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AfD: Die fragwürdige Reise des Ayurveda-Arztes Robby Schlund


Die fragwürdige Reise des Ayurveda-Arztes der AfD

Von Andrea Becker

Aktualisiert am 20.09.2020Lesedauer: 4 Min.
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Robby Schlund: Bei der Corona-Demo zeigte der AfD-Abgeordnete sich mit Plakaten als knallharter Richter über die Corona-Maßnahmen, als Anhänger sanfter Medizin ging er auf Ayurveda-Dienstreise.Vergrößern des Bildes
Robby Schlund: Bei der Corona-Demo zeigte der AfD-Abgeordnete sich mit Plakaten als knallharter Richter über die Corona-Maßnahmen, als Anhänger sanfter Medizin ging er auf Ayurveda-Dienstreise. (Quelle: Screenshot robbyschlund.de/Imago Images)

Er sitzt im Bundestag und will den Virologen Christian Drosten zum Sträfling machen: Die AfD hat ihren Abgeordneten Robby Schlund mit Steuergeldern auf Ayurveda-Dienstreise nach Indien geschickt – und die Botschaft spielte Gastgeber für eine Preisverleihung.

Bis vor ein paar Tagen war Robby Schlund einer der kaum bekannten Parlamentarier. Der AfD-Politiker praktiziert als Orthopäde, bezeichnet sich selbst als „Ayurveda-Arzt“ und tritt mit einer „Deutschen Gesellschaft für Adaptive Therapien“ auf, die ihren Sitz in seiner Geraer Nachbarschaft hat.

Von Schlund kann man aber vielleicht über die AfD lernen – und darüber, dass ihre Abgeordneten gern die parlamentarische Demokratie kritisieren, deren Vorteile aber durchaus bereitwillig nutzen. Zumal, wenn sich auch noch möglicher eigener Nutzen ergeben könnte.

Mediziner Schlund ist hauptberuflich Bundestagsabgeordneter der AfD Thüringen, die vom Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft ist. Schlund selbst ist dazu noch bei seiner Standesvertretung ein Verdachtsfall: Die Bundesärztekammer hält ihm einen "Frontalangriff auf den gesamten ärztlichen Berufsstand" vor, die Landesärztekammer prüft ein standesrechtliches Verfahren.

Mit "Schuldig"-Plakat auf Demo

Auslöser ist sein Auftritt bei den Corona-Kundgebungen am 29. August in Berlin. Er trug ein Schild mit dem Foto von Virologe Christian Drosten in Sträflingskleidung und dem Aufdruck "schuldig", Mitglieder seines Teams hielten weitere Fotos hoch. Er nannte das "politische Satire“. Es gibt keinen anderen AfD-Abgeordneten, der sich so buchstäblich plakativ gegen die Corona-Maßnahmen der Regierung stellt.

Dabei ist der Mann, der sich zum harten Richter über die Corona-Maßnahmen aufspielte, Verfechter von Medizin, die sich als sanft präsentiert. Er nennt sich Ayurveda-Arzt, eine offizielle und geregelte Zusatzbezeichnung in Deutschland ist das nicht. Nach eigenen Angaben wurde er in Indien dazu ausgebildet, wo diese Gesundheitslehre an Universitäten vermittelt wird.

Ayurveda wird auch im Westen von vielen Menschen geschätzt, auch wenn evidenzbasierte Wirkungsnachweise fehlen. Im Kern geht es nach eigenem Verständnis um das Bemühen, „Energieströme“ des Körpers zu harmonisieren und so selbst etwas für die Stärkung der eigenen Gesundheit zu tun. Unter diesen Vorzeichen stand auch Ende April eine online abgehaltene Veranstaltung, in der Schlund vor Gleichgesinnten den deutschen Umgang mit Corona noch gelobt hatte.

Als Opposition müsse man kritisieren, berichtete Schlund damals in einem internationalen Ayurveda-Webinar über die Stärkung des Immunsystems angesichts von COVID-19. Die Kurve in Deutschland könne sich aber sehen lassen. In dem Webinar empfahl er vorbeugend weniger Stress, Sport und viel Trinken – und Produkte seines indischen Bekannten Nitin Agrawal.

Agrawal leitete die Runde im Netz, er ist Geschäftsführer eines indischen Ayurveda-Unternehmens, das den Abgeordneten Schlund als Testimonial präsentiert. Dort würden europäische Mindeststandards z.B. in der Hygiene mehr als übererfüllt, erklärt Schlund seine Empfehlung. Das sei für Patienten aus Europa wichtig zu wissen. Schlund vertrieb auch vor seiner Wahl in den Bundestag Produkte des Unternehmens über einen Versandhandel in Deutschland. Das „Ayurveda-Starter-Paket“ mit 11 Produkten kostete 299 Euro.

Zuständig für "Analyse der Gesundheitssysteme“

2019 hatte der indische Geschäftsfreund Schlund am Flughafen zur vielleicht ungewöhnlichsten Dienstreise eines deutschen Abgeordneten in der laufenden Legislaturperiode empfangen: ein Ayurveda-Trip. In der AfD ist der Arzt zuständig für die „Analyse der Gesundheitssysteme der Welt“, wie er t-online erklärte. Deshalb habe seine Fraktion ihn im Frühjahr des vergangenen Jahres auf die fünftägige Mission nach Indien geschickt. Auf freundliche Einladung des indischen Ministeriums, das unter anderem für Ayurveda zuständig ist. Aber im Wesentlichen bezahlt vom deutschen Steuerzahler.

Für sogenannte Fraktionsreisen hat jede Bundestagsfraktion ein Budget, über das sie frei entscheiden kann. Insgesamt stehen rund 1,4 Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung, die nach Fraktionsstärke verteilt werden. Für die AfD dürfte der Anteil irgendwo zwischen 150.000 und 200.000 Euro liegen. Über den genauen Einsatz der Mittel hält sich die Bundestagsverwaltung bedeckt, es gibt keine öffentlich zugänglichen Informationen.

Was der Indien-Trip von Robby Schlund gekostet hat, ist deshalb unbekannt. Bekannt ist dagegen viel von dem, was Schlund in Indien gemacht hat: Er schilderte es in einem Blog ausführlich. Es begann mit einem Besuch bei Nitin A.. Und in A.s Begleitung war Schlund auch oft, als ihn seine Recherche über das Gesundheitssystem zu verschiedenen Schulen, Handelskammern, einer Hilfsorganisation und einer Kläranlage führte. Aber auch zu einem Staatssekretär im "Ayush"-Ministerium. Die Abkürzung steht für „Ayurveda, Yoga, Unani, Siddha und Homöopathie“. Das Ministerium bekam Glückwünsche für diesen Schritt zur "Globalisierung von Ayurveda".

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Das Ayurveda-Ministerium ist in Indien nicht unumstritten. Es wurde 2014 nach dem Wahlsieg des hindu-nationalistischen Premiers Narendra Modi errichtet und steht im Konflikt mit dem wissenschaftsorientierten Gesundheitsministerium. Neben der Förderung populärer – aber wissenschaftlich umstrittener – Gesundheitslehren kümmert es sich auch um die Exportförderung der damit verbundenen Gesundheitsindustrie. Ein Ayurveda-Arzt aus dem Bundestag, das darf man annehmen, ist da wohl nicht der schlechteste Gesprächspartner.

Allerdings waren nicht nur die indischen Stellen hilfreich. Auch die deutsche Botschaft war es. Obwohl Schlund vom indischen Ministerium eingeladen war, stellte die deutsche diplomatische Vertretung die Räume zur Verfügung für ein "Ayurveda-Symposium" mit Vertretern der indischen Ayurveda-Wirtschaft.

Die Veranstaltung soll "aus logistischen Gründen" und auf Wunsch von Schlund in der Botschaft stattgefunden haben, ist zu hören. Es seien auch nur 82 Euro Getränkekosten angefallen. Fragt man bei der Vertretung und im Außenministerium nach der Ayurveda-Show in den Botschaftsräumen, bekommt man keinerlei offizielle Antwort.

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Auf Reise "wertvolle Erkenntnisse" gewonnen

Schlund hat aus Indien aber nicht nur einen Ehrenteller mitgebracht, wenn man ihn fragt: Er habe auf der Reise „wertvolle Erkenntnisse“ gewonnen, die „permanent in seine Arbeit einfließen“ würden, teilte er mit.

Zu sehen war im Parlament davon noch nicht viel: Anderthalb Jahre sind seit dem Trip vergangenen. Und die AfD-Fraktion im Bundestag hat seitdem weder Anfragen noch Anträge im Zusammenhang mit indischer oder alternativer Medizin gestellt oder sich in irgendeiner Weise zum indischen Gesundheitssystem geäußert.

Selbst die Ergebnisse der deutsch-indischen Regierungskonsultationen im Herbst 2019 blieben unkommentiert. Sie dürften aber im Sinne des Abgeordneten Schlund gewesen sein: Es wurde eine Forschungskooperation im Bereich Ayurveda-Medizin vereinbart.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • Homepage Robby Schlund
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