Antisemitismus in Russland Putin entlarvt sich mit Propaganda selbst
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Antisemitismus hat eine lange Historie in Russland. Seit Ende des Kalten Krieges war die Judenfeindlichkeit zwar zurückgegangen, doch jetzt wirft Putin mit neuen Aussagen Fragen auf.
Die antisemitischen Übergriffe im Nordkaukasus haben seit dem Angriff der Hamas auf Israel zugenommen – und Aufschlüsse über den Judenhass in Russland gegeben. Vor allem Präsident Wladimir Putin sorgt mit neuen Aussagen im russischen Staatsfernsehen für Wirrwarr.
Denn der Kremlchef spricht in einer Sitzung über die Übergriffe in Dagestan und erklärt, dass diese seiner Meinung nach von ukrainischem Gebiet aus inspiriert worden sind. Belege konnte er für die Anschuldigungen nicht vorlegen.
Die Aussagen der Kreml-Mitglieder zu Antisemitismus und Nazis widersprachen sich schon in der Vergangenheit immer wieder.
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Vor dem Hintergrund des Gaza-Kriegs kam es an einem Flughafen in Dagestan am Sonntagabend zu antisemitischen Gewaltexzessen. Ein Mob stürmte das Rollfeld, auf dem ein Flieger aus Israel ankam. Dabei wurden etwa 20 Menschen verletzt.
Der antisemitische Angriff löste weltweit Entsetzen aus. Für Russlands Präsident Putin ist klar: Die Ausschreitungen seien vom Westen angestiftet worden. Was aber auffällt: Er widerspricht sich selbst.
Das russische Staatsfernsehen zeigte jetzt diese Szene vom Montagabend: Der Kremlchef spricht bei einer Sitzung zur Sicherheitslage Russlands. Er erklärt, die Ereignisse in Dagestans Hauptstadt Machatschkala seien von ukrainischem Gebiet aus inspiriert worden, durch die Hände westlicher Geheimdienste.
Belege dafür legte er nicht vor.
Die antisemitischen Übergriffe in mehreren russischen Regionen im Nordkaukasus häufen sich derzeit. Ein Grund dafür ist, dass dort mehrheitlich Muslime leben, die sich mit den Palästinensern solidarisieren.
Antisemitismus hat in Russland zudem lange Tradition – besonders während Sowjetzeiten war die Judenfeindlichkeit ausgeprägt. Nach dem Ende des Kalten Krieges zogen dann viele russische Juden nach Israel. Inzwischen soll – unter anderem unter der Präsidentschaft Putins – der Antisemitismus zurückgegangen sein. Das bestätigte zuletzt die Umfrage des unabhängigen Meinungsforschungsinstitutes Lewada-Zentrum vor fünf Jahren.
Der Kreml behauptet, entschieden gegen rechtsextreme Tendenzen und Antisemitismus zu kämpfen. Die sogenannte “Entnazifizierung” und der Versuch eines Sturzes der dortigen Regierung war auch das erklärte Ziel des Angriffskrieges in der Ukraine. Dass der ukrainische Präsident Selenskyj selbst Jude ist, spielte dabei für Russland keine Rolle. Der russische Außenminister Lawrow erklärte 2022, selbst Adolf Hitler habe jüdisches Blut in sich gehabt, und die schlimmsten Antisemiten seien ohnehin die Juden selbst.
Dieser absurde Widerspruch setzt sich im Rahmen der Ausschreitungen in Nahost fort: Putin stellte kürzlich Gaza mit Leningrad in Russland gleich, das im Zweiten Weltkrieg von der deutschen Wehrmacht belagert wurde – Millionen waren damals gestorben. Israel stehe mit seinen Angriffen nun auf derselben Stufe – so der russische Präsident.
Eine fatale Aussage, denn so setzt er Israels Politik mit jener der Nationalsozialisten gleich und befeuert die Israel- und Judenfeindlichkeit in seinem Land.
Mit welcher Aussage Putin jetzt für Kritik sorgt, welcher Widerspruch darin steckt und welche Rolle der Ukraine-Krieg spielt, sehen Sie hier oder im Video oben.
- 20min.ch: "So weit reicht der Judenhass in Russland zurück"
- n-tv.de: "Munz: Putin hat Israel auf eine Stufe mit Nazis gestellt"
- spiegel.de: "Russland macht Westen für Angriffe in Dagestan verantwortlich"
- twitter.com: Beitrag von @JuliaDavisNews