Impeachment-Anklage gegen Trump Das hat er verdient
Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Donald Trump wird sein Amt wohl nicht verlieren. Doch die Impeachment-Anklage ist ohne Alternative: Denn dieser Präsident ist eine Bedrohung für die US-Demokratie.
Es ist leicht, in der Ära Trump zum Zyniker zu werden.
Dann erscheint die Impeachment-Anklage gegen den Präsidenten als albern, als Zeitverschwendung. Schließlich bleibt Donald Trump doch sowieso im Amt. Schließlich schießen sich die Demokraten vor allem ins eigene Bein – bald gelten sie als Verlierer dieser Verhandlung und Trump inszeniert sich als strahlender Sieger, wenn die ihm treu ergebene republikanische Mehrheit im Senat das Amt sichert.
Tatsächlich blicken momentan viele Beobachter so auf das nun eingeleitete Amtsenthebungsverfahren. Das ist verständlich, aber kurzsichtig.
Es geht nicht nur um kurzfristige parteipolitische Vorteile, es geht auch nicht nur um die nächste Präsidentschaftswahl. Es geht darum, dass die (noch) mächtigste liberale Demokratie der Welt sich gegenüber einem Präsidenten behauptet, der alle ihre Regeln verachtet und sich, ohne zu zucken, über sie hinwegsetzt. Deshalb ist der Schritt, Donald Trump als dritten Präsidenten in der Geschichte der USA mit einer Amtsenthebungsanklage zu brandmarken, richtig. Sie ist ohne Alternative.
Trumps Pech, Trumps Glück
Ja, die Anklage der Demokraten zur Ukraine-Affäre hat ihre Schwächen. Sie hatten keine Geduld, Zeugenvorladungen vor Gericht durchzukämpfen, ihnen fehlt hier und da der allerletzte Beweis, das Ertappen Trumps auf frischer Tat, wie er höchstpersönlich die Erpressungsversuche der Ukraine anordnete.
Doch was hätten sie tun sollen? Warten und warten, bis jeder einzelne ihrer Anträge irgendwann vor dem Supreme Court landet, dem obersten Gericht, an dem Trump die Mehrheit zu seinen Gunsten gekippt hat? Bis die Präsidentschaftswahl gelaufen ist – unter genau jener Einmischung aus dem Ausland, die Trump nicht müde wird einzufordern?
Trumps Pech war, dass er dieses Mal erwischt wurde. Ein Whistleblower schlug Alarm und als der Präsident von der Beschwerde erfuhr, ließ er doch noch die zurückgehaltenen Gelder an Kiew fließen. Es war auch Trumps Glück. Sonst wäre die Beweislage der Demokraten wohl noch klarer ausgefallen.
Amt missbraucht, Verfassung missachtet
Doch auch so haben sie genug in der Hand. Es besteht kein Zweifel daran, dass Trump sein Amt zu persönlichen Zwecken missbraucht hat: Mithilfe seiner Kompagnons nutzte er die Macht des Amtes, um die Ukraine zu Ermittlungen gegen seinen Konkurrenten Joe Biden und die Demokraten drängen. Diese sollten nicht einmal durchgeführt, sondern nur ankündigt werden – es ging Trump allein darum, einem möglichen Herausforderer zu schaden.
Und es besteht kein Zweifel daran, dass Trump wie noch kein Präsident vor ihm kategorisch jegliche von der Verfassung vorgesehene Kontrolle durch das Parlament ablehnt. Nicht ein einziges Dokument hat er rausgerückt, nicht einem einzigen Zeugen den Auftritt formell erlaubt. Jene Regierungsmitarbeiter, die sich dennoch vor den Kongress wagten, attackierte er auf Twitter.
Das, liebe Zyniker, soll nicht reichen für eine Anklage des Präsidenten?
Jeden anderen Präsidenten hätte die Gegenseite für solch ein Verhalten ebenfalls angeklagt. Hinzu kommt, dass Trump Wiederholungstäter und Überzeugungstäter ist. Er glaubt, er könne sich alles rausnehmen: legal, illegal, sch***egal.
Wie ein Sonnenkönig
Hinter dem monatelangen Kapern der Außenpolitik zum persönlichen Nutzen Trumps verbarg sich kein Fehltritt, sondern System.
Rudy Giuliani, Trumps Privatanwalt, zieht in diesen Tagen schon wieder durch die Medien: Er prahlt, wie er im Auftrag Trumps weiter arbeite an der Kampagne gegen Biden und warum er dazu die Ukraine-Botschafterin aus dem Amt habe drängen müssen. Er besitzt ebenso wenig wie sein Förderer im Weißen Haus ein Gefühl der Scham.
Donald Trump regiert im Weißen Haus nicht wie ein Präsident, der die Endlichkeit seiner Macht anerkennt. Er führt sich auf wie ein König, dessen Gott gegebenes Recht ist, zu tun, was auch immer ihm in den Sinn kommt. Sollen für ihn wirklich keine Regeln gelten?
Interessieren Sie sich für US-Politik? Unser Washington-Korrespondent Fabian Reinbold schreibt über seine Arbeit im Weißen Haus und seine Eindrücke aus den USA unter Donald Trump einen Newsletter. , die dann einmal pro Woche direkt in Ihrem Postfach landet.
Die US-Verfassung stattet den Präsidenten mit großer, aber nicht mit unendlicher Macht aus. Wenn sich ein gewählter Präsident in einer Demokratie, die von Gewaltenteilung und Gewaltenkontrolle lebt, aufführt wie ein absolutistischer Herrscher, muss ihm das Parlament seine Grenzen aufzeigen. Denn er ist eine Bedrohung für die US-Demokratie. Selten, aber manchmal, muss das Parlament zum schärfsten Schwert greifen, das es besitzt: dem Impeachment.
Gut möglich, dass er wiedergewählt wird
Und wenn schon die Republikaner aus schierer Angst vor der Trump-hörigen Basis das nicht tun, bleibt es nun einmal an den Demokraten hängen, die Verfassung zu verteidigen. Dass das Votum nach Parteigrenzen gefallen ist, macht es kein Stück weniger richtig.
Die Impeachment-Anklage löst gewiss keines der Probleme, die die US-Politik plagen: die hochgiftige politische Spaltung, eine in zwei Teile zersplitterte Öffentlichkeit, und ein Präsident, der diese Spaltungen befeuert und die Regeln missachtet.
Es ist gut möglich, dass Trump wiedergewählt wird. Das ist die Entscheidung der Wähler in einem knappen Jahr.
Es ist denkbar, dass er nach einem Freispruch im Senat unbeeindruckt weitermacht. Das ist seine Entscheidung.
Doch die Aufgabe der Abgeordneten ist es, die Demokratie gegen Bedrohungen mit allen Mitteln zu verteidigen. Klarzumachen, dass Anschläge auf die Grundprinzipien der Republik Konsequenzen haben. Und genau das haben die Demokraten mit ihrem Votum getan.