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Bürgergeld: Warum viele Ukraine-Flüchtlinge in Deutschland nicht arbeiten


Ein Grund ist entscheidend
Darum arbeiten viele Ukrainer in Deutschland nicht


Aktualisiert am 04.08.2025 - 17:33 UhrLesedauer: 4 Min.
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Eine Pflegefachkraft aus der Ukraine: Einige Geflüchtete suchen derzeit keine Arbeit. (Quelle: Sebastian Gollnow/dpa)
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Mehr als die Hälfte der nach Deutschland geflüchteten Ukrainer beziehen Bürgergeld. Bemühen sich viele dieser Menschen tatsächlich nicht um einen Job? Eine Studie gibt Antworten.

CSU-Chef Markus Söder hat gefordert, Geflüchteten aus der Ukraine das Bürgergeld komplett zu streichen – auch jenen, die bereits seit Längerem in Deutschland leben. "Es darf kein Bürgergeld mehr geben für all diejenigen, die aus der Ukraine gekommen sind", sagte Söder im ZDF-"Sommerinterview".

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Die schwarz-rote Bundesregierung hatte im Koalitionsvertrag vereinbart, dass Bürgergeld nur noch für Personen gezahlt wird, die vor dem 1. April 2025 eingereist sind. Söder will darüber hinausgehen und alle Ukrainer auf Asylbewerberleistungen umstellen.

Seit Russlands Invasion im Februar 2022 haben rund 1,2 Millionen Menschen aus der Ukraine in Deutschland Schutz gefunden. Wegen einer EU-weiten Richtlinie bekommen sie automatisch einen Aufenthaltsstatus, dadurch können sie in Deutschland auch Bürgergeld beziehen.

Derzeit beziehen laut Bundesregierung mehrere Hunderttausend Ukrainerinnen und Ukrainer diese Leistung. Alleinstehende bekommen 563 Euro pro Monat. Im Jahr 2024 flossen insgesamt rund 6,3 Milliarden Euro Bürgergeld an sie. Insgesamt wurden im selben Jahr 46,9 Milliarden Euro an Bürgergeld ausgezahlt – fast die Hälfte davon an Menschen ohne deutschen Pass.

Aus der CDU kommt Unterstützung für Söders Vorschlag. Kanzleramtschef Thorsten Frei erklärte im RTL/ntv-"Frühstart", das Bürgergeld habe dazu beigetragen, dass die Integration in den Arbeitsmarkt schlechter verlaufe als in anderen Ländern. Doch wie viele Ukrainer arbeiten tatsächlich in Deutschland?

Erwerbsquote steigt auf 43 Prozent

Die Bundesagentur für Arbeit rechnet, dass nur knapp 35 Prozent der Ukrainer in Deutschland erwerbstätig sind. Dabei ziehen sie jedoch alle ukrainischen Staatsangehörigen in der Bundesrepublik ein, auch jene, die vor der Vollinvasion eingereist sind.

Das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BIB) in Wiesbaden hat sich dagegen genauer mit den Menschen befasst, die seit Februar 2022 aus der Ukraine nach Deutschland geflüchtet sind. In einer Erhebung aus dem Februar berichten die Forscher, dass die Erwerbstätigenquote unter ihnen kontinuierlich angestiegen ist. Im Sommer 2022 arbeiteten nur 16 Prozent der Geflüchteten, im Frühjahr 2024 waren es 30 Prozent – und im vierten Quartal 2024 bereits 43 Prozent.

Trotz dieses deutlichen Anstiegs ist mehr als die Hälfte der ab 2022 geflüchteten Ukrainer noch ohne Job – wieso?

Laut einer Auswertung des BIB vom befanden sich im Herbst 2024 30 Prozent der ukrainischen Geflüchteten auf Arbeitssuche. Doch dabei kommt es oft zu Problemen.

In Deutschland herrscht zwar weiterhin Fachkräftemangel – insbesondere in Pflege- und Gesundheitsberufen sowie dem Handwerk. Und viele Flüchtlinge aus der Ukraine verfügen über Erfahrungen in diesen Mangelberufen. Doch speziell im medizinischen Bereich würde dieses Potenzial zu selten genutzt, sagte BIB-Direktorin Katharina Spieß vor Pressevertretern. Hohe Sprachanforderungen und komplizierte Anerkennungsverfahren für ausländische Berufsabschlüsse würden den Einstieg erschweren.

Andere Mangelbranchen profitieren bereits deutlich mehr vom Zuzug. Qualifizierte Ukrainer arbeiten bereits in Bereichen wie sozialen Berufen, im Lebensmittel- und Gastgewerbe sowie in IT- und naturwissenschaftlichen Dienstleistungsberufen. In diesen Jobs sei die Sprache weniger wichtig, erklärten die Studienautoren.

Warum Geflüchtete keine Arbeit suchen

Im Herbst 2024 waren 30 Prozent der geflüchteten Ukrainer nicht auf Arbeitssuche. Das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung hat die Gründe abgefragt, warum diese Personen nicht aktiv Arbeit suchen. Mehrfachnennungen waren möglich.

  • 92 Prozent besuchen noch einen Sprachkurs oder gaben ungenügende Deutschkenntnisse an.
  • 37 Prozent betreuen Kinder oder pflegen Angehörige.
  • 34 Prozent rechnen mit einer baldigen Rückkehr in die Ukraine.
  • 32 Prozent nennen gesundheitliche Gründe.
  • 16 Prozent haben eine erfolglose Arbeitssuche hinter sich.

Die größte Hürde stellt also weiterhin die deutsche Sprache dar. Es gebe "großen Weiterbildungsbedarf, insbesondere im Bereich der Sprachkenntnisse", schätzt BIB-Direktorin Spieß. Zwar haben drei Viertel der Befragten mindestens einen Sprachkurs abgeschlossen – doch nur 27 Prozent konnten bisher das für viele Berufe erforderliche Sprachniveau B2 nachweisen.

Im Sommer 2022 sagten noch 50 Prozent, dass sie gar keine Kenntnisse haben. Im Frühjahr 2024 fiel dieser Anteil auf 10 Prozent. Dafür geben zwei Jahre nach ihrer Ankunft 64 Prozent der Befragten an, mäßig bis gute Deutschkenntnisse zu haben.

Die Probleme bei der Integration

Große Schwierigkeiten bei der Arbeitsaufnahme haben der Studie zufolge insbesondere Mütter mit kleinen Kindern. So liegt die Erwerbstätigenquote dieser Gruppe gegenwärtig bei 23 Prozent, bei Müttern schulpflichtiger Kinder bei 46 Prozent. Anders sieht es dagegen bei Männern aus. Die Erwerbstätigenquote von Vätern mit minderjährigen Kindern lag zum Zeitpunkt der Studie bei 63 Prozent.

Aus Sicht der Forschenden gelingt die Integration von Ukrainerinnen und Ukrainern in den deutschen Arbeitsmarkt besser als bei anderen Gruppen Geflüchteter. Dies liege vor allem an ihrem überdurchschnittlich hohen Bildungs- und Qualifikationsniveau, sagte Spieß. Die Hälfte der geflüchteten Ukrainer habe einen akademischen Hintergrund. Außerdem sei die Integration leichter aufgrund des einfacheren Zugangs zum Arbeits- und Wohnungsmarkt sowie den schnellen Fortschritten beim Erlernen der deutschen Sprache.

Die Schwierigkeiten bei der Integration lägen vor allem an der fehlenden Kinderbetreuung. Das würde auch andere Geflüchtete sowie Deutsche betreffen. Außerdem sei die Berufsanerkennung schwierig. Die Hälfte der Ukrainer würde keine Tätigkeit finden, die zu ihren Fähigkeiten passt – die sogenannte Dequalifikation, erklärte Spieß.

Ein grundlegendes Problem sei auch die Zusammensetzung aller Geflüchteten aus der Ukraine. 85 Prozent seien Frauen, viele ohne Partner und mit Kindern. Zudem seien viele alte Menschen gekommen, denen Spracherwerb und Integration in den Arbeitsmarkt deutlich schwerer fallen würden.

Verwendete Quellen
  • Pressegespräch des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung
  • Mit Material der Nachrichtenagenturen AFP und dpa
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