf gegen die Zugkante geschlagen. Ihre Freunde hätten sie daraufhin aus dem U-Bahn-Waggon getragen und den Rettungsdienst gerufen.

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Unterdessen ist die Mutter der 16-Jährigen laut Hengaw festgenommen worden. Das berichtete die Organisation mit Sitz in Norwegen auf der Online-Plattform X (ehemals Twitter) am Donnerstag. Staatsmedien wiesen den Vorwurf einer Festnahme zurück.

Staatliche Nachrichtenagentur veröffentlicht Videoaufnahmen

Von der staatlichen Nachrichtenagentur Irna veröffentlichte Videoaufnahmen von der Metrostation sollen den Vorfall in der Teheraner U-Bahn zeigen. Zu sehen ist demnach eine Gruppe von Frauen, die ein Kopftuch tragen, einen U-Bahn-Waggon betreten und nur wenige Sekunden später eine ohnmächtige Person wieder heraustragen. Auf den Videos ist nicht zu erkennen, ob die Frau eine Kopfbedeckung trägt.

"Hengaw" wirft der Nachrichtenagentur des Regimes vor, das Video bewusst zu kurz geschnitten und lediglich die Außenperspektive des Zuges gewählt zu haben. In Anbetracht der zahlreichen Überwachungskameras, die das Regime im Iran im öffentlichen Raum installiert hat, ist es unwahrscheinlich, dass es keine weitere Aufnahme der Szene gibt, die eine andere Perspektive zeigt.

Iraner fühlen sich an Jona Mahsa Amini erinnert

Auch berichten die Menschenrechtsaktivisten unter Berufung auf eine vertrauliche Quelle, dass das Krankenhaus derzeit für Besucherinnen und Besucher gesperrt sei. Die Journalistin Maryam Lotfi sei auf dem Weg dorthin vorübergehend festgenommen worden, berichtete die Tageszeitung "Sharg". Sie habe sich über den Gesundheitszustand der Jugendlichen erkundigen wollen.

Garawands Eltern sprachen in einem von Irna veröffentlichten Interview ebenfalls von einem Unfall. Laut "Hengaw" entstand das Interview unter Druck. Das Krankenhaus, in dem sich Garawand befinde, werde streng bewacht, berichteten die Menschenrechtler unter Berufung auf interne Quellen. Regimekräfte hätten außerdem die Telefone von Garawands Angehörigen konfisziert – weil sie verdächtigt würden, Fotos der 16-Jährigen in der Klinik zu versenden. Garawand kommt Berichten zufolge aus Kuhdasht (Provinz Lorestan), lebt aber seit einigen Jahren mit ihrer Familie in der Hauptstadt Teheran.

Fall erinnert an Jina Mahsa Amini

In sozialen Medien schreiben Iranerinnen und Iraner, sie fühlten sich an den Fall der iranischen Kurdin Jina Mahsa Amini erinnert. Die 22-Jährige war im September 2022 wegen eines angeblich schlecht sitzenden Kopftuches von der Sittenpolizei des islamischen Regimes gewaltsam festgenommen worden. Anschließend fiel sie ins Koma und starb.

Auch damals bestritt das Regime, Gewalt gegen die junge Frau angewendet zu haben, Videoaufnahmen und Recherchen internationaler Medien belegten aber das Gegenteil. Ihr Tod löste die größten Proteste seit Jahrzehnten aus. Lesen Sie hier ein Interview mit Aminis Cousin Erfan Mortezaie, der immer noch gegen das Regime kämpft.

Die Menschenrechtsaktivisten von Amnesty Deutschland schrieben auf der Plattform X (vormals Twitter): "Wir sind sehr besorgt über [Armitas] Gesundheitszustand. Die Parallelen zu #JinaMahsaAmini sind unübersehbar. Wir fordern Aufklärung & Konsequenzen!"

"Unerträglich"

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock äußerte sich ebenfalls zu den jüngsten Berichten über die 16-jährige Armita: "Schon wieder kämpft eine junge Frau in Iran um ihr Leben. Allein, weil sie in der U-Bahn ihre Haare gezeigt hat", schrieb Baerbock auf X und nannte die Situation "unerträglich". "Die Eltern von #ArmitaGarawand gehören nicht vor Kameras gezogen, sondern haben das Recht, am Krankenbett ihrer Tochter zu sein", schrieb Baerbock.

CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen postete auf X ein Foto von Armita und schrieb dazu: "Es wird immer & immer wieder junge Frauen wie #JinaMahsaAmini o. #ArmitaGarawand geben, die nun um ihr Leben kämpft, wenn wir nicht endlich unsere Iranpolitik ändern. Ziel muss sein, die Menschen in ihrem Freiheitskampf gegen das Mullah-Regime so gut wie möglich zu unterstützen."

Die Beziehungen zwischen Deutschland und dem Iran sind seit geraumer Zeit angespannt. Nach der landesweiten Protestwelle im Herbst 2022 äußerte Baerbock offen Kritik am gewaltsamen Vorgehen der iranischen Staatsmacht gegen die Demonstranten. Iranische Politiker warfen der Bundesrepublik im Gegenzug vor, sich in innere Angelegenheiten der Islamischen Republik einzumischen.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
  • twitter.com: Profil von @ABaerbock, @n_roettgen, @daniela_sepehri
  • hengaw.net: "Hengaw’s report on a teenage girl, a victim of mandatory "Hijab" in Tehran’s Metro in Iran" (englisch)
  • hengaw.net: "Ambiguity in Armita’s health condition and excessive pressure from government authorities on her family" (englisch)
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