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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Ministerpräsidentin bei "Lanz" Rehlinger findet deutliche Worte zur Rente mit 70

Bei Markus Lanz redet Anke Rehlinger das Russland-Papier linker SPD-Veteranen klein – und ein Ökonom betont die Chancen höherer Verteidigungsausgaben.
Bei der Vorstellung seiner Gästerunde kündigte Markus Lanz an, mit der saarländischen SPD-Ministerpräsidentin über die Stahlindustrie in ihrem Bundesland sowie die Donald Trumps Strafzölle sprechen zu wollen. Zunächst aber befragte er Anke Rehlinger zu dem Friedens-"Manifest", das unter einigen ihrer Parteigenossen für Diskussionen sorgte. Zu den Unterzeichnern des Papiers, in dem unter anderem Gespräche mit Russland gefordert und US-Raketen in Deutschland abgelehnt werden, gehören etwa der frühere Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich und der Außenpolitiker Ralf Stegner.
Gäste
- Anke Rehlinger (SPD), Ministerpräsidentin des Saarlands
- Gordon Repinski, "Politico"-Journalist
- Moritz Schularick, Ökonom
- Daniel Thym, Migrationsrechtler
"Nicht wahnsinnig überraschend" sei es, dass die beiden diese Position einnähmen, versuchte Rehlinger den Ball flach zu halten – räumte aber ein, dass das Papier so kurz vor dem SPD-Parteitag Ende Juni Debatten auslösen werde. Verteidigungsminister Boris Pistorius hatte den Unterzeichnern bereits "Realitätsverweigerung" vorgeworfen. Sie selbst sei dafür, dass "wir unsere Verteidigungsfähigkeit ausbauen und Putin die Stirn bieten", stellte die Ministerpräsidentin klar. Es sei aber "nicht illegitim", eine andere Meinung zu äußern.
Deutlicher wurde der Journalist Gordon Repinski. Er sprach von einem "Angriff auf Lars Klingbeil" und vermutete, dass sich Mützenich nicht zuletzt für seine Ausbootung als Fraktionschef habe rächen wollen. "Das ist absurd, das ist Linkspartei, was da hingelegt wird", kommentierte er das "Manifest". Auch Markus Lanz wollte sich noch nicht zufriedengeben und monierte, dass in der SPD statt einer Aufarbeitung der 16-Prozent-Pleite bei der Bundestagswahl nun wieder "Russland-Geschmuse und Geraune" stattfinde. "Wir werden auch das aushalten", entgegnete Rehlinger fatalistisch.
Eine positive Sicht auf höhere Verteidigungsausgaben brachte der Ökonom Moritz Schularick in die Diskussion ein: Diese könnten "nachhaltige Impulse für den zivilen Sektor" setzen, argumentierte der Präsident des Kiel Instituts für Weltwirtschaft. Als Beispiele nannte er die Weiterentwicklung von Künstlicher Intelligenz, smarten Drohnen und Satellitentechnologie. Gerade in letzterem Bereich sei es wichtig, unabhängiger von Elon Musks Starlink-System zu werden.
Einen Renteneintritt mit 70 lehnt Rehlinger ab
Mit der Überleitung, dass derartige Transformationsversprechen oft "wolkig" seien, Arbeitsplatzverluste in der Stahlindustrie oder der Autobranche hingegen "konkret", kam Markus Lanz dann auf das ursprünglich angekündigte Thema. "Ich hätt’s nicht schöner sagen können", pflichtete Anke Rehlinger bei und sprach von einer "kommunikativen Aufgabe" für die Politik. Während sie die Förderung von klimaneutral produziertem "grünen Stahl" verteidigte, ging dies Moritz Schularick nicht weit genug. Der Ökonom plädierte dafür, "nicht gegen den Strukturwandel anzusubventionieren" und stattdessen auf Spezialisierung, Bildung und Forschung zu setzen. Zudem verwies er auf den herrschenden Fachkräftemangel und forderte eine längere Lebensarbeitszeit.
Der Einladung von Markus Lanz, sich in seiner Sendung für einen Renteneintritt mit 70 Jahren starkzumachen, mochte Anke Rehlinger trotzdem nicht folgen: "Natürlich nicht", blockte die SPD-Politikerin ab und führte ihren Vater an, der als Industriearbeiter Einbußen bei der Altersversorgung hingenommen habe, weil "die Knochen nicht mehr mitgemacht" hätten. Auch der Verweis auf einen entsprechenden Beschluss in Dänemark rührte sie nicht: "Das können die in Dänemark ja gern so halten", so die Ministerpräsidentin.
Das Nachbarland diente schließlich auch noch in der Migrationspolitik als Referenzgröße. "Die dänische Sozialdemokratie ist sehr gut darin, durch harte Projekte auch den skeptischen Teilen der Bevölkerung, die in Deutschland vielleicht inzwischen zur AfD abgewandert sind, zu signalisieren: Wir kümmern uns um eure Anliegen", fand der Migrationsrechtler Daniel Thym.
Es sei dort gelungen, die Zahl der Asylsuchenden deutlich zu reduzieren. Aber auch in diesem Punkt blieb Rehlinger skeptisch: Mit Blick auf die verschärften Kontrollen an den deutschen Außengrenzen hoffte sie auf eine baldige "sinnvollere Ausgestaltung". Es sei "kein Zukunftsmodell, Grenzbeamte auf nicht mehr vorhandene Schlagbäume aufpassen zu lassen".
- zdf.de: "Lanz" vom 11. Juni 2025