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Wohnungsnot: Heute Enteignung und morgen darf niemand mehr nach Berlin ziehen


Wohnungsnot
Heute Enteignung und morgen darf niemand mehr nach Berlin ziehen

MeinungEin Gastbeitrag von Jenna Behrends

Aktualisiert am 21.02.2019Lesedauer: 4 Min.
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Häuser in der Karl-Marx-Allee: Wohnungsinitiativen wollen mit einem Volksbegehren die Enteignung von Immobilienfirmen möglich machen.Vergrößern des Bildes
Häuser in der Karl-Marx-Allee: Wohnungsinitiativen wollen mit einem Volksbegehren die Enteignung von Immobilienfirmen möglich machen. (Quelle: Emmanuele Contini/imago-images-bilder)

Damit die Mieten nicht weiter steigen, sollen in Berlin Immobilienfirmen enteignet werden. Eine Gute Idee, findet der Berliner Senat. Absolut falsch, schreibt CDU-Politikerin Jenna Behrends in einem Gastbeitrag.

In vielen deutschen Großstädten wird die Wohnungsnot immer schlimmer. Vielerorts ist der Wohnungsmarkt wie leer gefegt – die Mieten steigen. In Berlin soll nun mit einer umstrittenen Idee das Problem angegangen werden: Ein Volksbegehren soll Enteignung von Immobilienunternehmen möglich machen. Eine Unterschriftenaktion dafür soll im April beginnen. Berlins Regierung unterstützt die Aktion.

Ein großer Fehler, findet Jenna Behrends. Die Berliner CDU-Politikerin wirft der rot-rot-grünen Landesregierung in ihrem Gastbeitrag Arbeitsverweigerung vor. Durch zu wenig Anreize für Investoren würde der Senat das Wohnungsproblem selbst schaffen. Und sich nun durch Enteignungen als "Retter der Wohnungssuchenden präsentieren".

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Jenna Behrends, geboren 1990, ist Politikerin der CDU und Mitglied der Bezirksverordnetenversammlung in Berlin-Mitte. Sie hat Jura studiert, eine journalistische Ausbildung und ist Autorin des Buches "Rabenvater Staat. Warum unsere Familienpolitik einen Neustart braucht". (Foto: Andi Weiland)

Wenn die Berliner Landespolitik über die Enteignung von Immobilienunternehmen diskutiert, ist das nichts anderes als eine Neuaufführung des altbekannten Stückes "Wie vergrößern wir die Wohnungsnot möglichst effektiv". Drohende Enteignungen sind das Ende des Wohnungsbaus – nicht nur in der Hauptstadt. Sie werden selbst wohlmeinende Investoren abschrecken. Der Wohnungsbestand wird zerfallen, neue Wohnungen werden nicht gebaut und Grundsteuer nimmt die Stadt auch weniger ein.

Ganz abgesehen von den hohen Entschädigungszahlungen, die fällig werden. Was macht Berlin, wenn die anderen Bundesländer dann feststellen, dass es des Länderfinanzausgleichs gar nicht mehr bedürfte und ihre Überweisungen einstellen? Ich frage für einen Freund, ähm, ein anderes Bundesland.

Trotzdem bekommt eine Bürgerinitiative, die große Immobilienunternehmen mit mehr als 3.000 Wohnungen "vergesellschaften" will, Zuspruch aus der Landesregierung: Die Linkspartei hat ihre Unterstützung bereits zugesagt, die Jusos haben eine Kooperation beschlossen und auch die Grünen zeigen sich offen. Der Regierende Bürgermeister Michael Müller stellt zwar klar, Enteignungen seien nicht seine Politik, aber er schlägt vor, Tausende Wohnungen zu rekommunalisieren. Er will die Wohnungen der "Deutsche Wohnen" zurückkaufen. Auch die Idee eines absoluten Mietendeckels macht gerade die Runde.

Natürlich läuft in einer Stadt etwas gewaltig schief, in der sich die Assistenzärztin kein Wohneigentum in der Nähe der Charité mehr leisten kann und der Feuerwehrmann lange nach einer bezahlbaren Wohnung für seine Familie suchen muss. Die Miet- und Kaufpreise steigen und steigen. In den vergangenen zehn Jahren wurde in Berlin statistisch betrachtet jede fünfte Wohnung einmal verkauft.

Das Geld dafür kommt bundesweit bei jeder dritten Transaktion aus dem Ausland. Wenn ausländische Pensionsfonds ganze Wohnblöcke erwerben, wächst das Unbehagen in der Stadt. Zu Recht. Im schlimmsten Fall umgehen anonyme Gesellschaften die Grunderwerbsteuer mit Share-Deals und schieben die Gewinne in irgendein Steuerparadies, während die nächste Mieterhöhung in die Briefkästen flattert. Das dürfen wir nicht weiter zulassen.

Aber Enteignungen sind keine Lösungen. Sie dienen nur der Selbsterhaltung der Berliner Landespolitik. Erst wird die Wohnungsnot verschärft, um sich dann als vermeintlicher Retter der Wohnungssuchenden zu präsentieren. Das ist der "Circle of Life", Edition Berliner Landespolitik. Die Probleme selbst schaffen, um die man sich dann kümmern kann.

Private Investoren bieten ein gutes Ziel

Zur Erinnerung: Wir reden über Berlin. Das Land, in dem der Senat seit der Wende über 200.000 Wohnungen verscherbelt hat. Das Land, in dem die rot-rot-grüne Regierung an den selbst gesteckten Zielen scheitert: Die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften schaffen es nicht, die benötigten Wohnungen zu bauen. Doch anstatt private Bauherren zu fördern, arbeitet der Senat gegen sie. In der Mieterstadt Berlin sind private Investoren ein gutes Ziel, um jegliche Schuld abzuschieben.

86 Prozent der Berliner sind Mieter. Angesichts dessen wird es der Initiative leicht fallen, die benötigten Unterschriften für ein Volksbegehren zu sammeln. 54,8 Prozent der Bevölkerung finden es richtig, "dass es Bestrebungen gibt, Großvermieter gegen Entschädigung zu enteignen". Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage des Instituts Civey im Auftrag des "Tagesspiegels". Bezahlbarer Wohnraum für alle: Dagegen hat schließlich niemand etwas.

Aber welche ernsthaften Bemühungen gab es im Land Berlin bisher, selbst neuen Wohnraum zu schaffen? Wo waren die Initiativen, um bereits bebaute Fläche weiter zu verdichten? Und wer ist eigentlich für die Flächennutzungs- und Bebauungspläne zuständig? Und die Übertragung von Grundstücken an Genossenschaften? Die aktuelle Regierung fühlt sich offensichtlich nicht verantwortlich. Stattdessen sind die Baugenehmigungen rückläufig.

Das grenzt an Arbeitsverweigerung

Anstatt Neubau zu entbürokratisieren, Genehmigungsverfahren zu beschleunigen und Auflagen zu streichen, diskutiert die Landespolitik über Enteignungen. Das grenzt an Arbeitsverweigerung. Es scheint populärer zu sein, in das Grundrecht auf Eigentum einzugreifen, als das Berliner Landesrecht nach Vorschriften zu durchforsten, die den Wohnungsbau behindern, und sich auch auf Bundesebene dafür einzusetzen.

Wahrscheinlich werden die Immobilienunternehmer sowieso wieder kreative Auswege finden. Zum Beispiel Zersplitterung: Was? Nein, wir sind Wohnungsbaugesellschaft Berliner Straße 143, Stockwerke 1-3, wenn es um die Wohnung 83 geht, müssen sie sich an die Wohnungsbaugesellschaft Berliner Straße, Stockwerke 4-5 wenden!


Aber womöglich reagiert die Berliner Politik dann ebenso kreativ: Die findet anscheinend jetzt schon, dass Berlin viel zu voll ist, und will offensichtlich gar nicht, dass noch mehr Menschen in die Stadt ziehen. Warum nicht also wieder die Grenzen schließen? Dieses Mal dann andersherum: Raus dürfen alle, nur rein nicht mehr. Absurder als Enteignungen wäre der Vorschlag auch nicht.

Die in Gastbeiträgen geäußerte Meinung ist die der Autorin und entspricht nicht unbedingt derjenigen der t-online.de-Redaktion.

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