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Russland: Wladimir Putin sagt LGBTQ den Kampf an


Disziplinierung der Gesellschaft?
Das führt Putin wirklich im Schilde

MeinungEine Kolumne von Wladimir Kaminer

31.03.2023Lesedauer: 3 Min.
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Wladimir Putin: Russland Despot will die Gesellschaft kontrollieren.Vergrößern des Bildes
Wladimir Putin: Russland Despot will die Gesellschaft kontrollieren. (Quelle: Anton Novoderezhkin/dpa)

Wladimir Putin hat LGBTQ den Kampf angesagt, er plant aber noch mehr. Denn eines kann Russlands Machthaber nicht ertragen. Meint Wladimir Kaminer.

Überall auf der Welt bekämpfen sich Archaik und Moderne. Die Fronten verlaufen geradezu durch jede Küche, es gibt Minenfelder, wohin man auch blickt. Besonders hart ist gerade die Genderfront umkämpft. Kürzlich hat das Parlament im afrikanischen Staat Uganda eine Anti-LGBTQ-Gesetzgebung verabschiedet, die lange Haft für diese Menschen verlangt. Und noch schlimmer, gar die Todesstrafe wird als Option für "schwere Vergehen" im Bereich der Homosexualität vorgesehen.

Dieses neue Gesetz kriminalisiert die Betroffenen allein für ihre bloße Existenz, außerdem verpflichtet es alle Bürgerinnen und Bürger des Landes, Queer-Personen zu denunzieren, besonders wenn es sich dabei um Familienmitglieder, Freunde oder Arbeitskollegen handelt. Das Parlament von Uganda hat beinahe einstimmig für das neue Gesetz votiert, von 389 Parlamentariern waren 387 dafür.

(Quelle: Frank May)

Wladimir Kaminer ist Schriftsteller und Kolumnist. Er wurde 1967 in Moskau geboren und lebt seit mehr als 30 Jahren in Deutschland. Zu seinen bekanntesten Werken gehört "Russendisko". Kürzlich erschien sein neues Buch "Wie sage ich es meiner Mutter. Die neue Welt erklärt: von Gendersternchen bis Bio-Siegel".

Laut Umfragen von Meinungsforschungsinstituten soll der Anteil von nicht heterosexuellen Menschen in allen Ländern rund um den Globus in etwa gleich sein – es handelt sich jeweils um etwa sieben Prozent der Bevölkerung. Wenn man dieser Statistik Glauben schenken möchte, haben damit 27 Abgeordnete aus Uganda ihrem eigenen Todesurteil zugestimmt.

Die Russische Föderation versucht ihrerseits, Uganda hinterherzulaufen, der Präsident ist ähnlich homophob und das Parlament macht mit, obwohl der Parlamentssprecher und etliche Abgeordnete privat ein großes Risiko eingehen, selbst unter die Räder der homophoben Justiz zu kommen. Ihre Angst vor dem Präsidenten scheint aber größer zu sein.

Gefahr aus dem Kindertheater?

Bis jetzt blieb es in Russland vor allem bei einer Zensur der Öffentlichkeit. Sogenannte Propaganda für "nicht traditionelle" Beziehungen ist strengstens verboten. Selbst die Erwähnung solcher steht unter Strafe. Alle Verlage wurden angewiesen, die von ihnen bereits herausgegebenen oder in Planung befindlichen Bücher in dieser Hinsicht zu durchforsten.

Auch alle Filme und Theaterstücke sind betroffen. Als Erstes denunzierten besorgte Eltern selbstverständlich die Kindertheater – denn dort scheint es die Regel zu sein, dass männliche Schauspieler sich als Frauen oder gar als Häschen beziehungsweise Eichhörnchen verkleiden und "nicht traditionelle" Paarungstänze vorführen. So etwas könnte den Kleinen ein falsches Bild von Männlichkeit und Weiblichkeit vermitteln, lautet die Befürchtung.

Die Werbebranche wiederum ist durch das Gesetz in die Krise geraten, in der Werbung werden permanent "nicht traditionelle" Beziehungsformen demonstriert. Neben offiziell akzeptiertem Verhalten – wie der Liebe zwischen einem Mann und seinem Auto oder der Beziehung einer Frau zu ihrem Waschpulver – ist die Werbung voll davon.

Menschen verspüren in der Handlung der Werbespots ein starkes emotionales Verlangen nach Zahnpasta und Kosmetik, sie zeigen sich äußerst angeregt von Kartoffelchips oder Menschen, die solche zu sich nehmen. In einem neuen Gesetz steht jedoch schwarz auf weiß, dass jedwede positive Darstellung "nicht traditioneller" Beziehungen unter Strafe gestellt ist. Das Gesetz, das die "Propaganda für nicht traditionelle sexuelle Beziehungen" verhindern soll, ist aber selbstverständlich so offen formuliert, dass jede und jeder eines Verstoßes beschuldigt werden kann.

Was will der Kreml?

Böse Zungen behaupten, dass dieses Gesetz gar nicht der Homophobie der politischen Führung geschuldet sei, sondern dem generellen Wunsch, die Gesellschaft unter Kontrolle zu halten. Es gehe dabei gar nicht in erste Linie um Sexualität. Denn eigentlich sind in den großen russischen Städten, anders als in Uganda, die Gay Clubs jedes Wochenende voll – und fast jede Sauna des riesigen Landes hat einen speziellen "Männertag" in ihrem Programm.

Möglicherweise ist der tiefere Grund für die neue Gesetzgebung der Wunsch der Führung, ein von der Gesellschaft akzeptiertes Feindbild des Andersdenkenden zu schaffen. Es wird in den Kreml-treuen Medien ständig behauptet, das Land sei vom Westen angegriffen worden und die "hinterhältigen" Europäer würden Werte verbreiten, die für die russische Gesellschaft "nicht traditionell" seien, sprich: liberal.

Was das genau für Werte sind und was an diesen Werten so schlecht sein soll, dass sich das ganze Land zum Schutz von der Außenwelt abschotten und seine Gesetzgebung ändern muss, wird allerdings nicht erklärt. Geht es um Demokratie, den Wechsel des politischen Personals, das Recht auf Meinungsfreiheit und Toleranz?

Das sind Werte, die es einem Individuum erlauben, sein Leben nach eigenem, nicht vom totalitären Staat vorgeschriebenen Entwürfen zu gestalten. Nicht vor Homosexuellen an sich hat der Staat Angst, sondern vor freien Bürgerinnen und Bürgern – mit dem neuen Gesetz soll ihnen das Recht entzogen werden, frei zu denken und zu handeln.

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