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Sieg in Niedersachsen: Die SPD zwischen Seligsein und Glücklichsein


Sieg in Niedersachsen
Die SPD zwischen Seligsein und Glücklichsein

t-online, Jonas Schaible

15.10.2017Lesedauer: 4 Min.
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil jubelt in Hannover auf der Wahlparty der SPD.Vergrößern des BildesNiedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil jubelt in Hannover auf der Wahlparty der SPD. (Quelle: dpa-bilder)
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Die SPD feiert den Wahlsieg in Niedersachsen und sich selbst. Mit wem sie künftig regieren will oder kann, geht im Jubel unter – noch.

Aus Hannover berichtet Jonas Schaible

Stephan Weil läuft die Treppe hoch zur SPD-Wahlparty und noch achtet niemand auf seine Krawatte. "So sehen Sieger aus", brüllt die Menge und klatscht im Takt. Seine Leibwächter bahnen dem alten und wohl auch neuen Ministerpräsidenten den Weg. Weil tritt auf die Bühne, ruckelt und zuckelt ein bisschen mit dem Kopf.

"Ehrlich gesagt, mir geht es wie euch: ich bin unglaublich happy", sagt er. Und dann: "Ihr kennt die wichtigste Entscheidung im Leben eines Mannes? Welche Krawatte ziehe ich an." Er habe sich für eine entschieden, die er sonst nur zu "sozialdemokratischen Hochämtern" trage. Denn: "Das ist ein großer Tag".

Darauf muss man erst einmal kommen an so einem Wahlabend – ausgerechnet die Krawatte zur Metapher zu machen für die Bedeutsamkeit des Abends. Dann reichen Helfer Weil ein Bierglas. Er nippt und gibt es weiter.

Das ist er also, der Mann, der seine SPD zu gut 37 Prozent geführt hat, sie zur stärksten Kraft gemacht hat. Kein Volkstribun. Und doch einer, dem die Menschen auf der Wahlparty zujubeln wie einem Fußballstar. Irgendwann macht er mit, holt seine Minister auf die Bühne und startet eine Laola.

Prozente-Gewinne

"Einer geht noch, einer geht noch rein!"

Um 18.57 Uhr, etwa zwei Stunden vor Weils Auftritt, fing es richtig an, da wurde der Ton gesetzt: Stadionatmosphäre. Da fingen sie gerade an, richtig Hoffnung zu schöpfen. "Einer geht noch, einer geht noch rein!", brüllen Anhänger, als die neueste Hochrechnung auf die Wand projiziert wird: Nur ein Sitz fehlt SPD und Grünen da noch zur Mehrheit im Landtag. Zu einer Mehrheit, die Umfragen zufolge fast unmöglich war und auch in den ersten Hochrechnungen fern schien. Jetzt aber ist nur noch ein Sitz: "Einer geht noch rein!" Und dann: "Oléeee, oléeee, oléeee olé".

Zwischendurch versteht man weder den direkten Gesprächspartner noch die Fernsehübertragung. Wahlsieger jubeln immer, so ist es üblich, so gehört es sich. Aber so gut gelaunt sind Wahlsieger selten. So gut gelaunt war die SPD ewig nicht mehr. Eigentlich seit der Bundestagswahl 1998 nicht mehr, hört man hier immer wieder.

Die CDU, die vor wenigen Wochen noch einen zweistelligen Vorsprung in den Umfragen hatte: abgestürzt. Die Linke: wie "erhofft" nicht im Landtag. Die AfD: zwar drin, aber zurechtgestutzt. Natürlich buht der Saal, wenn das AfD-Ergebnis angezeigt wird, natürlich bekommen Spitzen gegen die Rechtsaußen-Partei Applaus – aber in Gesprächen spielt sie an diesem Wahlabend keine Rolle. Auch das gab es lange nicht.

Es geht stattdessen um mögliche Koalitionen, vor allem aber um Zufriedenheit, Glück und Erleichterung. Noch vor ein paar Wochen lag die SPD zwölf Prozentpunkte hinter der CDU – jetzt liegt sie etwa vier Punkte vorne.

"Es fällt natürlich eine riesige Last ab", sagt Olaf Lies, Wirtschaftsminister und einer der starken Männer der Landes-SPD. "Wir sind nicht in Selbstzweifel verfallen – wir waren überzeugt von der Regierung und sind mit geradem Rücken rausgegangen." Das sagt er immer wieder: Rücken durchdrücken. Nicht zaudern. Es ist sein Rezept für den Erfolg.

"Die Mitglieder haben aus Frust, Trotz und Überzeugung gekämpft"

Aber reicht das, um zu erklären, wie die SPD in wenigen Wochen die totale Kehrtwende hinbekommen hat? Dass die Menschen Elke Twesten und der CDU den Parteiwechsel übel genommen haben und dass die CDU auf die Neuwahlen nicht ausreichend vorbereitet war, habe geholfen, hört man immer wieder. Die Stimmung im Land war eben so, heißt es außerdem. "Die Mitglieder haben aus Frust, Trotz und Überzeugung gekämpft", sagt Lies. Frust und Trotz nach der verlorenen Bundestagswahl.

Irgendwas scheint da passiert zu sein, irgendwie hat die SPD Kraft geschöpft und "ich weiß nicht, ob man das rein rational erklären kann", sagt Cornelia Rundt, die niedersächsische Sozialministerin. "Ich glaube aber, dass dieses Ergebnis die SPD stärkt." Das hoffen sie hier alle. Das dürfte bald die neue große Erzählung werden. Dass die SPD eine Volkspartei ist, wenn sie bei sich ist und nah am Menschen, kompromisslos, kein Anhängsel der Union.

Die Fortsetzung der Koalition ist der große Wunsch

In Niedersachsen kann die SPD sich jetzt darauf einstellen, weiterzuregieren. Mit wem, das war bis spät am Abend nicht klar. Möglich, dass es sogar für eine Fortsetzung der rot-grünen Koalition reicht – was lange ausgeschlossen schien. Die Fortsetzung der Koalition ist der große Wunsch, das sagen am Abend alle. Aber wenn nicht?

Dann kommt eine andere Mehrheit.

Die FDP hatte zuvor im Wahlkampf und am Wahlabend immer wieder eine Ampel-Koalition ausgeschlossen. Auf der SPD-Party glaubt offenbar niemand, dass das so bleiben müsse. "Wir werden mit allen reden", sagt Lies. Dann müsse man sehen, was möglich ist. "Es würde mich sehr wundern, wenn die nicht in die Regierung gehen – die FDP ist doch immer als erste an den Futternäpfen", sagt die Bundestagsabgeordnete Kerstin Tack.

Und wenn es doch die große Koalition wird, weil es für Rot-Grün nicht reicht, die FDP sich querstellt und die Grünen sich weigern, eine Jamaika-Koalition zu formen? Dann wird es eben das.

Die SPD hält sich alle Optionen offen

Matthias Miersch, der Sprecher der Parteilinken im Bundestag und also qua Amt kein Anhänger der großen Koalition, sagt am Abend, sicher hätten die Wähler honoriert, dass die SPD im Bund in die Opposition geht. "Das kann aber nicht bedeuten, dass eine Große Koalition in Niedersachsen ausgeschlossen ist."

Die Partei hält sich alle Optionen offen. Und ist bis dahin erst einmal froh.

Im Laufe des Abends treten immer wieder ehemalige und aktive Parteigrößen auf die Bühne. Auch Heidi Merk ist dabei, die langjährige Sozialministerin in Niedersachen. Wie sie sich fühlt, wird sie natürlich gefragt. "Zwischen Seligsein und Glücklichsein", sagt sie, "aber eigentlich viel mehr."

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