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Klimakrise: Wie schlimm ist die wachsende Bevölkerung für die Erde?


Menschen auf der Erde
Zerstört die wachsende Weltbevölkerung das Klima?

Von Charlotte Janus

Aktualisiert am 20.09.2019Lesedauer: 4 Min.
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Quelle: Montage: t-online.de/getty-images-bilder

Die Weltbevölkerung wächst. Was bedeutet das für die Erde? Verbrauchen mehr Menschen mehr Ressourcen und verursachen so die globale Erwärmung? Klimaexperte Peter Hennicke reagiert auf Leserkommentare.

Klimakrise? Da gibt es im Netz schnell Gegenwind. Manche Leser leugnen die menschliche Beteiligung an der globalen Erwärmung. Andere verweisen auf hohe Geburtenraten in afrikanischen Ländern – wegen des dortigen Bevölkerungswachstums nützte es nichts, wenn wir in Deutschland Maßnahmen ergreifen, um das Klima zu retten.

Was ist da dran?

Bedeuten mehr Menschen automatisch auch einen steigenden Ressourcenverbrauch und damit eine höhere Belastung für das globale Klima? Oder handelt es sich um einen Versuch, die eigene Verantwortung herunterzuspielen?

Diese Fragen hat t-online.de dem Forscher Peter Hennicke vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie gestellt. Er reagiert auf häufig in Leserkommentaren genannte Thesen – und räumt mit weit verbreiteten Fehlannahmen auf.

Leser Winfried: "Probleme vor allem mit dem Klima sind einfach zu lösen, wenn jeder erkennen würde, dass der Anstieg der Weltbevölkerung die entscheidende Ursache ist."

Tatsächlich: Eine wachsende Zahl von Menschen bringt große Herausforderungen in Bezug auf das Klima mit sich. "Bis heute bedeutet eine wachsende Weltbevölkerung noch einen Mehrverbrauch fossiler Energien und damit global wachsende CO2-Emissionen und beschleunigten Klimawandel", sagt Hennicke.

Ganz so einfach ist der Zusammenhang aber trotzdem nicht. Das Bevölkerungswachstum sei nicht die entscheidende Ursache für die Klimakrise – und das Wachstum werde sich langfristig ohnehin abschwächen.

Das deutet sich bereits an: Während Frauen durchschnittlich im Jahr 1963 noch fünf Kinder bekamen, waren es 2012 nur noch 2,5. Prognosen gehen davon aus, dass ab dem kommenden Jahrhundert sogar immer weniger Menschen auf unserem Planeten leben werden.


Professor Peter Hennicke war bis 2008 Präsident des Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie. Heute ist er dort in beratender Funktion an diversen Projekten unter anderem zum Thema Ressourceneffizienz beteiligt. Hennicke ist Träger des Deutschen Umweltpreises und seit 2014 Mitglied der Organisation "Club of Rome", die sich für eine nachhaltige Zukunft der Menschen auf der Erde einsetzt.

Auf diesen langfristigen Trend zu warten, reicht aber nicht, sagt Hennicke. Das Energiesystem der Welt müsse spätestens bis 2060 gänzlich ohne fossile Brennstoffe auskommen. Nur so könne der Temperaturanstieg deutlich unter 2 Grad gehalten werden. Das geht, sagt Hennicke, trotz einer zunächst weiter ansteigenden Weltbevölkerung – wenn die bekannten Klimaschutzmaßnahmen weltweit ernsthafter umgesetzt würden.

Leser Heinrich Ruebenkraut: "Durch die Bevölkerungsexplosion in Afrika gehen wir unter, weil unsere Ressourcen nicht reichen."

Auch dieser Aussage liegt die Annahme zugrunde: mehr Menschen gleich höherer Verbrauch. Tatsächlich haben ärmere Länder das größte Wachstum im Bereich fossiler Energie – denn ihr Bevölkerungswachstum ist am größten. Das sind besonders Länder in Subsahara-Afrika sowie in Zentral- und Süd-Asien.

"Trotzdem wäre eine Schuldzuweisung an Länder mit noch hohem Bevölkerungswachstum völlig unangebracht", sagt Hennicke. Denn die Staaten trugen bisher am wenigsten zur Klimakrise bei und leiden gleichzeitig am meisten unter ihr. Der Pro-Kopf-Verbrauch in diesen Staaten sei verhältnismäßig gering.

"Ein Inder verursachte 2016 im Durchschnitt 1,6 Tonnen CO2-Emissionen pro Jahr, ein Amerikaner 15 t und ein Deutscher 9 t", sagt Hennicke. Die wirklich wichtige Frage müsse folglich lauten: "Wie viele Amerikaner oder Europäer können wir uns noch leisten?" Dass die Aufnahmefähigkeit der Atmosphäre überschritten ist, liege am verschwenderisch hohen Energie- und Ressourcenverbrauch in fast allen Industriestaaten.

Leser Winfried: "Wenn der Anstieg der Weltbevölkerung reduziert oder minimiert würde, sind auch Lösungen für alle anderen Probleme denkbar und durchführbar."

"Bevölkerungswachstum zu begrenzen, ist aus vielen Gründen notwendig, funktioniert aber nur dann, wenn die Strategien für die Menschen einsichtig sind und auf die eigentlichen Ursachen des Bevölkerungswachstums zielen", sagt Hennicke. Die Ursachen des Wachstums seien vorrangig Armut und Unterentwicklung. Ihnen entgegenzuwirken, liege auch im eigenen Interesse dieser Länder.

Hennicke fordert, dass die internationale Staatengemeinschaft sich mit Hilfsangeboten einbringt. Nachhaltige Entwicklungsmaßnahmen wirken sich dann langfristig auch positiv auf das Klima aus, indem sowohl der Ressourcen- als auch Energieverbrauch reduziert werden.

Leser Graue_Eminenz46: "Wäre es nicht sinnvoll, in den Wachstumsgebieten Geburtenkontrolle zu installieren? Aber dem stehen vor allem religiös-traditionelle Hemmnisse entgegen, verbunden mit mangelhafter Aufklärung."

Hennicke nennt als zentrale Strategien: wirtschaftliche Entwicklung und Armutsbekämpfung, mehr Bildung besonders für Frauen und sexuelle Aufklärung sowie Zugang zu Verhütungsmitteln.

Denn sind die Menschen erst mal gut abgesichert, sind sie auch nicht mehr so sehr auf Kinder als ihre möglichen Altersversorger angewiesen. "Für Mädchen und Frauen mit guter Ausbildung eröffnen sich neue Berufswege neben der Mutterrolle", sagt Hennicke. Frauen bekämen dann erst später und insgesamt weniger Kinder.

Leser FC95: "Diese Zunahme der Weltbevölkerung macht alle sogenannten Klimaschutzmaßnahmen in Deutschland sinnlos."

Deutschlands Anteil an der Weltbevölkerung ist mit nur einem Prozent tatsächlich sehr gering. Dennoch können Maßnahmen in Deutschland viel bewirken. Hennicke hält Vorreiterländer im Klimaschutz für sehr wichtig. Diese Länder entscheiden, ob ein schnellerer Klimaschutz möglich ist und ob dieser für die Gesellschaft von Vorteil ist.

Besonders durch die Energiewende habe Deutschland bereits eine weltweit beachtete Vorbildfunktion für den Ausbau erneuerbarer Energien eingenommen, sagt Hennicke. Staat und Gesellschaft könnten auch weiter profitieren, wenn ein Strukturwandel direkt mitgedacht wird.


Einige mögliche positive Auswirkungen wären demnach: Mehr Arbeitsplätze durch Energieeffizienz und erneuerbare Energien, eine stark verringerte Luftverschmutzung und eine geringere Abhängigkeit von Energieimporten. Eine solche engagierte Klimaschutzpolitik könnte anderen Ländern als Beispiel dienen und auch sie zum Handeln bewegen.

Hinweis: Dieser Text erschien erstmals am 11. Juli 2019.

Verwendete Quellen
  • eigene Recherchen
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