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US-Truppenabzug aus Afghanistan: Zerstörte Hoffnungen der Bewohner von Bagram


Nach Abzug der US-Truppen
Die zerstörten Hoffnungen der Bewohner von Bagram

Von afp, mam

03.07.2021Lesedauer: 3 Min.
Das Tor des Luftwaffenstützpunktes Bagram: Mit dem Abzug der US-Truppen haben viele Bewohner in Bagram ihre Arbeit verloren.Vergrößern des BildesDas Tor des Luftwaffenstützpunktes Bagram: Mit dem Abzug der US-Truppen haben viele Bewohner in Bagram ihre Arbeit verloren. (Quelle: Rahmat Gul/AP/dpa/dpa-bilder)
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Die US-Armee hat ihre Truppen abgezogen und mit ihnen die Wirtschaftskraft des ehemaligen afghanischen Stützpunktes Bagram. Zurück bleibt ein Haufen Schrott – und die Enttäuschung der Bewohner.

Mir Salam arbeitet sich an der Hauptstraße von Bagram durch einen Haufen aus Elektro-Schrott: Militär-Telefone ohne Hörer und Thermoskannen ohne Deckel, zerbrochene Computer-Tastaturen und Druckergehäuse. "Die Amerikaner", stößt er wütend hervor, "zerstören einfach alles." Der Mann versteht nicht, weshalb die US-Truppen bei ihrem Abzug aus Afghanistan all die Dinge "in die Luft jagen oder verbrennen", die sie nicht mitnehmen wollten oder konnten. "Auf diesem Stützpunkt gab es massenhaft neue Dinge, mit denen man Afghanistan zwanzig Mal wieder hätte aufbauen können", sagt der Mann um die 40.

20 Jahre lang war Bagram der Dreh- und Angelpunkt des internationalen Truppeneinsatzes in Afghanistan. Nach dem Abzug der letzten verbliebenen US-Soldaten und ihrer Nato-Verbündeten von dem strategisch wichtigen Militärstützpunkt lässt sich die florierende Vergangenheit des Städtchens nur noch erahnen. Stattdessen prägen Müllberge aus Elektro-Schrott und die Resignation seiner Bewohner das Bild des Ortes, der rund 50 Kilometer von der Hauptstadt Kabul entfernt liegt.

Salam: "Natürlich bin ich wütend"

Während die militärische Ausrüstung mit den US-Soldaten in die Vereinigten Staaten zurückkehrte oder den afghanischen Streitkräften übergeben wurde, verbleiben Tonnen an ziviler Ausrüstung auf dem ehemaligen Stützpunkt. Nun boomt in Bagram der Schrotthandel – profitieren können davon jedoch nur wenige. "Natürlich bin ich wütend", sagt Salam mit Blick darauf, dass das meiste von der US-Armee gesprengt oder verbrannt wurde. "Sie haben unsere Eltern, unsere Kinder in diesem Krieg getötet!"

Salam ist Mieter einer kleinen Parzelle auf der Hauptstraße von Bagram, in der er Schrott aus der Militärbasis lagert, den er für wenig Geld an spezialisierte Sammler weiterverkauft. Die Parzelle kostet ihn etwa 1.000 Afghani (rund zehn Euro) im Monat. Viele Bagramer verdienen auf ähnliche Weise wie Salam ihr Geld. Unter den Läden entlang der Hauptstraße gibt es aber auch große Depots, die von bewaffneten Wachleuten abgesichert werden und Kaufhäusern ähneln.

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Die großen Akteure auf dem Markt verfügen über Verträge, die ihnen den ersten Zugriff auf den Schrott aus der Militärbasis sichern. Sie wählen unter jenen Teilen aus, die noch repariert werden können oder über wertvolle Bestandteile verfügen – etwa Elektrokabel aus Kupfer oder Gegenstände aus Aluminium.

Von Monitoren zu Weihnachtsbäumen

Nichts werde verschwendet, sagte der Schrotthändler Hadschi Noor Rahman, der eine Art Kaufhaus für Schrott betreibt. "Die Leute kaufen alles, was wieder genutzt werden kann." In seinem Laden verkauft Rahman kaputte Stühle, beschädigte TV-Monitore und alte Fitnessgeräte. Aber auch Weihnachtsbäume aus Kunststoff und andere festliche Dekorationsartikel finden bei ihm Abnehmer.

Abdul Basir ist gemeinsam mit einem Freund aus Kabul angereist, um bei Rahman einzukaufen. Sechs verzogene Metalltüren ergattern sie hier für rund 8.000 Afghani.

Schwere Vorwürfe an die USA

Bagram war die größte Militärbasis der USA und der Nato in Afghanistan. Auf dem Stützpunkt waren zeitweise bis zu 30.000 Soldaten stationiert, darunter auch Soldaten der Bundeswehr. Während ihrer Hochzeit wurde die kleine Stadt am Flugfeld von Hunderttausenden von Soldaten und zivilen Auftragnehmern besucht. Es gab Schwimmbäder, Kinos und Spas – und sogar eine Promenade mit Fast-Food-Läden wie die der Ketten "Burger King" und "Pizza Hut".

Nach dem am Freitag abgeschlossenen Truppenabzug aus Bagram bangen viele Afghanen nicht nur um ihre Sicherheit – auch um Wirtschaft und Arbeitsplätze fürchten viele. "Der Rückzug der amerikanischen Truppen wird schlechte Auswirkungen auf die Wirtschaft des Landes und jene von Bagram haben", sagte der Bezirksgouverneur Lalah Schrin Raoufi der Nachrichtenagentur AFP. "Ihre Präsenz hier hat tausenden und abertausenden Afghanen Jobs verschafft."

Aus der Sicht von vielen Bewohnern Bagrams hat der internationale Einsatz sein Ziel verfehlt. Zu ihnen gehört Mohammed Amin, der einen Berg aus Schrott auf verwertbares Material durchsucht. "Sie sind gekommen, um unser Land wieder aufzubauen, aber jetzt zerstören sie es – sie hätten uns all diese Dinge geben können."

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur AFP
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