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Trump: Angriff auf die US-Wirtschaft – "Politisch ein großer Skandal"


Rauswurf der Statistik-Chefin
"Trump hat geschafft, die US-Wirtschaft abzuwürgen"


04.08.2025 - 17:01 UhrLesedauer: 7 Min.
US-Präsident Donald Trump kommt am Weißen Haus an: Die Wirtschaftszahlen passen ihm nicht.Vergrößern des Bildes
US-Präsident Donald Trump kommt am Weißen Haus an: Die Wirtschaftszahlen passen ihm nicht. (Quelle: IMAGO/JIM LO SCALZO)
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Trumps startet einen gefährlichen Angriff auf die Realität, warnt der deutsch-amerikanische Ökonom Rüdiger Bachmann. Denn der US-Präsident beabsichtigt offenkundig, Wirtschaftsstatistiken zu seinen Gunsten politisch umzudeuten.

Bastian Brauns berichtet aus Washington

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Donald Trump hat die Leiterin des Bureau of Labor Statistics gefeuert – und das ausgerechnet am Tag der Veröffentlichung schlechter Arbeitsmarktdaten. Es geht um manipulierte Zahlen, Druck auf wissenschaftliche Experten und autoritäre Machtspiele: Was passiert da gerade mit der US-Wirtschaft?

Der renommierte Makroökonom Rüdiger Bachmann, Professor in den USA, schlägt im Gespräch mit t-online Alarm: Indem Trump die wirtschaftliche Realität politisch umdeutet, greife der amerikanische Präsident direkt in die Grundfesten der Demokratie ein. Wie gefährlich ist das für die USA, für Europa und für die Stabilität der Weltwirtschaft?

t-online: Herr Bachmann, der amerikanische Präsident hat die Leiterin des Bureau of Labor Statistics entlassen. Donald Trump wirft der Statistikbehörde vor, manipulierte Arbeitsmarktdaten veröffentlicht zu haben. Was halten Sie davon?

Rüdiger Bachmann: Ich war überhaupt nicht überrascht. Schon im Februar habe ich davor gewarnt. Damals hatte Trumps Handelsminister Howard Lutnick angedeutet, man könne mal eben die Berechnung des Bruttoinlandsprodukts verändern, um staatliche Ausgabenkürzungen besser aussehen zu lassen. Das ist in der Debatte damals fast untergegangen. Dabei wäre das eine extrem gefährliche Entwicklung. Die Regeln zur Erhebung solcher Daten sind international standardisiert. Wer daran politisch einfach herumschraubt, verhält sich wie ein autoritärer Machthaber. Dazu ist es zwar bislang nicht gekommen. Es war aber ein erster Testballon dieser US-Regierung. Wenn Trump jetzt in Zukunft die Arbeitsmarktdaten von einem Loyalisten erheben lassen will, ist das aber nicht weniger dramatisch.

Warum handelt Trump in dieser Weise?

Sein Problem ist: Die neuen Arbeitsmarktdaten zeichnen ein klares Bild, und zwar erstmals ein schlechtes. Kombiniert mit den Zahlen des Bruttoinlandsprodukts zeigt sich deutlich: Die US-Wirtschaft kühlt sich ab. Es kommt zu einer Wachstumsdelle, und man kann inzwischen sogar sagen, wir stehen womöglich kurz vor einer Rezession.

Kann Trump diese Statistiken einfach so manipulieren? Beim Bureau of Labor Statistics arbeiten doch Fachleute, die mit realen Zahlen umgehen müssen.

Natürlich kann er das. In autoritären Staaten wie Russland oder China passiert das regelmäßig. Niemand traut darum auch den offiziellen Wachstumszahlen aus Peking. Wenn Trump einen Loyalisten an der Spitze der Behörde einsetzt, der bereit ist, Zahlen zu fälschen oder zu schönen, wird das geschehen. Die Frage ist doch, wer diesen Posten ehrlich ausfüllen will in so einer Umgebung. Wenn Sie wissen, dass der Präsident Sie einfach rausschmeißt, wenn ihm das Ergebnis nicht passt.

Was ist mit den vielen Wissenschaftlern und Statistikern, die in dieser Behörde arbeiten?

Das sind Leute mit einem klaren Berufsethos. Die können natürlich Fehler machen, aber dass sie sozusagen alle politisch beeinflusst sein sollen oder systematisch Fehler machen – das kommt eben nicht vor. Diese Leute bekommen jetzt wirklich ein Problem. Am einfachsten kann Trump jetzt, wie gesagt, die Leitungsebene austauschen und dort Loyalisten einsetzen. Das kann der Präsident juristisch gesehen ganz legal machen. Politisch ist das aber ein großer Skandal. Und es ist alles vorstellbar. Trump könnte die Behörde auch einfach dichtmachen und eine neue nach seinen Vorstellungen aufbauen.

Zur Person

Rüdiger Bachmann, Jahrgang 1974, ist ein international anerkannter Wirtschaftswissenschaftler und Experte für Makroökonomie. Er lehrt und forscht in den USA. Er ist außerdem Research Affiliate beim Centre for Economic Policy Research (CEPR), forscht für das ifo Institut in München und ist Mitglied der Atlantikbrücke. Bachmann hat zu Themen wie wirtschaftlicher Unsicherheit, Inflation und internationalen Handelsbeziehungen geforscht und ist regelmäßig als Berater für Zentralbanken und internationale Wirtschaftsorganisationen tätig. Seine Analysen zu globalen Wirtschaftspolitiken werden in führenden Fachzeitschriften und Medien veröffentlicht.

Den Chef der US-Notenbank Fed darf Trump hingegen nicht selbst hinauswerfen. Können Sie erklären, warum der Präsident Jerome Powell aber auch gerne loswerden möchte?

Trump möchte Powell loswerden, weil er niedrigere Zinsen braucht. Denn er macht ja weiterhin massive Schulden im Budget der Bundesregierung. Hohe Zinsen bedeuten hohe Kosten beim Bedienen dieser Schulden. Außerdem erhofft sich Trump durch niedrigere Zinsen ein kurzfristiges Wachstumsstrohfeuer vor den im nächsten Jahr anstehenden Zwischenwahlen, trotz der von ihm jetzt erhobenen Zölle. Der Notenbankchef weigert sich aber, die Zinsen zu senken. Und zwar zu Recht, denn wegen der Trump'schen Wirtschafts- und Haushaltspolitik sind in letzter Zeit die Inflationsgefahren wieder größer geworden.

Gibt es einen Zeitpunkt, wann der Notenbankchef womöglich doch reagieren muss, um die negativen Folgen dieser Wirtschaftspolitik mit seiner Zinspolitik auszugleichen?

Powell wird durch Trumps Wirtschaftspolitik das Leben unnötig schwer gemacht. Geldpolitik ist einfach bei einer Situation, in der Beschäftigung und Inflation niedrig sind. In einer solchen Situation senkt man die Zinsen, bei der umgekehrten Konstellation erhöht man sie. Das ist aber genau nicht die aktuelle Situation, die Trump vollkommen ohne Not geschaffen hat: Bei ihm ist die Inflation weiter hoch und sogar tendenziell steigend, und die gesamtwirtschaftliche Aktivität verlangsamt sich. Da ist die Geldpolitik in der Bredouille, und man kann nur auf Sicht fahren.

Wie wahrscheinlich ist es, dass Powell die Zinsen demnächst doch senken wird?

Das Absurde ist ja, dass Trump es Powell auch politisch schwerer macht, jetzt die Zinsen zu senken. Weil der Präsident öffentlichen Druck auf ihn ausübt, muss Powell auch ganz plakativ auf der Unabhängigkeit des Fed bestehen. Paradoxerweise wären Zinssenkungen wahrscheinlicher, wenn Trump einfach mal die Klappe halten würde. Zinssenkungen wären ökonomisch dann geboten, wenn sich wegen der eintrübenden wirtschaftlichen Situation auch die gesamtwirtschaftliche Nachfrage reduziert, sodass der Inflationsdruck sich ins Gegenteil verkehrt.

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Muss man angesichts dieser Entwicklungen so weit gehen und sagen, dass die Wirtschaftsstatistiken in den USA bald nicht mehr unabhängig sind?

Wenn Fakten nicht mehr unabhängig erhoben werden, verlieren wir die Grundlage jeder rationalen Politik. Das ist schlimmer als viele andere Skandale, weil es die Fundamente unserer demokratisch-republikanischen Ordnung betrifft. Es ist ein autoritärer Angriff auf die Grundlage unserer Demokratie. Auf viele Menschen mag so eine Statistik wie ein technokratisches Detail wirken. In Wahrheit hat es dramatische Auswirkungen auf alle möglichen Bereiche. Ohne verlässliche Daten können weder Unternehmen noch Politiker fundierte Entscheidungen treffen.

Welche konkreten praktischen Folgen hat das?

Riesige. Man muss sich das so vorstellen: Ohne vertrauenswürdige Daten wissen Unternehmen nicht mehr, wie sich Preise entwickeln, wie sie ihre Löhne anpassen sollen, wie die Inflation aussieht. Es betrifft internationale Investoren genauso wie Sozialhilfeempfänger, deren Zahlungen an Inflationsdaten gekoppelt sind. Wenn man dabei einmal anfängt zu lügen, kann man sich im Grunde alles politisch hindrehen.

Das klingt dramatisch.

Solche Daten sind wirklich ein ganz wichtiges öffentliches Gut in komplexen, modernen, arbeitsteiligen Gesellschaften. Wenn das zur Disposition gestellt wird, funktioniert nicht mehr viel. Das ist wirklich ganz, ganz schlimm. In der jüngsten Geschichte kennen wir das aus Argentinien vor Javier Milei. Da wurden die Inflationszahlen einfach gefälscht, mit gravierenden Folgen. Wenn die Leute keiner Inflationsrechnung mehr trauen können, wissen sie auch nicht, wie sie etwa Mietverträge gestalten sollen.

Aber der frühere deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) hat einst die Berechnung der Arbeitslosenzahlen ebenfalls zu seinen Gunsten verändert.

Das macht es ja nicht besser. So was gibt es auch in demokratischen Staaten. Auch Robert Habeck und Olaf Scholz wollten nicht hören, was passieren würde, wenn wir uns vom russischen Gas ganz abkoppeln, und dass das möglicherweise nicht so schlimm wäre. Aber so wie Trump, einfach jemanden rauszuschmeißen, weil ihm die Daten nicht passen – und das auch noch am Tag der Veröffentlichung –, ist eine ganz andere Hausnummer. Das ist ganz offenes autoritäres Verhalten. Und es zeigt, wie weit wir in den USA schon sind. Jeder andere Präsident wäre dafür aus dem Amt gejagt worden. Trump kommt damit durch. Business as usual.

Wären davon auch deutsche Unternehmen betroffen?

Absolut. Wenn deutsche oder europäische Firmen, die international agieren, den amerikanischen Daten nicht mehr trauen können, treffen sie schlechtere Entscheidungen. Aber auch die Europäische Zentralbank schaut auf amerikanische Zahlen. Die Auswirkungen solcher Tricksereien sind global.

Was wäre denn das Worst-Case-Szenario, eine Weltwirtschaftskrise?

Das lässt sich schwer abschätzen. Aber die Unsicherheiten bezüglich wirtschaftlicher und politischer Entscheidungen werden dadurch immer noch größer. Das führt nicht per se zu einer Weltwirtschaftskrise, aber zu deutlich schlechteren Bedingungen auf der ganzen Welt. Das heißt, wir werden mehr Fehler machen. Unsere Volkswirtschaften werden dadurch insgesamt ineffizienter.

Was ist das Worst-Case-Szenario für die USA?

Auch hier können Unternehmen und Bürger den US-Wirtschaftsdaten dann überhaupt nicht mehr trauen. Die Wählerinnen und Wähler könnten im November 2026 bei den Zwischenwahlen nicht wissen, ob das Land etwa in einer Rezession steckt oder nicht. Und wenn man die Wahrheit verschleiern kann, dann kann man auch Wahlen beeinflussen.

Und Sie gehen davon aus, dass es Trump genau darum geht?

Die Republikaner haben jedes Interesse, die Realität zu verzerren. Trump braucht gute Zahlen, also sorgt er für welche, notfalls erfunden. Parallel dazu werden bereits jetzt Wahlkreise neu zugeschnitten, also das sogenannte Gerrymandering betrieben, um die künftigen Mehrheiten zu sichern. Das alles ist eine umfassende Vorbereitung auf den kommenden Wahltag im nächsten Jahr, aber eben nicht auf demokratische, sondern manipulative Weise.

Sie erwähnten bereits, dass sich die amerikanische Wirtschaft deutlich abkühlt. Was sagen denn die echten Kennzahlen und was sagt uns die Datenlage über Trumps Wirtschaftspolitik?

Die Zahlen zeigen klar: Trumps Politik wirkt nicht. Die Daten für Mai und Juni zeigen, dass es faktisch keinen Jobzuwachs gegeben hat. Der Konsum stagniert, die Investitionen schwächeln. Auch die Industrie, auf die Trump so stolz ist, zeigt keine Erholung. Im Gegenteil. Alle relevanten Daten, also das BIP, der Konsum, die Investitionen und der Arbeitsmarkt, erzählen nun eine einheitliche Geschichte: Die US-Wirtschaft schwächelt.

Also befinden wir uns im siebten Trump-Monat noch nicht in seinem versprochenen "Golden Age"?

Die meisten Ökonomen mussten sich wegen ihrer frühen, negativen Prognosen in Bezug auf Trumps Wirtschaftspolitik bislang noch rechtfertigen. Viele wunderten sich auch, warum die Effekte so spät in den Zahlen abzulesen waren. Jetzt aber setzt das ein, wovor fast alle schon lange warnen.

Dabei war doch die Befürchtung der Demokraten, dass Trump von der Wachstumspolitik Joe Bidens profitieren würde. Dementsprechend scheint die Lage noch schlimmer zu sein.

Da würde ich absolut zustimmen. Im Prinzip ist die amerikanische Wirtschaft sehr dynamisch. Deswegen bin ich auch immer vorsichtig zu sagen, dass es technisch gesehen zu einer Rezession, im Sinne von wirklichem Negativwachstum, kommen wird. Die amerikanischen Technologien und die Innovationskraft machen vieles wett. Aber Trump hat eben wirklich geschafft, alle diese Dynamiken abzuschwächen und abzuwürgen.

Trumps radikale Zollpolitik soll dafür ein Hauptgrund sein. Dabei behauptet er, durch seine Handelspolitik würden Ausländer für Amerikas Ausgaben bezahlen. Stimmt das denn nicht?

Theoretisch kann ein großes Land wie die USA Zölle erheben und davon in der Tat profitieren, zumindest dann, wenn niemand zurückschlägt. Das ist jetzt auch anders als in Trumps erster Präsidentschaft. Die EU hält sich zurück. Trump hat offenbar Druck bezüglich der Sicherheitspolitik gemacht, damit Europa nicht kontert. Das alles ändert nichts daran, dass Zölle langfristig schlecht für die eigene Wirtschaft sind. Die Unternehmen zahlen höhere Preise, die Konsumenten ebenso. Und die Zoll-Einnahmen landen ja nicht bei den Menschen, sondern im Staatssäckel – wo Trump sie dann seinen reichen Freunden zugutekommen lassen kann. Das alles ist eine gigantische Umverteilung von unten nach oben.

Verwendete Quellen
  • Telefonisch geführtes Interview
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