Umstrittenes Gesetz Mehr als 50 Politiker fliehen aus Protest aus Texas

In Texas tobt ein Streit über Wahlkreisgrenzen. Die Demokraten wollen eine dafür nötige Abstimmung verhindern – und verlassen den Bundesstaat.
Ein Streit zwischen Republikanern und Demokraten im Parlament des US-Bundesstaats Texas mit potenziell nationaler Bedeutung spitzt sich zu. Eine Sitzung in der Hauptstadt Austin begann am Nachmittag (Ortszeit) ohne die meisten demokratischen Abgeordneten: Mehr als 50 demokratische Politiker hatten am Vortag den Bundesstaat verlassen, um eine Abstimmung über neue Grenzen für manche Wahlkreise bei den Wahlen zum US-Repräsentantenhaus in Washington zu boykottieren.
Die Republikaner unter US-Präsident Donald Trump wollen mit zusätzlichen Mandaten aus Texas bei den Kongresswahlen im November 2026 ihre Mehrheit in der nationalen Parlamentskammer ausbauen.
Die texanischen Demokraten flohen deshalb zunächst in die demokratisch regierten Bundesstaaten Illinois und New York, um das nötige Quorum für die Abstimmung zu verhindern ("breaking quorum"). Das gelang ihnen auch vorerst, wie der republikanische Vorsitzende des texanischen Repräsentantenhauses, Dustin Burrows, bei der Eröffnung der Sitzung in Austin beklagte. "Anstatt sich den echten Problemen der Menschen zu stellen, entziehen sich einige unserer Kollegen (...) ihrer Verantwortung", sagte Burrows.
Der Demokrat Gene Wu sprach hingegen von einem "korrupten Prozess" der Republikaner. Es gehe keinesfalls darum, "politische Spielchen zu spielen". Er ist einer der Abgeordneten, der Texas in Richtung Illinois verlassen hat. Gemeinsam mit Parteikollegen hatten sie einen Reisebus gemietet und waren aus Protest auf unbestimmte Zeit aus ihrem Heimatstaat geflohen. Andere Demokraten machten sich auf den Weg nach New York, einem weiteren von Demokraten regierten Bundesstaat.
"Wenn du als Partei in der Minderheit bist, und du kannst keine Gesetzgebung blockieren, dann ist eine der letzten Optionen natürlich, das Land zu verlassen", sagte der US-Politikprofessor Mark P. Jones dem Sender NPR. "Das hindert die Exekutive daran, bestimmte Gesetze zu verabschieden". Im texanischen Abgeordnetenhaus müssen mindestens 100 Parlamentarier anwesend sein, damit das Organ beschlussfähig ist. Die Republikaner verfügen in Texas aber nur über 88 Sitze, sie sind also darauf angewiesen, dass mindestens zwölf oder mehr Abgeordnete der Opposition bei einer Abstimmung erscheinen.
Gouverneur will Demokraten strafrechtlich belangen
Wie lange die nun außerhalb Texas sich befindlichen Parlamentarier abwesend bleiben können, ist die große Frage. Viele der Abgeordneten gehen neben ihrer Funktion als Politiker auch noch anderen Berufen nach, arbeiten zum Beispiel als Anwälte in Kanzleien.
Einen ähnlichen Vorfall hatte es zuletzt 2021 in dem Bundesstaat gegeben, als ebenfalls einige demokratische Abgeordnete Texas verließen, um eine republikanische Initiative zur Änderung des Wahlgesetzes zu verhindern. Nachdem die Demokraten fünf Wochen außerhalb des Bundesstaats verbracht hatten, kehrten sie wieder – und das Gesetz wurde verabschiedet.
Der texanische Gouverneur Greg Abbott – ebenfalls ein Republikaner – hatte gedroht, die abwesenden Demokraten aus dem Parlament des Bundesstaats auszuschließen und möglicherweise sogar strafrechtlich zu belangen. Ein solcher Schritt dürfte juristisch angefochten werden. Der texanische Generalstaatsanwalt Ken Paxton schrieb auf der Plattform X, die betroffenen Abgeordneten sollten "aufgespürt, festgenommen und unverzüglich ins Kapitol (nach Texas) zurückgebracht" werden. Wie es nun weitergeht, ist unklar.
Unterdessen erwägen der Gouverneur von Illinois, JB Pritzker, und New Yorks Gouverneurin Kathy Hochul, mit einer Gegenoffensive in ihren Bundesstaaten auf die Entwicklungen in Texas zu reagieren und ebenfalls ihre Wahlkreise zugunsten der eigenen Partei zu überarbeiten. "Man muss Feuer mit Feuer bekämpfen", kommentierte Hochul die Situation.
Aus dem Lager der Republikaner kam dagegen scharfe Kritik an dem Vorgang. "Eine Dummheit von karikatureskem Ausmaß" nannte der republikanische Parteistratege Mark Whitlock den Schritt. Andere Stimmen aus dem Trump-Lager warfen den Demokraten vor, nun Kritik an etwas zu üben, das sie selber seit Jahren betreiben würden – unter anderem im demokratisch regierten Illinois. "Ausgerechnet nach Illinois zu fliehen, um gegen republikanisches Gerrymandering zu protestieren", schrieb der republikanische Senator von Missouris, Eric Schmitt, bei X. "Das kann man sich ja gar nicht ausdenken."
Midterms schon im Blick
Hintergrund des politischen Machtkampfs ist das Kräfteverhältnis im US-Kongress, dem nationalen Parlament der Vereinigten Staaten. Der Kongress besteht aus zwei Kammern: Repräsentantenhaus und Senat. Derzeit verfügen die Republikaner in beiden Kammern über eine knappe Mehrheit. In Texas streben die Republikaner jetzt an, mehrere Wahlkreise neu zuzuschneiden. Dazu zählen traditionelle demokratische Hochburgen wie Dallas, Houston, San Antonio, Austin und Rio Grande Valley.
Sollten diese Wahlkreise durch den beabsichtigten neuen Zuschnitt den Republikanern zufallen, könnte das auch das Kräfteverhältnis auf nationaler Ebene verschieben. Dann bekäme die Trump-Partei womöglich eine deutlichere Mehrheit im Abgeordnetenhaus, was ihr das Regieren erleichtern würde. US-Medien berichten, dass die Trump-Administration im Vorfeld Einfluss auf die Gesetzesinitiative genommen habe. Texas' Gouverneur Greg Abbott gilt als treuer Trump-Hardliner.
Im November 2026 finden, wie alle zwei Jahre, die Kongresswahlen (Midterms) statt. Dann stehen alle 435 Sitze im Repräsentantenhaus sowie rund ein Drittel der 100 Senatssitze zur Wahl. Texas stellt im US-Repräsentantenhaus zurzeit 25 republikanische und 12 demokratische Abgeordnete. Ein weiterer Sitz in einem demokratisch dominierten Wahlkreis ist wegen eines Todesfalls vakant und wird schon diesen November neu besetzt.
Strategie des "Gerrymandering"
Jeder der 435 Abgeordneten im US-Repräsentantenhaus vertritt einen eigenen Wahlkreis (Congressional District). Die Kreise sollen laut Gesetzgebung annähernd gleich viele Einwohner haben. Grundlage dafür ist eigentlich der alle zehn Jahre stattfindende Zensus, der als Basis für die Festlegung der Wahlkreise dient.
Mitte Juli hatte sich das US-Justizministerium in einem Schreiben an den Gouverneur von Texas, Greg Abbott, gewandt und die Neugestaltung von vier Wahlkreisen gefordert. Das Argument: Die bisherige Version ermögliche Wahlkreise, in denen mehrere Minderheiten zusammen eine Mehrheit bilden, die zu strenge Einteilung nach Ethnien ist laut Ministerium verfassungswidrig. Eine andere Interessengruppe hatte bereits 2021 gegen die texanische Wahlkreiseinteilung geklagt und argumentiert, diese benachteilige schwarze und lateinamerikanische Wähler systematisch.
Das gezielte Ziehen von Wahlkreisgrenzen, gegen das die Demokraten protestieren, wird in den USA "Gerrymandering" genannt. Beide Parteien nutzen diese Taktik, um sich bei Wahlen systematisch Vorteile zu verschaffen; zuletzt spielten aber vor allem republikanisch geführte Bundesstaaten eine zentrale Rolle. Beim "Gerrymandering" werden Wahlkreise so manipuliert, dass die Stimmen der Anhänger der gegnerischen Partei entweder konzentriert oder zersplittert werden – mit dem Ziel, deren Einfluss zu mindern.
- npr.org: Texas Democrats walked out to block the GOP. How well has the tactic worked before?
- time.com: Why the Texas Redistricting Plan Caused Democrats to Flee and Could Help Trump in the Midterms
- foxnews.com: Texas Dems ripped for 'cartoonishly dumb' strategy to flee to blue state notorious for gerrymandering
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa