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Klimakrise: Wer von Ökodiktatur spricht, hat das Problem nicht verstanden


Klimakrise
Wer von Ökodiktatur spricht, hat das Problem nicht verstanden

MeinungEin Essay von Jonas Schaible

Aktualisiert am 08.12.2020Lesedauer: 11 Min.
Meinung
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In San Francisco wurde ein Bild von Greta Thunberg an eine Wand gemalt: Die 16-Jährige wird für ihren Aktivismus heftig angefeindet.Vergrößern des Bildes
In San Francisco wurde ein Bild von Greta Thunberg an eine Wand gemalt: Die 16-Jährige wird für ihren Aktivismus heftig angefeindet. (Quelle: Justin Sullivan/Getty Images)

Die Erderhitzung ist eine Gefahr, die sich von allen anderen unterscheidet. Sie erfordert neues Denken, neue Antworten – aber natürlich keine Ökodiktatur.

Wenn man in diesen Tagen verschiedenen Politikern dieselbe Frage stellt, nämlich für welche Art von Problem sie die Erderhitzung halten, dann lautet die erste Erkenntnis, dass unter den Vernünftigen niemand mehr bestreitet, dass sie ein ernstes Problem ist. Auch nicht im sehr konservativen Lager.

Eine zweite Erkenntnis lautet aber, dass die Klimakrise von vielen immer noch als ein normales Problem verstanden wird, dem grundsätzlich zu begegnen ist wie anderen Problemen auch.

Nur ist sie das nicht. Sie ist ein Problem ganz eigener Qualität, und das heißt, dass man auf sie anders reagieren muss.

Um Missverständnissen, bewussten wie unbewussten, vorzubeugen, sei gesagt, dass sie mitnichten das einzige Problem ist, um das sich Politik kümmern sollte, auch wenn sie über kurz oder lang mit allen anderen Problemen interagiert. Wichtig ist zunächst die Einsicht, dass die Klimakrise das übliche Denken herausfordert, dass sie auch Widersprüche erzeugt, die man sich bewusst machen muss, bevor man produktiv mit ihnen umgehen kann.

Man kann, darum geht es, der Klimakrise nicht mit den eingeübten Mechanismen der Vernunft begegnen und auch nicht mit den üblichen Mitteln der Politik.

Die alles verändernde Gestalt

Der erste Grund dafür liegt im schieren Ausmaß der anstehenden Veränderung. Der Mensch als Art, also der Homo sapiens, entwickelte sich vor rund 300.000 Jahren in einer Phase, in der sich ausgedehnte Eiszeiten mit kurzen Warmzeiten abwechselten. Vor etwa 20.000 Jahren begann es, wieder etwas wärmer zu werden und vor etwa 11.700 Jahren stabilisierte sich das Klima.

Erdhistorisch gesehen im nächsten Moment schufen Menschen die ersten Siedlungen, damals unterschied sich das Klima nicht wesentlich von heute. Gut möglich, dass nur unter den Bedingungen dieses stabilen Weltklimas das entstehen konnte, was wir Zivilisation nennen.

Diese Phase geht gerade zu Ende, wenn nicht sehr schnell sehr radikal Treibhausgasemissionen zurückgefahren werden.

Die Erderhitzung, die selbst dann am Ende des Jahrhunderts zu erwarten wäre, würden alle Staaten ihre selbst gesteckten Klimaziele einhalten, liegt Prognosen zufolge zwischen 2 und 4 Grad Celsius gegenüber der vorindustriellen Zeit. Möglicherweise weit darüber. Dann nämlich, wenn die sogenannten Kipppunkte erreicht werden, wenn das Eis an den Polen schmilzt, die Permafrostböden tauen, der Amazonas-Regenwald stirbt und sich der Prozess selbst verstärkt.

Es war zwar zwischendurch schon einmal viel wärmer als heute, als schon Menschen lebten. Aber eine drei oder vier Grad wärmere Erde hat noch kein Mensch gesehen. Wenn sich nichts ändert, werden Kinder, die heute geboren werden, noch eine heißere Welt erleben als jemals irgendein Mensch zuvor.

Niemand weiß, ob Zivilisationen, wie wir sie kennen, in einer drei oder vier oder fünf Grad heißeren Welt existieren können. Der Mensch ist ungemein anpassungsfähig, aber es wäre ein Experiment mit ungewissem Ausgang.

Sie ist allumfassend

Solange das Klima stabil war, konnte man daran glauben, dass der Mensch losgelöst von der Natur existiert. Darauf gründen schließlich die moderne Gesellschaft und das moderne Denken: auf der Verfügbarkeit der Natur und ihrer Differenz zum Menschen. Der Mensch baggert und bohrt und betoniert und rodet und schürft und pumpt und mehrt so seinen Wohlstand. Er unterscheidet Kultur und Natur, Denken und Instinkt, Mensch und Tier.

Nur, das rückt jetzt wieder ins Bewusstsein, ist der Mensch Teil der Natur, nicht in einem esoterischen Sinne, sondern ganz unmittelbar körperlich: Er schwitzt, friert, hungert, dürstet, baut Nahrung an. Wenn sich das Klima verändert, spürt er das.

Da sich das gesamte Klima ändert, trifft es alle Menschen überall, die Klimakrise ist anders als normale politische Probleme nicht räumlich und zeitlich beschränkt. Es gibt keine Lebensbereiche, die nicht von einer Erderhitzung betroffen sind, und es gibt keine Regionen, die nicht betroffen sind. Selbst am Polarkreis brennen Wälder.

Alles, was alle Menschen tun und sind, wird durch die Erderhitzung beeinflusst. Es gibt kein Außerhalb der Klimakrise.

Viel Zeit ist nicht mehr

Politik ist menschengemacht und was menschengemacht ist, ist dem menschlichen Einfluss zugänglich. Normale politische Probleme können jetzt gelöst werden oder später oder nie. Selbst ein Krieg kann prinzipiell zu jedem Zeitpunkt beendet werden, wenn sich alle Seiten darauf einlassen. Normale politische Probleme sind verfügbare Probleme, weil das Handeln zu einem Zeitpunkt die Handlungsmöglichkeiten und Notwendigkeiten zu einem späteren Zeitpunkt nur beeinflusst, aber nicht bestimmt.

Die Erderhitzung ist anders, ist nicht beliebig verfügbar. Sie kann entweder sehr schnell noch eingedämmt werden, oder sehr bald nicht mehr, weil dann Kipppunkte aktiviert werden und sich der Prozess der Erhitzung dem Zugriff des Menschen entzieht.

Bernd Ulrich, der stellvertretende Chefredakteur der "Zeit", bezeichnet in seinem Buch "Alles wird anders" die Klimakrise als kumulativ: Jedes Molekül eines Treibhausgases, das in diesem Jahr ausgestoßen wird, muss nächstes Jahr zusätzlich eingespart werden. Mit jedem Moment der Verzögerung wächst die Aufgabe im nächsten Moment. Je länger wir nichts tun, desto schwerer wird es, zu handeln, desto höher werden die Kosten und desto einschneidender die notwendigen Maßnahmen.

Das widerspricht der Gewohnheit und auch den üblichen Methoden politischen Handelns.

Sie verkehrt Bewahren und Verändern

Daraus folgt eine Tatsache, die der Intuition sogar noch stärker widerspricht. Sie lautet, auf eine Formel gebracht: Veränderung ist Bewahrung, Bewahrung ist Zerstörung, Mäßigung ist Übermaß.

Es gibt keine Möglichkeit mehr, unsere Art des Lebens im fossilen Kapitalismus einfach zu erhalten. Der Status quo ist nicht erhaltbar. Erst recht gibt es keine Rückkehr in ein Früher, in einen Status quo ante. Veränderung ist an dem Punkt, an dem wir stehen, unausweichlich. Die Frage ist allein, wie diese Veränderung aussieht und ob sie gesteuert wird.

An diesem Punkt müssen wir mit ganz neuen Wirkungszusammenhängen zurechtkommen: Nur wer möglichst schnell, aber kontrolliert radikale Veränderungen anstößt, kann die Lebensweise, wie wir sie gewohnt sind, näherungsweise erhalten. Wer dagegen noch eine Weile an genau dieser Lebensweise festhält, garantiert, dass sie sich künftig radikal, aber unkontrolliert verändert.

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Damit kehren sich auch die Bedeutungen der üblichen politischen Identitäten um: Der Konservatismus, erst recht aber reaktionäre Haltungen, werden plötzlich revolutionär. Revolutionäre oder radikale Forderungen nach Veränderung werden ihrem Wesen nach konservativ.

Solche Sätze klingen zunächst verdächtig nach George Orwell, nach Formeln wie "Krieg ist Frieden" oder "Freiheit ist Sklaverei". Wir sind darauf trainiert, in ihnen Manipulation zu vermuten. Nur ändert sich angesichts der Klimakrise die Bedeutung der Begriffe nicht, wohl aber die Mittel, sie zu sichern.

Freiheit wird zum knappen Gut

Dasselbe gilt für die Idee der Freiheit. Auch hier müssen wir mit einer Verkehrung des Gewohnten leben: Klassischer Liberalismus, verstanden als Freiheit, sich für alles (also auch die fossile Lebensweise) und gegen alles (also auch Klimaschutz) zu entscheiden, sichert keine Freiheit, er zerstört sie unweigerlich.

Weil die Aufgaben mit jeder aufgeschobenen Gegenmaßnahme immer größer, die notwendigen Einschnitte wirksamer Klimaschutzpolitik immer tiefer oder im Fall des Nichthandelns die Folgen immer existenzieller werden, wird Freiheit zu einer Art knappem Gut: Je mehr Freiheit zum Nichthandeln wir uns jetzt herausnehmen, desto weniger Freiheit werden schon jetzt geborene Kinder als Erwachsene haben.

Schon kleine Schwankungen des Klimas haben gravierende Folgen: Es gibt beispielsweise Forscher, die einen Vulkanausbruch 1783 für steigende Brotpreise und den Ausbruch der Französischen Revolution mit verantwortlich machen. Schon ein einziger Dürresommer in Europa 2018 führte dazu, dass die Getreideernte in diesem Jahr weltweit den Bedarf nicht mehr deckt (noch gibt es aber Reserven).

David Wallace-Wells zitiert in seinem Buch "Die unbewohnbare Erde" Berechnungen, wonach die Erderhitzung bis zum Ende des Jahrhunderts das globale Bruttosozialprodukt um mehr als 20 Prozent senken könnte, verglichen mit einer Welt ohne Erderhitzung, wie wir sie gewohnt sind – das wäre ein tieferer Einschnitt als durch die "Great Depression" von 1929.

Gegenden, die von verheerenden Naturkatastrophen getroffen werden, brauchen Monate und Jahre, um sich davon zu erholen. Wenn Naturkatastrophen häufiger und heftiger auftreten, könnten viele Gesellschaften aus dem reaktiven Wiederaufbau gar nicht mehr herauskommen. Jeder Versuch, dauerhaft Infrastruktur aufzubauen, könnte dann scheitern.

Unter diesen Bedingungen würde Freiheit zu einer bloßen Behauptung – faktisch würde das Leben der meisten Menschen von existenziellen Notwendigkeiten bestimmt.

Die demokratietheoretische Herausforderung

An dieser Stelle wird die Klimakrise zur ernsthaften demokratietheoretischen Herausforderung, auch wenn "Fridays for Future" nur das Einhalten des Pariser Abkommens einfordern, also etwas, wozu sich Staaten freiwillig verpflichtet haben. Man braucht nur eine einzige Annahme für so etwas wie eine Letztbegründung der Demokratie, nämlich die Gleichheit aller Menschen. Dann gilt nämlich, dass kein einzelner Mensch beanspruchen kann, zu wissen, was gut und richtig ist. Also ist nur ein politisches System legitim, in dem alle Gleichen gemeinsam im Prozess definieren, was gut und richtig ist: Demokratie.

Nur muss die Erderhitzung eben jetzt bekämpft werden oder in wenigen Jahrzehnten wird Freiheit unkontrolliert aufgezehrt, durch Naturkatastrophen, kollabierende Wirtschaften und permanenten existenziellen Notstand. Unter diesen Umständen wird die gemeinsame Suche nach dem Guten und Richtigen so sehr eingeschränkt sein, dass von einem demokratischen Prozess kaum noch die Rede sein kann.

Daraus folgt: Wer heute daran festhält, dass es kein politisches Ziel geben kann, das infrage steht, solange Freiheitsrechte und Menschenrechte gewahrt werden, zerstört die Bedingungen künftigen demokratischen Handelns. Wer aber deshalb jetzt wirksamen Klimaschutz als politisches Ziel für unverhandelbar erklärt, verstößt jetzt gegen den Urgrundsatz der Demokratie.

Das ist ein echtes Dilemma, es ist also nicht aufzulösen und nicht wegzubekommen. Wer nur eine Seite davon betrachtet, macht es sich unzulässig einfach.

Das Scheinproblem der Ökodiktatur

Wegen dieser demokratischen Herausforderung sind überzeugte Klimaschützer_innen wie Greta Thunberg oder von "Extinction Rebellion" in den Ruf geraten, Antidemokrat_innen zu sein – nicht wegen ihrer ideologischen Sturheit, die ihnen mitunter auch gezielt vorgeworfen wird, um sie zu delegitimieren.

Es mag gewiss auch einige Antidemokrat_innen in der Klimaschutzbewegung geben, doch der große Rest, zu dem auch Greta Thunberg gehört, handelt ebenso wie seine Gegner in einer Lage, die keinen guten Ausweg bietet. Man kann unter den Bedingungen der Erderhitzung die Demokratie, wie wir sie kannten, nicht nicht strapazieren.

Trotzdem ist die oft gestellte Frage, ob man lieber in einer Ökodiktatur die Erderhitzung eindämmen oder in einer Demokratie die Erderhitzung geschehen lassen wolle, Spiegelfechterei, ein Rätsel ohne Nutzen, ein Scheinproblem. Ausgerechnet das populärste Dilemma in diesem Zusammenhang ist in Wahrheit gar keines.

Das liegt an der Natur einer Diktatur: In autoritären Systemen verliert der Einzelne, der in einer Demokratie politisches Subjekt war, das frei politisch handeln kann, seine Handlungsfähigkeit. Er kann nur noch mit Bezug auf das Herrschaftssystem handeln: sich dagegen auflehnen oder das tun, was von oben als möglich vorgegeben wird. Er kann sich nicht entscheiden, was er fordern und umsetzen will – und könnte er es, würde er von oben nicht eingeschränkt, läge keine Diktatur mehr vor.

Was politisch gewollt und getan wird, liegt in autoritären Systemen in der Hand der wenigen Herrschenden, die erfahrungsgemäß auf Bereicherung und Korruption setzen, also die unwahrscheinlichsten Klimaschützer sind. Aber selbst wenn sie als Klimaschützer anträten, könnte niemand kontrollieren, ob sie es wirklich umsetzen, sobald sie an der Macht wären.

Man kann sich also für Klimaschutz oder gegen Klimaschutz in einer Demokratie entscheiden, aber man kann sich nicht für oder gegen Klimaschutz in einer Diktatur entscheiden – man kann sich nur für eine Diktatur entscheiden und dann zum Untertan werden.

Die wahre Frage, die vom Gerede einer Ökodiktatur verdeckt wird, lautet, wie sehr gewählte demokratische Führung bereit ist, ihre eigenen Handlungsoptionen zu nutzen und Klimaschutz auch dort einzufordern und anzustoßen, wo nicht in jedem Einzelfall schon Umfragemehrheiten existieren.

Das nämlich darf sie selbstverständlich, sie darf dann versuchen, dieses Handeln zu begründen, zu verteidigen, Menschen zu überzeugen, und sich ihnen dann gegenüber zu verantworten – auch in freier Wahl. Demokratische Repräsentation muss nicht wie eine Maschine vermuteten Volkswillen exekutieren – sie behält ihre demokratische Handlungsfähigkeit und darf nach bestem Wissen und Gewissen auch: führen.

Und das ist auch der einzige Ausweg aus dem Dilemma: Jetzt alle demokratischen Mittel der Überzeugung zu nutzen, um die Bedingung der Möglichkeit von Demokratie auch in Zukunft zu erhalten. Aus Angst vor Gelbwesten mit den Achseln zu zucken, ist dagegen Kapitulation der Demokratie vor sich selbst.

Der Schrecken liegt in der Komplexität

Dass wir überhaupt an diesem Punkt stehen, an dem der Zeitdruck derart überwältigend geworden ist, liegt natürlich auch an Eigenarten der Klimakrise und der sie kommunizierenden Systeme.

Wissenschaft ist ein strukturell vorsichtiges Unterfangen. Wissenschaftler behandeln nur das als gesichertes Wissen, was wirklich über jeden Zweifel erhaben ist, und sie erheben den Zweifel zur Tugend. Sie haben deshalb Tempo und Dramatik der Erderhitzung eher übervorsichtig kommuniziert und konnten gar nicht anders, ohne aus der Rolle zu fallen und ihre Autorität zu riskieren.

Sogar diese vorsichtigen Warnungen wurden allerdings von großen Teilen der Öffentlichkeit als schrill und alarmistisch verstanden.

Das liegt auch an gezielten Kampagnen, die Zweifel säen sollten, aber auch daran, dass das Phänomen derart existenziell und unerhört ist, und daran, dass das Ende der Welt, wie wir sie kannten, notwendigerweise unwahrscheinlich erscheint – umso mehr, weil Endzeitprognosen bisher immer falsch waren, weil "die Apokalypse (...) auserzählt" ist, wie der "Zeit Online"-Redakteur Johannes Schneider in einem Essay argumentiert.

Auch Medien trugen ihren Teil dazu bei: Sie haben im Bemühen, zu vereinfachen, die steigenden Meeresspiegel zum Symbol der Erderhitzung gemacht. Dass Eis schmilzt, ist die am einfachsten verständliche Folge einer sich erwärmenden Erde. Nur trug genau das dazu bei, dass wenig Dringlichkeit empfunden wurde: So ein Meeresspiegel steigt langsam und nur an den Küsten, man hat Zeit, Deiche und Dämme zu bauen. Insofern muss man also feststellen: Gerade die Vereinfachung hatte Verharmlosung zur Folge.

Der wahre Schrecken liegt in der Wechselwirkung, in sich selbst verstärkenden Prozessen, in der Gleichzeitigkeit von Dürren und Starkregen, Waldbränden und Überschwemmungen, Stürmen und Meeresspiegelanstieg überall auf der Welt, also: in der Komplexität.

Doch bis vor Kurzem haben sich Medien selbst eingeredet, die Klimakrise lasse sich so schlecht erzählen, gerade weil sie so komplex und strukturell sei – und erst festgestellt, dass das nicht stimmt, als sie aufgehört haben, sich selbst glauben zu wollen.

Auf ewig fünf vor zwölf

Will man sich nun von der Problembeschreibung einer Lösung zuwenden, muss man sich zwei weitere Paradoxien bewusst machen. Einerseits ist da diese Merkwürdigkeit, dass es seit Ewigkeiten in den Warnungen "fünf vor zwölf" ist: Wer vor der Erderhitzung warnt, sagt am Ende meist, dass noch Zeit sei, um zu handeln. Das stimmt wahrscheinlich, vielleicht stimmt es nicht mehr oder bald nicht mehr, auf jeden Fall wirkt es merkwürdig ritualisiert und damit unglaubwürdig.

Aber es gibt keine Alternative: Nur wenn wir die eigene Handlungsfähigkeit behaupten, können wir handlungsfähig bleiben.

Weil die Erderhitzung nicht nur, wie in diesem Text ausgeführt, ein qualitativ neues politisches Problem ist, sondern auch ein graduelles, weil also jedes Zehntelgrad mehr oder weniger spürbare Folgen hat, hätte Nichtstun noch katastrophalere Folgen als fast nichts tun.

Zuletzt ist da das Problem, dass jede Maßnahme gegen die Erderhitzung nur einen kleinen Teil beitragen kann und dass zu den notwendigen Maßnahmen auch neue Technik gehört, die es beispielsweise erlaubt, im großen Stil CO2 aus der Atmosphäre abzusaugen und zu binden. Ohne diese neuen Technologien, die wir im Grundsatz kennen, aber noch nicht wirklich nutzen können, wird es nicht gehen, sagt auch der Weltklimarat. Wir müssen also auf diesen Gott als Maschine hoffen. Aber wenn wir uns darauf verlassen, dass wieder einmal Technik die Lösung bringen wird, wird uns auch dieser Gott nicht helfen können.


Gut möglich, dass es dafür sowieso zu spät ist, dass spätestens die Kinder der Kinder, die in diesen Tagen auf die Welt kommen, eine Welt erleben, die wir nicht mehr wiedererkennen würden. Wenn eine Chance bestehen soll, dann ist dafür dies die Voraussetzung: nicht nur anzuerkennen, dass die Klimakrise Wirklichkeit ist, sondern auch die Wirklichkeit der Klimakrise anzuerkennen.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • Bernd Ulrich: Alles wird anders
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