Drama im US-Kongress Trump ruft an – doch dieser Mann winkt ab
Der neue Vorsitzende des US-Kongresses Kevin McCarthy richtet seinen Dank an Ex-Präsident Donald Trump. Dieser meldet sich an anderer Stelle zu Wort.
Das tagelange Wahlchaos im US-Kongress endet in einer nächtlichen Sitzung. Nach 15 Wahlgängen in den vergangenen vier Tagen ist der Republikaner Kevin McCarthy nun der neue Sprecher des US-Repräsentantenhauses. Mehrere radikale Anhänger von Trump hatten ihrem 57-jährigen Parteikollegen in den vorherigen 14 Durchgängen ihre Loyalität verweigert.
Nach seinem Sieg bedankte sich McCarthy vor Reportern "besonders" bei Ex-Präsident Donald Trump. "Er hat wirklich geholfen, die letzten Stimmen zu holen", sagte McCarthy. "Ich denke nicht, dass irgendjemand an seinem Einfluss zweifeln sollte."
Auch an anderer Stelle war Trump offenbar präsent: Auf Fotos der Sitzung ist zu sehen, wie die ultrarechte Abgeordnete Marjorie Taylor Greene vor Parteikollegen mit ihrem Handy fuchtelt. "DT" ist auf ihrem Bildschirm zu lesen, was darauf hindeutet: Donald Trump ist am anderen Ende.
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Die Verschwörungstheoretikerin hielt ihr Handy daraufhin ihrem Kollegen Matt Rosendale hin – doch dieser winkte offenbar ab. Rosendale gehörte zu jenen ultrarechten Republikanern, die die Wahl McCarthys bis vor Kurzem blockiert hatten. Im 15. Wahlgang enthielt er sich schließlich, was zu McCarthys Sieg beitrug.
Marjorie Taylor Greene ist wiederum als glühende Trump-Anhängerin bekannt. Sie hatte McCarthy in der Vergangenheit immer wieder offen kritisiert, steht nun aber bisher fest hinter ihm. Grund dürfte sein, dass dieser ihr wichtige Posten und mehr Macht in der Fraktion versprochen haben dürfte. Bei den Abstimmungen war Greene häufiger an seiner Seite zu sehen. Ihre ehemaligen Trump-Mitstreiter von Rechtsaußen ging sie hingegen offensiv auf Twitter an.
Trump treibt innere Spaltung der Partei voran
Ob Trump auch mit McCarthy telefonierte, ist unklar. Dennoch zeigen Szenen wie diese: Die republikanische Fraktion ist zerrüttet. Und Trump hat es in jedem Fall geschafft, die interne Spaltung der Partei voranzutreiben.
McCarthy kann sich jedenfalls darauf einstellen, ab sofort ständig Kämpfe dieser Art auszutragen, um Mehrheiten zu organisieren. Dabei ist es üblicherweise schon schwierig genug, Widerstände der anderen Fraktion im Repräsentantenhaus oder der anderen Kongresskammer zu überwinden.
Das Repräsentantenhaus hat wichtige Aufgaben im Gesetzgebungsprozess. Es muss etwa den Haushalt absegnen, der die Regierungsgeschäfte finanziert, und dafür sorgen, dass es nicht zu einem "Shutdown" kommt. Wenn der eintritt, müssen Staatsbedienstete zum Teil zwangsbeurlaubt werden oder vorübergehend ohne Bezahlung arbeiten. Auch die Anhebung der Schuldenobergrenze steht bald wieder an. Sollte der Kongress nicht zustimmen, droht ein Zahlungsausfall der weltgrößten Volkswirtschaft. Dies hätte eine globale Finanzkrise zur Folge.
McCarthy will Job schon seit Jahren
Der demokratische Mehrheitsführer im Senat, Chuck Schumer, warnt bereits, McCarthys "Zugeständnisse an die Extremisten in seiner Partei" machten es viel wahrscheinlicher, dass es zu einem "Shutdown" oder zu einem Zahlungsausfall der USA kommen könnte, "mit verheerenden Folgen für unser Land". Schumer mahnt, McCarthys "Traumjob" könnte für das amerikanische Volk zum "Alptraum" werden.
McCarthy schielt seit Jahren auf das dritthöchste Amt im Staat und war immer darauf aus, es sich nicht mit den radikalen Anhängern Trumps zu verscherzen. Er ahnte wohl, eines Tages auf ihre Unterstützung angewiesen zu sein. Das ist gründlich nach hinten losgegangen – die Hardcore-Fans von Trump haben nicht nur gezeigt, dass auf sie kein Verlass ist, sondern dass sie den Politikbetrieb an sich verachten und auf Demontage aus sind.
Der 57-Jährige geht maximal geschwächt in sein neues Amt. Das tagelange Wahldebakel war für ihn eine öffentliche Blamage und eine Demütigung von historischem Ausmaß. McCarthy machte seinen Gegnern in den vergangenen Wochen und Tagen erhebliche Zugeständnisse – und hat sich dabei erpressen lassen. Die Radikalen pochten unter anderem darauf, die Verfahrensregeln in der Kammer so zu verändern, dass sie als Minderheit mehr Macht bekommen, um den Vorsitzenden vor sich herzutreiben. Es ist schwer vorstellbar, dass nach der Wahl eine vernünftige Zusammenarbeit möglich ist – schließlich ging es nicht nur um politische Ziele, sondern auch um Persönliches.
- Nachrichtenagentur dpa
- independent.co.uk: "Marjorie Taylor Greene boasts of ‘perfect phone call’ from Donald Trump amid House speaker crisis" (englisch)