Heute Enteignung und morgen darf niemand mehr nach Berlin ziehen
Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung ΓΌbernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Damit die Mieten nicht weiter steigen, sollen in Berlin Immobilienfirmen enteignet werden. Eine Gute Idee, findet der Berliner Senat. Absolut falsch, schreibt CDU-Politikerin Jenna Behrends in einem Gastbeitrag.
In vielen deutschen GroΓstΓ€dten wird die Wohnungsnot immer schlimmer. Vielerorts ist der Wohnungsmarkt wie leer gefegt β die Mieten steigen. In Berlin soll nun mit einer umstrittenen Idee das Problem angegangen werden: Ein Volksbegehren soll Enteignung von Immobilienunternehmen mΓΆglich machen. Eine Unterschriftenaktion dafΓΌr soll im April beginnen. Berlins Regierung unterstΓΌtzt die Aktion.
Ein groΓer Fehler, findet Jenna Behrends. Die Berliner CDU-Politikerin wirft der rot-rot-grΓΌnen Landesregierung in ihrem Gastbeitrag Arbeitsverweigerung vor. Durch zu wenig Anreize fΓΌr Investoren wΓΌrde der Senat das Wohnungsproblem selbst schaffen. Und sich nun durch Enteignungen als "Retter der Wohnungssuchenden prΓ€sentieren".
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Jenna Behrends, geboren 1990, ist Politikerin der CDU und Mitglied der Bezirksverordnetenversammlung in Berlin-Mitte. Sie hat Jura studiert, eine journalistische Ausbildung und ist Autorin des Buches "Rabenvater Staat. Warum unsere Familienpolitik einen Neustart braucht". (Foto: Andi Weiland)
Wenn die Berliner Landespolitik ΓΌber die Enteignung von Immobilienunternehmen diskutiert, ist das nichts anderes als eine NeuauffΓΌhrung des altbekannten StΓΌckes "Wie vergrΓΆΓern wir die Wohnungsnot mΓΆglichst effektiv". Drohende Enteignungen sind das Ende des Wohnungsbaus β nicht nur in der Hauptstadt. Sie werden selbst wohlmeinende Investoren abschrecken. Der Wohnungsbestand wird zerfallen, neue Wohnungen werden nicht gebaut und Grundsteuer nimmt die Stadt auch weniger ein.
Ganz abgesehen von den hohen EntschΓ€digungszahlungen, die fΓ€llig werden. Was macht Berlin, wenn die anderen BundeslΓ€nder dann feststellen, dass es des LΓ€nderfinanzausgleichs gar nicht mehr bedΓΌrfte und ihre Γberweisungen einstellen? Ich frage fΓΌr einen Freund, Γ€hm, ein anderes Bundesland.
Trotzdem bekommt eine BΓΌrgerinitiative, die groΓe Immobilienunternehmen mit mehr als 3.000 Wohnungen "vergesellschaften" will, Zuspruch aus der Landesregierung: Die Linkspartei hat ihre UnterstΓΌtzung bereits zugesagt, die Jusos haben eine Kooperation beschlossen und auch die GrΓΌnen zeigen sich offen. Der Regierende BΓΌrgermeister Michael MΓΌller stellt zwar klar, Enteignungen seien nicht seine Politik, aber er schlΓ€gt vor, Tausende Wohnungen zu rekommunalisieren. Er will die Wohnungen der "Deutsche Wohnen" zurΓΌckkaufen. Auch die Idee eines absoluten Mietendeckels macht gerade die Runde.
NatΓΌrlich lΓ€uft in einer Stadt etwas gewaltig schief, in der sich die AssistenzΓ€rztin kein Wohneigentum in der NΓ€he der CharitΓ© mehr leisten kann und der Feuerwehrmann lange nach einer bezahlbaren Wohnung fΓΌr seine Familie suchen muss. Die Miet- und Kaufpreise steigen und steigen. In den vergangenen zehn Jahren wurde in Berlin statistisch betrachtet jede fΓΌnfte Wohnung einmal verkauft.
Das Geld dafΓΌr kommt bundesweit bei jeder dritten Transaktion aus dem Ausland. Wenn auslΓ€ndische Pensionsfonds ganze WohnblΓΆcke erwerben, wΓ€chst das Unbehagen in der Stadt. Zu Recht. Im schlimmsten Fall umgehen anonyme Gesellschaften die Grunderwerbsteuer mit Share-Deals und schieben die Gewinne in irgendein Steuerparadies, wΓ€hrend die nΓ€chste MieterhΓΆhung in die BriefkΓ€sten flattert. Das dΓΌrfen wir nicht weiter zulassen.
Aber Enteignungen sind keine LΓΆsungen. Sie dienen nur der Selbsterhaltung der Berliner Landespolitik. Erst wird die Wohnungsnot verschΓ€rft, um sich dann als vermeintlicher Retter der Wohnungssuchenden zu prΓ€sentieren. Das ist der "Circle of Life", Edition Berliner Landespolitik. Die Probleme selbst schaffen, um die man sich dann kΓΌmmern kann.
Private Investoren bieten ein gutes Ziel
Zur Erinnerung: Wir reden ΓΌber Berlin. Das Land, in dem der Senat seit der Wende ΓΌber 200.000 Wohnungen verscherbelt hat. Das Land, in dem die rot-rot-grΓΌne Regierung an den selbst gesteckten Zielen scheitert: Die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften schaffen es nicht, die benΓΆtigten Wohnungen zu bauen. Doch anstatt private Bauherren zu fΓΆrdern, arbeitet der Senat gegen sie. In der Mieterstadt Berlin sind private Investoren ein gutes Ziel, um jegliche Schuld abzuschieben.
86 Prozent der Berliner sind Mieter. Angesichts dessen wird es der Initiative leicht fallen, die benΓΆtigten Unterschriften fΓΌr ein Volksbegehren zu sammeln. 54,8 Prozent der BevΓΆlkerung finden es richtig, "dass es Bestrebungen gibt, GroΓvermieter gegen EntschΓ€digung zu enteignen". Das ist das Ergebnis einer reprΓ€sentativen Umfrage des Instituts Civey im Auftrag des "Tagesspiegels". Bezahlbarer Wohnraum fΓΌr alle: Dagegen hat schlieΓlich niemand etwas.
Aber welche ernsthaften BemΓΌhungen gab es im Land Berlin bisher, selbst neuen Wohnraum zu schaffen? Wo waren die Initiativen, um bereits bebaute FlΓ€che weiter zu verdichten? Und wer ist eigentlich fΓΌr die FlΓ€chennutzungs- und BebauungsplΓ€ne zustΓ€ndig? Und die Γbertragung von GrundstΓΌcken an Genossenschaften? Die aktuelle Regierung fΓΌhlt sich offensichtlich nicht verantwortlich. Stattdessen sind die Baugenehmigungen rΓΌcklΓ€ufig.
Das grenzt an Arbeitsverweigerung
Anstatt Neubau zu entbΓΌrokratisieren, Genehmigungsverfahren zu beschleunigen und Auflagen zu streichen, diskutiert die Landespolitik ΓΌber Enteignungen. Das grenzt an Arbeitsverweigerung. Es scheint populΓ€rer zu sein, in das Grundrecht auf Eigentum einzugreifen, als das Berliner Landesrecht nach Vorschriften zu durchforsten, die den Wohnungsbau behindern, und sich auch auf Bundesebene dafΓΌr einzusetzen.
Wahrscheinlich werden die Immobilienunternehmer sowieso wieder kreative Auswege finden. Zum Beispiel Zersplitterung: Was? Nein, wir sind Wohnungsbaugesellschaft Berliner StraΓe 143, Stockwerke 1-3, wenn es um die Wohnung 83 geht, mΓΌssen sie sich an die Wohnungsbaugesellschaft Berliner StraΓe, Stockwerke 4-5 wenden!
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Aber womΓΆglich reagiert die Berliner Politik dann ebenso kreativ: Die findet anscheinend jetzt schon, dass Berlin viel zu voll ist, und will offensichtlich gar nicht, dass noch mehr Menschen in die Stadt ziehen. Warum nicht also wieder die Grenzen schlieΓen? Dieses Mal dann andersherum: Raus dΓΌrfen alle, nur rein nicht mehr. Absurder als Enteignungen wΓ€re der Vorschlag auch nicht.
Die in GastbeitrΓ€gen geΓ€uΓerte Meinung ist die der Autorin und entspricht nicht unbedingt derjenigen der t-online.de-Redaktion.