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Zum journalistischen Leitbild von t-online. Liefern die USA der Ukraine neue Waffen? "Die Zerstörung wäre eine Katastrophe"

Donald Trump will eine "wichtige Erklärung" zu Russland und der Ukraine abgeben. Der US-Präsident zeigt sich "enttäuscht" von Wladimir Putin. Doch was folgt daraus?
An diesem Montag reist Nato-Generalsekretär Mark Rutte zu einem Treffen, das eine neue Zäsur in der Ukraine-Politik der westlichen Unterstützer markieren könnte. Der Niederländer trifft sich am Nachmittag in Washington mit US-Präsident Donald Trump. Große Teile der Weltöffentlichkeit blicken gespannt auf den Termin, denn Trump hatte bereits in der vergangenen Woche für diesen Montag eine "wichtige Erklärung" mit Blick auf Russland und die Ukraine angekündigt.
Trump erklärte, er sei von Russland "enttäuscht". Zuvor hatte er bereits mitgeteilt, "nicht glücklich mit Putin" zu sein und dass der Kremlchef "eine Menge Bullshit" erzähle. Mit Blick auf mögliche Inhalte seiner angekündigten Erklärung aber hielt sich Trump weitestgehend zurück. Entsprechend viele Gerüchte gibt es, inwiefern Trump mögliche Maßnahmen gegen Russland und zur Unterstützung der Ukraine beschließen könnte.
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Brechen die USA mit ihrem Kurs der vergangenen Monate, indem sie die Waffenlieferungen für Kiew wieder deutlich ankurbeln? Soll die Ukraine womöglich sogar neue Waffensysteme bekommen? Oder beschränkt sich Trump auf politische Maßnahmen wie die Verhängung neuer Sanktionen? t-online gibt einen Überblick.
Welche Maßnahmen könnte Trump in Betracht ziehen?
Im Raum stehen aktuell mehrere Mittel. Trump selbst verwies auf einen Gesetzentwurf für neue Sanktionen, der im US-Senat verabschiedet werden soll. Dieser sieht Sekundärsanktionen in Form von horrenden Zöllen gegen Länder vor, die noch immer mit Russland handeln. Insbesondere China und Indien würden hart getroffen, weil sie unter anderem Öl aus Russland beziehen oder Güter liefern, die sowohl zivil als auch militärisch genutzt werden können.
Das US-Portal Axios berichtet außerdem, dass Trump die Lieferung sogenannter Offensivwaffen in Betracht ziehe. Darunter würden demnach weiterreichende Waffen fallen, mit denen auch Moskau angegriffen werden könnte. Bisher hatte der Republikaner solche Militärhilfen ausgeschlossen und vorrangig Waffen zur Abwehr russischer Angriffe geliefert – etwa Flugkörper für die ukrainische Luftverteidigung.
Der Militärexperte Gustav Gressel rät angesichts der kursierenden Berichte zur Vorsicht: "Für Jubelrufe über einen neuen Kurs Trumps in seiner Ukraine-Politik ist es noch zu früh. Denn bisher gibt es keine gesicherten Informationen", erklärt er im Gespräch mit t-online. Einzig gesichert sei bisher, dass die USA es den Europäern erlauben wollen, US-Waffen zur Weitergabe an die Ukraine zu kaufen. Dass Trump zudem eine Entscheidung zu Zöllen und neuen Sanktionen treffen könnte, hält Gressel für "wahrscheinlich".
Die europäischen Ukraine-Unterstützer hatten in Trumps Amtszeit seit Januar bereits mehrfach nach Ankündigungen des US-Präsidenten auf eine härtere Gangart Washingtons gegenüber Russland gehofft. Bislang wurden sie dabei aber regelmäßig enttäuscht.

Zur Person
Gustav Gressel ist Hauptlehroffizier und Forscher am Institut für Strategie und Sicherheitspolitik der Landesverteidigungsakademie in Wien. Zuvor war er als Senior Policy Fellow bei der politischen Denkfabrik European Council on Foreign Relations (ECFR) tätig. Er beschäftigt sich in seiner Forschung schwerpunktmäßig mit den militärischen Strukturen in Osteuropa und insbesondere mit den russischen Streitkräften.
"Es ist hingegen unwahrscheinlich, dass die USA nun völlig neue Waffensysteme wie Marschflugkörper der Typen Tomahawk oder JASSM in die Ukraine liefern", schränkt der Militärexperte ein. Der Bruch mit Trumps bisheriger Ukraine-Politik wäre wohl zu groß. Mehrfach schon hatte die Ukraine Tomahawk-Lieferungen von den USA erbeten, war jedoch nicht erhört worden. Im vergangenen Sommer gab es zudem Berichte, dass der damalige US-Präsident Joe Biden JASSM-Marschflugkörper an die Ukraine liefern könnte. Bisher war das jedoch nicht der Fall.
"Möglich ist jedoch, dass Trump neue Lieferungen von GMLRS-Raketen für Himars-Raketenwerfer oder weitere ATACMS-Raketen freigibt", erklärt Gressel. "Bei Letzteren würde es sich um alte Flugkörper handeln." Die USA hatten bereits seit 2023 ATACMS an die Ukraine geliefert. Manche von ihnen galten als aussortiert, weil sie Lagerfristen überschritten hatten. Militärexperten wiesen jedoch stets darauf hin, dass auch diese Raketen in der Regel noch militärisch nutzbar seien.
Was braucht die Ukraine von den USA?
"Vorrangig geht es um Patriot-Flugabwehrsysteme", sagt Gressel. Für die Ukraine sei eine funktionierende und zuverlässige Luftverteidigung "essenziell". In den vergangenen Monaten hat Russland die Schlagzahl und den Umfang der Luftangriffe auf die Ukraine deutlich gesteigert. Allein am vergangenen Mittwoch attackierte Russland ukrainische Städte mit 728 Schahed-Drohnen und 13 Raketen, darunter ballistische Hyperschallwaffen des Typs Kinschal und ballistische Iskander-Kurzstreckenraketen. Der Kreml weiß um den Mangel der Ukraine im Bereich der Luftverteidigung und versucht, diese Schwäche auszunutzen.
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Die Patriot-Abschussrampen in der Ukraine sind mit PAC-2 oder PAC-3-Raketen bestückt. Dabei handelt es sich um die zweite und dritte Generation der Flugkörper, die jeweils unterschiedliche Eigenschaften zur Abwehr von Raketen haben. "Die PAC-3-Raketen werden für die Ziele eingesetzt, die am schwierigsten abzufangen sind – zumeist also ballistische Raketen", erklärt Gressel. Ihre Aufgabe sei insbesondere der Schutz der heimischen Rüstungsindustrie. "Die Zerstörung dieser Kapazitäten wäre eine Katastrophe für die Ukraine." Jede verfügbare Patriot-Rakete sei deshalb wichtig.
Ferner hat die Ukraine weitere europäische Flugabwehrsysteme im Einsatz – wie etwa Iris-T aus Deutschland. Diese Systeme haben laut dem Militärexperten jedoch einen begrenzten Nutzen, da sie vor allem die schwieriger abzufangenden russischen Raketen nicht anvisieren können: "Europäische Systeme wie SAMP/T oder Iris-T sind entweder nicht so leistungsfähig wie die Patriot oder werden, im Falle von Iris-T, für andere Ziele wie Marschflugkörper aufgespart."
Die Folge: Es gibt für die Ukraine aktuell keine Alternative zu Patriot. Kiew ist deshalb auf Trump angewiesen.
Angesichts immer weiter wachsender russischer Drohnenschwärme ist für die Ukraine zudem eine kostengünstige Abwehr dieser Waffen notwendig. Bisher wird dazu etwa der deutsche Gepard-Flugabwehrpanzer eingesetzt. Die Ukraine probt zudem den Einsatz günstiger Abfangdrohnen.
Russische Schahed-Drohnen können zwar großen Schaden an zivilen Gebäuden anrichten, fliegen jedoch verhältnismäßig langsam – und manche tragen nicht einmal Sprengstoff mit sich. Diese Attrappen sollen die ukrainische Flugabwehr überlasten. Daher ist es zentral, dass die Ukraine keine teuren Waffen wie Patriot-Raketen, deren Kosten pro Stück in die Millionen gehen, zur Drohnenabwehr einsetzen muss.
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Außerdem sei Nachschub an GMLRS-Flugkörpern für die Himars-Raketenwerfer aus US-Produktion wichtig, erklärt Gressel. Dabei handelt es sich um präzisionsgelenkte Boden-Boden-Raketen, die die russischen Truppen insbesondere im ersten Kriegsjahr vor große Probleme stellten. Die USA haben insgesamt gut 40 Himars an die Ukraine geliefert. "Ohne die nötige Munition wären sie aber nutzlos", so Gressel.
Warum zögerten die USA zuletzt mit Patriot-Lieferungen?
Für das Zögern der US-Regierung gibt es laut Gressel vor allem drei Gründe: die begrenzten Produktionskapazitäten für Patriot-Raketen in den USA, die unter Präsident Trump unklare Priorisierung von Kunden sowie die erratische Ukraine-Politik des Republikaners.
Bisher verfügt die Ukraine über mindestens sieben Patriot-Systeme: jeweils drei aus Deutschland und den USA sowie ein weiteres aus Rumänien. Trump selbst kündigte am Sonntag an, weitere Patriots an die Ukraine zu liefern. Wie viele Systeme es sein könnten, ließ er offen. Zahlen sollen dafür die Europäer. Es werde ein Geschäft für die USA sein, sagte Trump. Die Bundesregierung erklärte sich zur Finanzierung von zwei Systemen bereit.
Bisher gibt es lediglich Hinweise darauf, woher die Systeme kommen könnten. So hat Israel im vergangenen Jahr die Außerdienststellung von acht Patriots angekündigt, "die die USA wohl an die Ukraine weitergeben könnten", erklärt Militärexperte Gressel. Bereits im Juni bestätigte der israelische Botschafter in Kiew die Lieferung einer nicht näher genannten Zahl von Patriots. Gressel: "Dabei bleibt jedoch eine Frage offen: Kommt auch die nötige Munition für die Systeme zusammen?"
Die Kapazitäten zur Produktion sind begrenzt und liegen derzeit ausschließlich in den Vereinigten Staaten. "Die USA produzieren aktuell jährlich rund 650 PAC-3- sowie etwa 250 PAC-2-Raketen", so der Experte. Seit Beginn der russischen Vollinvasion habe Hersteller Lockheed Martin die Produktion von damals etwa 500 PAC-3-Raketen pro Jahr zwar schon gesteigert. Ab 2026 sollen sogar bis zu 750 Stück vom Band laufen. "Doch die russische Produktion von ballistischen Raketen und anderen Zielen für die ukrainische Flugabwehr wächst schneller", unterstreicht Gressel.
Angesichts des Ziels von Donald Trump, die US-Ausgaben für den Ukraine-Krieg deutlich zu senken, bleibt zudem offen, ob die Ukraine bei neuen Aufträgen Priorität hat. Bisher hatten die USA unter anderem selbst Aufträge zur Rüstungsproduktion erteilt, die bei der heimischen Industrie Vorrang haben. Unter Präsident Biden habe die Ukraine dabei oberste Priorität gehabt, sagt Gressel. "Bei Donald Trump scheint das jedoch anders zu sein. Womöglich muss die Ukraine nun mit anderen Kunden konkurrieren, die selbst nicht direkt in Kriege verwickelt sind, etwa Saudi-Arabien."
Außerdem haben die USA weitere Verpflichtungen rund um den Globus, die weitere Patriots binden – derzeit besonders im Nahen Osten, aber auch im Indopazifik. Laut einem Bericht des britischen "Guardian" sollen die Vereinigten Staaten deshalb nur noch etwa über 25 Prozent ihres geplanten Bedarfs an Patriot-Raketen verfügen. Allein knapp 30 Raketen sollen die USA zur Abwehr des iranischen Vergeltungsangriffs auf die Basis Al-Udeid in Katar vergangenen Monat eingesetzt haben. Zuvor hatte Trump iranische Atomanlagen angreifen lassen.
Die USA könnten also zunächst ihre eigenen Bestände auffüllen wollen, um auch für einen möglichen Konflikt mit China gerüstet zu sein. Trump hatte beim Nato-Gipfel im Juni angekündigt, dass die USA die Patriot-Systeme selbst benötigen würden.
- Telefoninterview mit Gustav Gressel am 14. Juli 2025
- axios.com: "Trump to announce 'aggressive' Ukraine weapons plan" (englisch)
- theguardian.com: "US only has 25% of all Patriot missile interceptors needed for Pentagon’s military plans" (englisch)
- apnews.com: "Trump to meet NATO secretary-general as plan takes shape for Ukraine weapons sales" (englisch)
- tagesschau.de: "Israelische 'Patriot'-Systeme für die Ukraine?"
- deutschlandfunk.de: "Warum die Patriot-Systeme so wichtig für die Ukraine sind"