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Terror in Deutschland – Vor 30 Jahren starb Alfred Herrhausen: Die Hassfigur der RAF


Vor 30 Jahren starb Alfred Herrhausen
Die Hassfigur der RAF

dpa, Jenny Tobien

Aktualisiert am 30.11.2019Lesedauer: 4 Min.
Alfred Herrhausen: Der Vorstandsprecher führte die Deutsche Bank sehr erfolgreich.Vergrößern des BildesAlfred Herrhausen: Der Vorstandsprecher führte die Deutsche Bank sehr erfolgreich. (Quelle: Sven Simon/imago-images-bilder)
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Visionär, Spitzenmanager und Opfer der RAF: Vor 30 Jahren kam Deutsche-Bank-Chef Alfred Herrhausen bei einem Anschlag ums Leben. Die Ermittlungsakten sind noch nicht geschlossen.

Es ist ein kühler Morgen am 30. November 1989. Gegen 8.30 Uhr verlässt Deutsche-Bank-Chef Alfred Herrhausen sein Haus in Bad Homburg, um sich ins nahe gelegene Frankfurt fahren zu lassen. Begleitet von Sicherheitsleuten in zwei weiteren Limousinen, rollt der Tross den Seedammweg entlang. Plötzlich ertönt ein lauter Knall. Mehrere Kilo Sprengstoff, deponiert auf einem Kinderfahrrad, gehen in die Luft. Die Bombe trifft den Spitzenmanager, der hinten im Auto sitzt, mit ungeheurer Präzision. Herrhausen stirbt am Tatort, sein Fahrer überlebt verletzt.

Zu dem Attentat bekennt sich kurz darauf die dritte Generation der Rote-Armee-Fraktion (RAF). Doch die Täter sind auch nach drei Jahrzehnten nicht gefunden. "Das Verfahren ist noch offen, die Ermittlungen dauern an", sagt ein Sprecher der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe.

Schießerei mit der Polizei

Gerade über die dritte Generation ist weiterhin wenig bekannt. Die erste Generation unter den Anführern Ulrike Meinhof und Andreas Baader konzentrierte sich vor allem auf US-Einrichtungen und begründete das etwa mit dem Vietnamkrieg. Danach versucht eine zweite RAF-Generation, die 1972 gefassten Vorgänger freizupressen.

Die dritte Generation kündigt "einen neuen Abschnitt in der revolutionären Strategie" an. Es geht nicht mehr um die Befreiung von Gefangenen, sondern um Anschläge oder Sabotageakte. Auf ihr Konto sollen mehrere Morde gehen, so auch an Siemens-Manager Karl Heinz Beckurts (1986) und Treuhand-Chef Detlev Karsten Rohwedder (1991).

Führende Köpfe waren Wolfgang Grams und Brigitte Hogefeld. Grams begeht 1993 nach einer Schießerei mit der Polizei in Bad Kleinen (Mecklenburg-Vorpommern) Selbstmord. Hogefeld wird 2011 aus der Haft entlassen. Da hatte die RAF längst ihre Auflösung erklärt (1998).

Bombe mit Lichtschranke

Zum Attentat auf Herrhausen gehen in den vergangenen drei Jahrzehnten 1.500 Hinweise ein. Die Bombe wurde mit Hilfe einer Lichtschranke gezündet. Vermutlich konnten die Täter – getarnt als Bauarbeiter – die Technik ungestört vorbereiten. Anfang der 90er Jahre sieht es nach einem Fahndungserfolg aus, als Sigfried Nonne, ein früherer V-Mann des hessischen Verfassungsschutzes, mehrere RAF-Mitglieder und sich selbst belastet. Doch die Widersprüche sind groß. Nonne, dem ein Gutachter massive psychische Störungen nachweist, widerruft zwischenzeitlich seine Aussage, um dann den Widerruf zurückzunehmen.

Möglicherweise kostete eine Schwachstelle in Herrhausens gepanzertem Dienstwagen dem Bankmanager das Leben, berichtet der "Spiegel" in seiner neuen Ausgabe unter Berufung auf Martin Tuffner, dem damaligen Leiter der Terrorbekämpfung beim Bundeskriminalamt (BKA): Herrhausen habe in eine Fahrzeugtür einen Kurbelmechanismus einbauen lassen, um das Fenster aus Panzerglas öffnen zu können. Dafür hätten Teile der Türpanzerung entfernt werden müssen – und auf exakt diese Stelle sei die Bombe ausgerichtet gewesen.

Später kommt der Verdacht auf, die Stasi könnte an dem Mord beteiligt gewesen sein. Dazu gebe es keine konkreten Anhaltspunkte, heißt es heute aus Ermittlerkreisen. An Spekulationen werde man sich nicht beteiligen.

Schuldenerlass für Entwicklungsländer

Herrhausen gilt seinerzeit als eine der gefährdetsten Personen in der Bundesrepublik – und war sich dessen durchaus bewusst. Bereits zu Zeiten der Ermordung von Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer hat er eine Erklärung verfasst, dass im Falle seiner eigenen Entführung, nicht auf entsprechende Forderungen eingegangen werden soll, wie seine Frau Traudl Herrhausen vor Jahren in dem Film "Black Box BRD" berichtete.

Die Alfred Herrhausen Gesellschaft in Berlin plant zum 30. Todestag keine große Gedenkfeier, heißt es auf Anfrage. Das passt wohl auch zur Auffassung Herrhausens: nach vorne zu blicken. Denn als Visionär sah er nicht nur die Bilanzzahlen, sondern wollte die Zukunft gestalten.

Der gebürtige Essener, der zuvor in der Gas- und Elektrizitätsindustrie aufgestiegen war, kommt als Quereinsteiger zur Deutschen Bank. Das Geldhaus baut er zu einem Institut mit Weltstatus um. "Für ihn gehörten wirtschaftliches Handeln und gesamtgesellschaftliche Verantwortung untrennbar zusammen", sagt der heutige Deutsche-Bank-Kommunikationschef Jörg Eigendorf.

Engagiert vertritt Herrhausen die Forderung nach einem Schuldenerlass für Entwicklungsländer. Die RAF wertet das in ihrem Bekennerschreiben als Versuch, die "bestehenden Herrschafts- und Ausplünderungsverhältnisse längerfristig zu sichern".

"Bedenkenträger hat er gehasst"

Innerhalb der Bank stößt Herrhausen mit seiner modernen Art, seinem offenen Geist sowie der schonungslosen Analyse wohl auch auf Widerstand. "Diese Bedenkenträger hat er gehasst", sagt Traudl Herrhausen im Film. Und: "Ich glaube schon, dass er sich zunehmend auch einsam gefühlt hat."


Alfred Herrhausen stirbt zwei Monate vor seinem 60. Geburtstag. Die RAF bekennt sich nicht nur per Schreiben zur Tat, sondern auch per Anruf bei der trauernden Familie, wie sich Herrhausens Patentochter, die Publizistin Carolin Emcke kürzlich in dem Podcast "Alles gesagt" erinnert. "Das ist von einer Widerwärtigkeit, die einen schon nachhaltig verstört."

Der Ausnahmebanker hinterlässt seine Frau und zwei Töchter. Am Tatort im Seedammweg erinnert heute ein Denkmal mit Basaltstelen an Herrhausen. In eine ist ein Bachmann-Zitat eingelassen: "Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar."

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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